Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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Haus sehr schlecht bestellt sein. Man muß auf einem höheren Standpunkte stehen, wenn man diese wichtige Verwaltung richtig auffassen und mit glücklichem Erfolge leiten will. Das Erste, womit die Herstellung einer guten Hausordnung beginnen muß, ist, daß man nur rechtschaffene Leute im Hause leide, welche nicht einen geheimen Hang, die Ordnung zu stören, mit hineinbringen. Sind aber Knechtschaft und Rechtschaffenheit so vereinbar, daß man hoffen dürfte, Bediente zu finden, die rechtschaffene Leute wären? Nein, Milord, wenn man sie haben will, muß man sie nicht aufsuchen, man muß sie schaffen, und nur ein tüchtiger Mann versteht die Kunst, Andere tüchtig zu machen. Ein Heuchler möge sich immerhin mit dem Scheins der Tugend bekleiden, er wird die Liebe zu ihr keinem Menschen einflößen; wüßte er sie liebenswerth zu machen, so würde er sie selbst lieben. Was können frostige Ermahnungen, die das eigene Beispiel beständig Lügen straft, anders bewirken, als daß man denke, Der, welcher sie feilbietet, wolle mit der Leichtgläubigkeit Anderer sein Spiel treiben? Was für ein abgeschmackter Einfall, von Anderen zu verlangen, daß sie das thun, was man anpreist, wenn man es selbst nicht thut! Wer das, was er sagt, nicht thut, sagt es niemals auf rechte Art, denn es fehlt die Sprache des Herzens, welche rührt und überredet. Ich habe oft dergleichen plump berechnete Reden gehört, welche man vor den Hausbedienten, wie vor Kindern hält, um ihnen auf indirektem Wege gute Lehren zu geben. Es ist mir nie eingefallen zu glauben, daß sie sich dadurch nur einen Augenblick würden zu Narren halten lassen, und ich sah sie auch immer heimlich lächeln über die Einfalt des Herrn, sie für solche Tröpfe zu halten, vor denen er mit aller Breite Grundsätze auskramen könnte, von denen sie doch recht gut wußten, daß es nicht die seinigen wären.

      Von dergleichen pfiffigen Manoeuvres weiß man in diesem Hause nichts; die Kunst der Herrschaft, ihre Bedienten so zu machen, wie sie sie haben will, besteht vornehmlich darin, sich ihnen so zu zeigen, wie sie selbst ist. Ihr Betragen ist stets offen und frei, weil sie nicht zu fürchten brauchen, daß ihre Handlungen ihre Reden Lügen strafen. Da sie nicht für sich eine andere Moral haben, als sie Anderen beibringen wollen, so haben sie nicht nöthig, sich mit dem, was sie sagen, ängstlich in Acht zu nehmen; ein zufällig entschlüpftes Wort wirft nicht Grundsätze über den Haufen, welche sie mühsam eingeführt haben. Sie geben nicht alle ihre Angelegenheiten geschwätzig zum Besten, aber sie sprechen alle ihre Grundsätze frei aus. Bei Tische, auf dem Spaziergange, unter vier Augen oder vor aller Welt wird stets dieselbe Sprache geführt; man sagt über jede Sache unbefangen, was man denkt, und ohne daß es beabsichtigt würde, findet Jeder immer Etwas dabei zu lernen. Da die Bedienten ihre Herrschaft nie Anderes thun sehen, als was recht und billig ist, so sehen sie die Gerechtigkeit nicht als einen Tribut des Armen, als ein Joch des Unglücklichen, als einen Fluch ihres Standes an. Die Achtsamkeit, mit welcher man dafür sorgt, daß die Arbeiter nicht vergeblich nach ihrem Lohne laufen und ganze Tage damit verlieren, gewöhnt sie, den Werth der Zeit zu fühlen. Wenn sie sehen, wie angelegen es sich die Herrschaft sein läßt, Anderen Zeit zu ersparen, so schließt daraus Jeder, daß seine Zeit ihr kostbar ist und würde es sich um so übler nehmen, müßig zu gehen. Das Vertrauen, welches man zu der Redlichkeit der Herrschaft hat, giebt Allem, was sie anordnet, die Kraft, durch welche es sich in Geltung setzt und den Mißbrauch ausschließt. Man hat nicht Furcht, daß die Herrin bei der Ertheilung der wöchentlichen Gratification immer finden werde, daß der Jüngste oder Schönste am fleißigsten gewesen sei. Ein alter Bedienter fürchtet nicht, daß man irgend eine Chikane hervorsuchen werde, um die ihm in Aussicht gestellte Erhöhung des Lohnes zu ersparen. Man hofft nicht von Uneinigkeiten der Herrschaft Nutzen zu ziehen, um sich wichtig zu machen und von dem einen Theil zu erlangen, was der andere abschlägt. Diejenigen, welche sich zu verheiraten wünschen, fürchten nicht, daß man ihrem Vorhaben in den Weg treten werde, um sie länger zu behalten, und daß so ihr Eifer im Dienste zu ihrem Schaden ausschlage. Wenn ein fremder Bedienter käme, und den Leuten dieses Hauses erzählte, daß sein Herr und dessen Bedienten in einem wahren Kriegszustande leben, daß diese, wenn sie Jenem so viel Uebeles zufügen, als sie können, nur eine gerechte Repressalie üben, daß, da die Herren Räuber unrechtmäßigen Gutes, Lügner und Gauner sind, es keine Sünde wäre, sie so zu behandeln, wie sie den Fürsten oder das Volk oder Privatpersonen behandeln, und ihnen das Böse, welches sie mit offenbarer Gewalt thun, mit List zu vergelten, so würde Der, welcher so spräche, von Niemanden begriffen werden; es wird auch hier nicht für nöthig gehalten, solchen Erzählungen entgegenzuwirken oder zuvorzukommen; mögen das Jene thun, die zu denselben gerechten Anlaß geben, und sich dadurch in die Nothwendigkeit versetzen, sie zu bekämpfen.

