Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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nicht? rief sie ganz bestürzt. Weil er zu flatterig für dich ist. O Mama, blos das? Ich will ihn schon gesetzt machen. Und wenn er nun unglücklicher Weise dich zur Närrin machte? Ach, gute Mama, ich würde so gerne wie Sie werden! Wie ich? Unart! Ja, Mama, Sie sagen den ganzen Tag, Sie lieben mich wie eine Närrin; sehen Sie! ich will Männel wie eine Närrin lieben; das ist die Sache.

      Ich weiß, daß du von solchem reizenden Geplapper keine Freundin bist, und du wirst ihm bald Grenzen zu setzen wissen; ich will's eben auch nicht vertheidigen, wiewohl es mich bezaubert, sondern dir nur zeigen, daß deine Tochter schon ihr kleines Männel lieb hat, und daß sie, wenn er zwei Jahr jünger ist als sie, sich des Ansehens nicht unwürdig zeigt, das ihr der Vorzug des Alters giebt. Auch sehe ich, wenn ich dein und mein Beispiel gegen das deiner armen Mutter halte, daß es mit dem Hause, wenn die Frau herrscht, nicht übler steht. Adieu, mein Herz, adieu, liebe Unzertrennliche! denke, daß die Zeit schon kommt, und daß die Weinlese nicht ohne mich gehalten werden wird.

      Zehnter Brief.

       Saint-Preux an Milord Eduard.

       Inhaltsverzeichnis

      Wie viele Freuden, die ich zu spät kennen lerne, schmecke ich seit drei Wochen! Ach, es ist süß, seine Tage im Schoße einer stillen Freundschaft, geschützt vor den Stürmen der Leidenschaften hinzubringen! Milord, was für ein angenehmes, rührendes Schauspiel gewährt ein einfacher, wohlgeordneter Hausstand, in welchem Ordnung, Friede und Unschuld herrschen, wo man ohne Prunk, ohne Glanz Alles vereinigt sieht, was der wahren Bestimmung des Menschen entspricht! Die ländliche Umgebung, die Zurückgezogenheit, die Ruhe, die Jahreszeit, die weite Wasserfläche, die vor meinen Augen liegt, Alles erinnert mich hier an meine köstliche Insel Tinian. Ich glaube die heißen Wünsche erfüllt zu sehen, welche dort so oft in mir aufstiegen. Ich führe hier ein Leben nach meinem Geschmack, finde einen Umgang nach meinem Herzen. Nichts fehlt an diesem Orte, als zwei Personen, damit mein Glück vollständig sei, und diese, habe ich Hoffnung, bald hier zu sehen.

      Einstweilen, bis Sie und Frau v. Orbe kommen, und den süßen und reinen Freuden, die ich hier empfinden lerne, die Krone aufsetzen, will ich Ihnen eine häusliche Einrichtung beschreiben, welche zu erkennen giebt, wie glücklich die Herren des Hauses sind, und welche diejenigen, die es mit ihnen bewohnen, zu Theilnehmern ihres Glückes macht. Bei dem Plane, mit welchem Sie umgehen, hoffe ich, daß meine Betrachtungen für die Folge von Nutzen sein können, und diese Hoffnung macht mir noch mehr Lust, sie anzustellen.

      Ich will Ihnen das Haus von Clarens nicht beschreiben: Sie kennen es, Sie wissen, wie reizend es ist, was für anziehende Erinnerungen es in mir weckt, wie theuer es mir sein muß, sowohl wegen dessen, was ich gegenwärtig darin sehe, als wegen dessen, woran es mich mahnt. Frau v. Wolmar ist mit Recht lieber hier als in Étange, wo das Schloß zwar prächtig und groß, aber alt, traurig, unbequem ist und keine Umgebungen hat, welche sich mit denen von Clarens vergleichen ließen.

      Seit die Besitzer dieses Hauses ihre Wohnung in demselben aufgeschlagen haben, ist Alles, was darin nur auf Zierde angelegt war, nützlichen Zwecken dienstbar gemacht worden; es ist nicht mehr ein Haus zum Besehen, sondern zum Bewohnen. Sie haben lange Zimmerreihen abgesperrt, um unbequem angebrachte Thüren zu verlegen; sie haben zu große Räume getheilt, um wohnlichere Gemächer zu gewinnen; altmodische und prächtige Meubles haben sie mit einfacheren und bequemeren vertauscht. Alles ist hier anmuthig und freundlich, Alles athmet Fülle und Sauberkeit, nirgends spürt man Ueberfluß und Pracht; es ist kein Zimmer da, wo man nicht merkte, daß man auf dem Lande ist, und wo man nicht doch alle Bequemlichkeiten der Stadt fände. Außen sind die vorgenommenen Veränderungen ebenso zu spüren: der Hof ist durch Wegnahme von Remisen vergrößert worden. An die Stelle eines alten verfallenen Billards ist eine schöne Kelter getreten, und wo schreiende Pfauen wohnten, die man abgeschafft hat, sieht man eine Milchkammer. Der Küchengarten war zu klein für den Hausbedarf; es ist daher aus dem Blumenparterre ein zweiter gemacht worden, der aber so nett und sinnig angelegt ist, daß das umgeschaffene Parterre besser in's Auge fällt, als in seiner früheren Gestalt. Anstatt der traurigen Eiben, welche die Mauern bedeckten, sind schöne Spaliere angebracht worden. Wo die unnütze Roßkastanie stand, fangen junge, schwarze Maulbeerbäume an, den Hof zu beschatten, und statt der alten Linden, welche den Zugang zum Hause einfaßten, sind zwei Reihen Nußbäume bis zur Landstraße gepflanzt. Ueberall ist das Nützliche an die Stelle des Angenehmen gesetzt worden, und die Annehmlichkeit hat fast immer dabei gewonnen. Ich wenigstens finde, daß das Geräusch des Hofes, das Geschrei der Hähne, das Brüllen des Rindviehes, das Anspannen der Wagen, die Mahlzeiten im Freien, das Heimkommen der Arbeiter und das ganze wirthschaftliche Treiben diesem Hause einen ländlicheren, lebendigeren, heitereren, frischeren Anstrich giebt, etwas Fröhliches und Behagliches, das es zuvor in seiner düstern Würde nicht hatte.

