Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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uns alle Welt sieht und hört, sondern in einsamer Zusammenkunft, wo die Heimlichkeit und Zwanglosigleit herrscht, kommt die Sittlichkeit in Gefahr. Dieser Erfahrung zufolge, habe ich es gern, daß meine Leute beiderlei Geschlechts, wenn sie gesellig zusammenkommen, alle mit dabei seien. Ich erlaube auch gern, daß sie aus der Nachbarschaft solche junge Leute dazu einladen, deren Umgang nicht geeignet ist, ihnen zu schaden, und ich höre mit großer Freude, daß es Brauch geworden ist, wenn man einen unserer jungen Nachbarn wegen seines guten Wandels rühmen will, blos zu sagen: er darf zu Herrn von Wolmar kommen. Wir haben hierbei noch etwas Anderes im Auge. Die Mannsleute in unserem Dienste sind sämmtlich Junggesellen, und unter den Frauenzimmern ist die Wärterin unserer Kinder noch zu verheiraten. Es wäre nun unbillig, wenn die Abgeschlossenheit, in welcher sie beiderseits hier leben ihnen die Gelegenheit, anständig unterzukommen, raubte. Wir suchen also durch jene kleinen Gesellschaften ihnen eine solche Gelegenheit unter unsern Augen zu verschaffen, um ihnen zu einer guten Wahl behülflich zu sein, und indem wir so daran arbeiten, glückliche Hausstände zu begründen, vermehren wir das Glück des unsrigen.

      Es wäre noch übrig, mich selbst zu rechtfertigen, daß ich mit diesen guten Leuten tanze: aber ich will mich lieber wegen dieses Punktes stillschweigend verurtheilen lassen, und gestehe offen, daß ich es hauptsächlich deshalb thue, weil es mir Vergnügen macht. Sie wissen, daß ich immer so leidenschaftlich gern getanzt habe, als meine Cousine: aber seit dem Verluste meiner Mutter, verzichtete ich für immer auf den Besuch von Bällen und allen großen Gesellschaften. Ich habe mir Wort gehalten, selbst an meinem Hochzeittage, und werde es ferner thun, denn ich glaube nicht, daß ich dagegen verstoße, wenn ich bei mir zu Hause manchmal mit meinen Gästen und mit meinen Leuten tanze. Es ist dies eine Bewegung, die bei der sitzenden Lebensart, zu welcher man hier im Winter gezwungen ist, meiner Gesundheit dient. Es ist eine unschuldige Belustigung, denn wenn ich recht getanzt habe, macht mir mein Herz keinen Vorwurf. Es macht auch Herrn von Wolmar Vergnügen; ich habe dabei keine andere Koketterie, als ihm zugefallen. Es geschieht meinetwegen, daß er an den Ort kommt, wo getanzt wird; seine Leute finden sich durch die Gegenwart ihres Herrn geschmeichelt, und auch mich unter sich zu sehen macht ihnen sichtlich Freude. Endlich noch finde ich. daß diese unbedeutende Vertraulichkeit ein herzliches und freundliches Verhältniß gründet, das uns dem ursprünglichen Zustande menschlicher Gleichheit ein wenig annähert, indem es die Erniedrigung des Gehorchens und die Härte des Befehlens etwas ausgleicht.

      Dies, Milord, sagte mir Julie in Betreff des Tanzes, und ich bewunderte, wie bei so viel Herablassung so viel Subordination herrschen konnte, wie sie und ihr Mann sich so oft unter ihre Bedienten mischen und sich ihnen gleichstellen konnten, ohne daß diese sich versucht fänden, sie beim Worte zu halten und ihrerseits sich ihnen gleichzustellen. Ich glaube nicht, daß es in Asien Herrscher giebt, die in ihren Palästen mit mehr Ehrfurcht bedient werden, als diese gute Herrschaft in ihrem Hause. Ich kann mir nichts Wirksameres denken, als ihre Befehle, und keine geschwindere Vollziehung, als denselben zu Theil wird: sie bitten, und man fliegt, sie entschuldigen, und man fühlt sein Unrecht. Ich habe nie deutlicher eingesehen, wie wenig die Kraft dessen, was man sagt, von den Worten abhängt, deren man sich bedient.

      Dies hat mich noch auf eine andere Betrachtung über die falsche Würde der Herrschaften geführt, nämlich, daß es weniger ihre Vertraulichkeit ist, als ihre Fehler, was ihnen im eigenen Hause Verachtung zuzieht, und daß man, wenn die Bedienten unverschämt sind, mehr auf eine lasterhafte, als auf eine schwache Herrschaft schließen kann; denn nichts macht die Leute so dreist, als ihre Bekanntschaft mit den Lastern ihres Herrn, und jedes, welches sie entdecken, ist in ihren Augen ein Grund, sich des Gehorsams gegen einen Menschen, vor dem sie keine Ehrfurcht haben, überhoben zu achten.

      Die Bedienten ahmen ihrer Herrschaft nach und indem sie plump nachahmen, lassen sie in ihrem Betragen die Fehler schärfer hervortreten, welche bei jenen der Firniß der Bildung mehr versteckt. In Paris schloß ich auf die Sitten der Damen, die ich kannte, aus dem Tone und Benehmen ihrer Kammerfrauen, und diese Regel hat mich niemals betrogen.