      Ueble Laune und Trotz kommt hier bei den Gehorchenden niemals vor, weil die Gebietenden von hochfahrendem und launischem Wesen frei sind, weil man nicht verlangt, was nicht vernünftig und nützlich wäre, und weil man Achtung genug hat vor der Würde des Menschen, wenn er auch dienstbar ist, um ihn nur zu solchen Dingen zu gebrauchen, die ihn nicht herabwürdigen. Uebrigens gilt hier nichts für erniedrigend, als das Laster, und Alles, was recht und nützlich ist, für schicklich und ehrenvoll.

      Wenn man Intriguen außer dem Hause nicht duldet, so ist auch Niemand in Versuchung, welche anzuzetteln. Die Leute hier wissen zu gut, daß ihr Glück am besten gesichert ist, wenn der Wohlstand ihres Herrn nicht leidet, und daß es ihnen an Nichts fehlen wird, solange das Haus in guten Umständen bleibt. Sie sorgen also, indem sie dem Hause dienen, für ihr Erbe und vermehren dieses, indem sie sich ihren Dienst angenehm machen; es ist dies ihr eigenes größtes Interesse. Das Wort Interesse ist aber hier nicht an seiner Stelle, denn ich habe nie eine innere Einrichtung gesehen, bei welcher das Interesse so klüglich wahrgenommen und doch von so geringem Einfluß gewesen wäre, als hier. Alles geschieht aus Anhänglichkeit; man möchte sagen, daß diese käuflichen Seelen sich reinigen, indem sie in diese Wohnstätte der Weisheit und der Einigkeit eintreten. Man möchte sagen, daß ein Theil von dem klaren Verstande des Herrn und von dem gefühlvollen Wesen der Herrin in Jeden ihrer Leute übergegangen ist, so einsichtig, wohlthätig, rechtschaffen und ihrem Stande überlegen findet man sie. Ihr größter Ehrgeiz ist, sich Achtung, Liebe, Wohlwollen zu erwerben, und sie zählen die verbindlichen Worte, die ihnen gesagt werden, wie Andere die Geschenke, welche sie empfangen.

      Dies, Milord, sind meine vornehmsten Beobachtungen über denjenigen Theil der Verwaltung dieses Hauses, welcher sich auf die Dienerschaft und die Lohnarbeiter bezieht. Was die Lebensweise der Herrschaft und die Behandlung der Kinder betrifft, so verdient jeder dieser Gegenstände einen besonderen Brief. Sie wissen, in welcher Absicht ich diese Mittheilungen begonnen habe; aber Alles zusammen giebt in der That ein so entzückendes Gemälde, daß man kein anderes Interesse nöthig hat, um es gern zu betrachten, als die Freude, welche man daran findet.

      Elfter Brief.

       Saint-Preux an Milord Eduard.

       Inhaltsverzeichnis

      Ja, Milord. es ist Wort für Wort wahr, man sieht nichts in diesem Hause, worin nicht das Angenehme mit dem Nützlichen gepaart wäre; die nützlichen Beschäftigungen beschränken sich aber nicht auf die einträglichen Arbeiten allein, sie umfassen auch alle die unschuldigen und einfachen Vergnügungen, welche die Liebe zur Zurückgezogenheit, zur Arbeit, zur Mäßigkeit nähren, die Seele gesund erhalten und das Herz frei von dem Wirrwarr der Leidenschaften. Während träge Unthätigkeit nur Mißmuth und Langeweile gebiert, ist der Reiz einer süßen Muße die Frucht eines arbeitsamen Lebens. Man arbeitet nur, um zu genießen; diese Abwechselung von Mühe und Genuß ist unser wahrer Beruf. Die Ruhe, welche zur Erholung von gethaner Arbeit und zur Stärkung für neue Arbeit dient, ist dem Menschen nicht weniger nothwendig, als die Arbeit selbst.

      Nachdem ich von der Wachsamkeit und Thätigkeit der achtungswürdigsten Familienmutter die Wirkungen in der Ordnung ihres Hauses gesehen hatte, sah ich gleiche Wirkung von ihren Erholungen an einem einsamen Orte, den sie zu ihrem Lieblingsspaziergange gemacht hat und den sie ihr „Elysium" nennt.

      Ich hatte schon mehrere Tage von diesem Elysium reden hören und zwar in einer gewissen geheimnißvollen Weise. Endlich gestern Nachmittag, da es der außerordentlichen

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