      Sie haben ihr Land nicht verpachtet, sondern bewirthschaften es selbst, und durch dieses Wirthschaften gewinnen sie den größten Theil ihrer Beschäftigungen, Einkünfte und Vergnügungen. Die Baronie Étange hat nur Wiesen, Felder und Waldungen; der Ertrag von Clarens aber besteht in Wein von nicht geringem Belange, und da der Unterschied der Culturmethode hierbei von merklicherem Einfluß ist, als bei dem Getreidebau, so ist es zugleich ein ökonomischer Grund, welcher die Familie bewogen hat, dem Aufenthalte in Clarens den Vorzug zu geben. Indessen gehen sie fast jedes Jahr zur Ernte auf ihr Ackergut und Herr v. Wolmar allein ist ziemlich oft dort. Sie haben den Grundsatz, dem Boden den größtmöglichen Ertrag abzugewinnen, nicht um größeren Gewinnes halber, sondern um mehr Leuten Nahrung zu geben. Herr v. Wolmar ist der Meinung, daß das Land desto mehr ausgiebt, je mehr Arme zu seiner Bebauung thätig sind; besser bestellt, trägt es mehr; dieses Mehr der Production macht wieder eine noch bessere Bestellung möglich; je mehr Menschen und Vieh man darauf verwendet, desto mehr Ueberschuß giebt es zu deren Erhaltung. Man weiß gar nicht, sagt er, wo diese immerwährende wechselseitige Steigerung des Ertrages und der Bearbeitung ihre Grenzen findet. Ein vernachlässigter Boden verliert dagegen seine Fruchtbarkeit; je weniger Menschen ein Land erzeugt, desto weniger Lebensmittel bringt es hervor; der Mangel an Bewohnern ist Schuld daran, daß die wenigen, welche da sind, sich nicht ernähren können, und in jeder Gegend, welche sich entvölkert, muß man früher oder später Hungers sterben.

      Da sie also viel Land haben und es mit vieler Sorgfalt bestellen, so brauchen sie, außer den Hofknechten, eine Menge von Tagelöhnern, und dies verschafft ihnen das Vergnügen, daß sie, ohne daß es ihnen lästig fiele, vielen Leuten zu leben geben können. Bei der Wahl ihrer Tagelöhner ziehen sie stets den Einheimischen und Den aus der Nachbarschaft dem Fremden und Unbekannten vor. Wenn man auf diese Weise Einiges dadurch verliert, daß man nicht immer die Kräftigsten nimmt, so gewinnt man auf der andern Seite durch die Zuneigung, deren man sich bei Denen, die man als Ortskinder vorzieht, versehen kann, und durch den Vortheil, daß man sie stets um sich hat, und, obgleich man sie nur einen Theil des Jahres bezahlt, doch jederzeit sicher haben kann.

      Für alle diese Arbeiter ist ein doppelter Lohnsatz eingeführt, der eine nach Gebühr und Landesbrauch, der ihnen jedenfalls für ihre Arbeit ausgezahlt wird, der andere etwas höher, den man ihnen nur zahlt nach Verhältniß der Zufriedenheit, welche sie sich erworben haben; und es ergiebt sich fast immer, daß das, was sie thun, um sich größere Zufriedenheit zu erwerben, mehr ausmacht, als was sie mehr erhalten! denn Herr v. Wolmar ist streng und genau, und läßt Das, was er als Gunst und Geschenk eingeführt hat, nie in Gewohnheit ausarten. Den Tagelöhnern sind Aufseher gesetzt, welche sie antreiben und unter Augen haben. Als solche dienen die Hofknechte, die selbst arbeiten, und außer dem Lohne, den sie erhalten, bei der Arbeit der Uebrigen mit einem kleinen Procent von allem unter ihrer Mühwaltung sich ergebenden Gewinne betheiligt sind. Außerdem besucht Herr v. Wolmar selbst die Leute fast täglich, oft mehrmals des Tages, und seine Frau nimmt gern an diesen Gängen Theil. Endlich giebt Julie in den Zeiten, wo viel Arbeit ist, alle Wochen demjenigen Arbeiter, gleichviel ob Tagelöhner oder Knecht, welcher nach Ausspruch des Herrn während der acht Tage am fleißigsten gewesen ist, eine besondere

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