      Abgesehen davon, daß die Kammerfrau, wenn sie einmal die Geheimnisse ihrer Herrschaft weiß, ihre Verschwiegenheit dieser theuer verkauft, handelt sie so, wie die andere denkt, und macht deren Maximen offenbar, indem sie sie ungeschickt in Ausübung bringt. In jeder Hinsicht ist das Beispiel der Herrschaft mächtiger, als ihr gebietendes Ansehen, und es wäre nicht natürlich, daß ihre Dienerschaft braver sein wollte, als sie. Mag man doch, so viel man will, schreien, fluchen, mißhandeln, reines Haus machen — mit dem Allen schafft man keine gute Bedienung. Wenn der und der, welcher nichts danach fragt, ob er von seinen Leuten verachtet und gehaßt ist, sich dessenungeachtet gut bedient glaubt, so ist die Sache die, daß er mit dem, was er sieht, und mit einem Scheine von Pünktlichkeit zufrieden ist, ohne tausenderlei Schaden in Rechnung zu bringen, den man ihm immerfort heimlich zufügt, und dessen Quelle er nie entdeckt. Welcher Mensch aber wäre so ehrlos, daß er es ertragen könnte, sich von seiner ganzen Umgebung verachtet zu wissen? Welche Frau wäre so verloren, daß sie nicht noch Gefühl für Schande hätte? Wie viel Damen in Paris und London dünken sich sehr geehrt, ach, und wie würden sie in Thränen zerfließen, wenn sie hörten, was man über sie in ihrem Vorzimmer sagt! Zum Glück für ihre Ruhe dünken sie sich sicher, indem sie diese hundertäugigen Wächter für Tölpel halten und sich schmeicheln, daß dieselben nichts von dem Allen sähen, was sie sich gar nicht vor ihnen zu verstecken bemühen. Diese ihrerseits, in ihrem widerspenstigen Gehorsam, verbergen Jenen ebenso wenig, wie sehr sie sie verachten. Herrschaft und Dienerschaft fühlen beiderseits, daß es nicht der Mühe werth ist, sich einander Achtung abzunöthigen.

      Das Urtheil der Bedienten scheint mir der sicherste und empfindlichste Probstein für die Tugend ihrer Herrschaft, und ich erinnere mich, Milord, daß ich mir von der Ihrigen in Wallis eine gute Meinung bildete, ehe ich Sie noch kannte, blos deshalb, weil ich sah, daß Sie ziemlich kurz mit ihren Leuten waren, und daß diese Ihnen dennoch anhingen und in Ihrer Abwesenheit unter einander mit so vieler Achtung von Ihnen sprachen, als ob sie von Ihnen hätten gehört werden können. Man hat gesagt, daß Niemand vor seinem Kammerdiener ein großer Mann sei; möglich! aber dem gerechten Manne ist die Achtung seines Bedienten gewiß; Beweis genug, daß das Großsein nur eitler Flimmer, und daß nichts wahren inneren Werth hat, als die Tugend. Vorzüglich erkennt man die Gewalt ihrer Herrschaft hier in diesem Hause an dem Beifalle der Dienerschaft, der ein um so sichereres Merkmal ist, als er nicht in eitelen Lobsprüchen besteht, sondern in dem natürlichen Ausdrucke dessen, was die Leute wirklich fühlen. Da sie hier nie etwas erfahren, das ihnen den Glauben beibringen könnte, nicht alle Herrschaften glichen der ihrigen, so loben sie an dieser nicht als Tugend, was sie für etwas Gewöhnliches halten; aber sie loben in ihrer Einfalt Gott, daß er Reiche auf Erden eingesetzt hat zum Wohle Derer, die ihnen dienen und zum Heile der Armen.

      Das Dienen ist dem Menschen so wenig natürlich, daß es nicht ganz ohne alle Unzufriedenheit bestehen kann. Indessen man hat Achtung vor dem Herrn, und sagt nichts über ihn. Wenn sich einmal ein Bißchen Murren über die Herrin mit einstiehlt, so hat dieses mehr Werth als Lobeserhebungen. Keiner beschwert sich, daß sie es an Wohlwollen für ihn fehlen lasse, sondern nur, daß sie dessen so viel für Andere habe. Keiner mag es leiden, wenn sie eine Vergleichung anstellt zwischen seinem Eifer und dem seiner Kameraden, und Jeder möchte immer der Erste sein in der Gunst, wie er in der Anhänglichkeit der Erste zu sein glaubt; dies ist ihr einziger Grund zu Klagen und ihre größte Ungerechtigkeit.

      Mit der Subordination der Untergebenen geht die Eintracht unter den Gleichgestellten Hand in Hand. Dieser Theil der häuslichen Verwaltungskunst ist nicht der leichteste. Unter der Dienerschaft eines Hauses, selbst wenn sie so wenig zahlreich ist wie die hiesige, entspringen aus Eifersucht und Eigennutz unaufhörliche Reibungen, und die Leute sind fast nie einig, außer zum Schaden der Herrschaft. Wenn sie sich mit einander verstehen, so geschieht dies nur, um in Gemeinschaft zu stehlen; wenn sie treu sind, so macht sich Jeder auf Kosten der Uebrigen geltend; sie müssen entweder Feinde oder Mitschuldige sein, und es läßt sich kaum ein Mittel finden, ihre Spitzbübereien und ihre Zänkereien zugleich zu vermeiden. Die meisten Familienväter kennen nur die Wahl zwischen diesen beiden Uebelständen. Die Einen, indem sie den Vortheil höher anschlagen als eine rechtschaffene Gesinnung ihrer Leute,

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