Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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so daß, wenn der Gewinn etwas beträchtlicher ist, z. B. ein Paar silberne Schnallen, ein Paar seidene Strümpfe, ein feiner Hut, oder Etwas der Art, gewöhnlich in mehreren Spielen darum gekämpft wird. Man bleibt alsdann nicht bei einer Art Spiel stehen, sondern wechselt ab, damit Der, welcher in dem einen am geschicktesten ist, nicht alle Preise davontrage, und damit Alle durch mannichfaltige Uebungen gewandter und tüchtiger werden. Bald handelt es sich darum, wer im Laufe am ersten ein am andern Ende der Allee aufgerichtetes Ziel erreichen, bald, wer einen Stein am weitesten werfen, bald, wer eine Last am längsten tragen, bald, wer in's Schwarze schießen werde. Meist werden die Spiele durch allerlei kleine Veranstaltungen, welche hinzukommen, verlängert und unterhaltender gemacht. Die Herrschaft beehrt sie oft mit ihrer Gegenwart; manchmal werden auch die Kinder mitgebracht; selbst Fremde finden sich ein, von der Neugier herbeigelockt, und manche würden nur gar zu gern mitspielen, aber es wird Niemand zugelassen, außer mit Erlaubniß der Herrschaft und mit Einwilligung der Spieler, die freilich nicht ihre Rechnung dabei finden würden, diese leicht zu gewähren. Unvermerkt ist aus diesem Brauche eine Art Schauspiel geworden, bei welchem die handelnden Personen, durch die Blicke der Zuschauer angefeuert, den Ruhm des Beifalls dem Vortheile des Gewinnes vorziehen. Indem sie kräftiger und gewandter werden, schätzen sie sich selbst höher, und indem sie sich gewöhnen, ihren Werth mehr nach dem zu messen, was sie vermögen, als nach dem, was sie besitzen, wird ihnen, trotz dem daß sie nur Bediente sind, die Ehre lieber als Geld.

      Es würde mich zu weit führen, Ihnen alle Vortheile aufzuzählen, die man hier aus einer, dem Anscheine nach, so kindischen Einrichtung zieht, die gemeinen Geistern sicher verächtlich dünkt, während es doch dem wahren Genie eigen ist, große Wirkungen mit kleinen Mitteln zu erreichen. Herr von Wolmar hat mir gesagt, daß ihm die ganze Sache, die seine Frau zuerst ausgedacht hat, kaum 50 Thaler jährlich koste. Aber, sagte er, wie vielfältig meinen Sie, daß sich mir diese Summe in meiner Wirthschaft und in meinen Geschäften wiedereinbringt, durch die Wachsamkeit und Pünktlichkeit anhänglicher Diener, die all ihr Vergnügen von ihrer Herrschaft haben, durch den Antheil, den sie an der Wohlfahrt eines Hauses nehmen, welches sie als das ihrige betrachten, durch den Vortheil, daß die Kraft und Gewandtheit, welche sie bei ihren Spielen erwerben, ihnen bei ihren Arbeiten zu statten kommt, durch den Vortheil, daß sie immer gesund bleiben, indem sie nicht in die gewöhnlichen Ausschweifungen von ihres Gleichen und die Krankheiten, die deren gewöhnliche Folge sind, verfallen, durch den Vortheil, daß sie zu den Diebereien und Betrügereien nicht versucht sind, welche ein unordentliches Leben unfehlbar nach sich zieht, sondern immer ehrliche Leute bleiben, endlich durch die Annehmlichkeit, mit geringen Kosten im eigenen Hause Erholungen zu haben, die uns selbst Vergnügen machen? Wenn sich unter unsern Leuten Jemand findet, Mannsperson oder Frauenzimmer, der sich in unsere Hausordnung nicht fügt, und ihr die Freiheit vorzieht, unter diesem oder jenem Vorwande hinzulaufen, wo es ihm gut dünkt, so wird ihm die Erlaubniß dazu niemals verweigert; aber wir sehen diesen Hang zur Ungebundenheit als ein sehr verdächtiges Zeichen an, und entledigen uns immer bald Derer, die ihn haben. So dienen uns dieselben Ergötzlichkeiten, die uns unsere Leute brav erhalten, zugleich zum Probemittel bei der Wahl derselben. Milord, ich muß gestehen, daß ich nirgend, außer hier, eine Herrschaft gefunden habe, die so dieselben Leute zugleich zu guten Bedienten, zu guten Bauern, zu guten Vaterlandsvertheidigern und zu braven Menschen für jeden Stand, in den sie treten mögen, bildete.

      Im Winter sind die Vergnügungen, wie die Arbeiten anderer Art. Sonntags versammeln sich alle Leute aus dem Hause, und auch die Nachbarn mit ihnen, Männer und Frauen ohne Unterschied, nach dem Gottesdienste in einem Saale des Erdgeschosses, wo sie Feuer, Wein, Obst, Backwerk und eine Geige finden, nach der sie tanzen. Frau von Wolmar verfehlt nie, sich dabei wenigstens einige Augenblicke zu zeigen, um durch ihre Gegenwart Ordnung und Anstand aufrecht zu erhalten, und nicht selten tanzt sie selbst, wenn auch mit ihren eigenen Leuten. Diese Gewohnheit schien mir, als ich davon hörte, zuerst mit der Strenge der protestantischen Sitten nicht recht vereinbar. Ich sagte es Julien, und was sie mir entgegnete, war etwa Folgendes:

      Die reine Moral ist so reich an ernsten Pflichten, daß, wenn man sie noch mit gleichgültigen Formen überlädt, dies fast immer nur auf Kosten des Wesentlichen geschieht. Es heißt, daß es wirklich bei den meisten Mönchen so sei, daß dieselben, tausend unnützen Regeln unterworfen, von Ehre und Tugend gewöhnlich nichts wissen. Dieser Fehler ist bei uns Protestanten weniger herrschend, aber wir sind doch auch nicht ganz frei davon. Unsere Kirchendiener, die allerdings in Einsicht allen Arten von Priestern ebenso überlegen sind, als unsere Religion in Heiligkeit allen übrigen, haben doch noch manche Grundsätze, die mehr auf Vorurtheil, als auf Vernunft gegründet scheinen. So z. B. daß sie Tanz und gesellige Lustbarkeiten tadeln; als ob Tanzen etwas Schlimmeres wäre, als Singen, als ob jede dieser Ergötzlichkeiten nicht gleichermaßen aus einem natürlichen Triebe herstammte, und als ob es eine Sünde wäre, sich in Gemeinschaft ein unschuldiges und anständiges Vergnügen zu machen. Ich für mein Theil glaube vielmehr, daß in jedem Falle, wenn beide Geschlechter zusammenkommen, eine öffentliche Unterhaltung unschuldiger ausfällt, und zwar eben deswegen, weil ste öffentlich ist, während die löblichste Beschäftigung verdächtig wird, wenn sie unter vier Augen stattfindet. Mann und Frau sind für einander bestimmt; es ist der Zweck der Natur, daß sie ehelich vereinigt seien. Jede falsche Religion streitet wider die Natur; die unsrige allein, die sich ihr anschließt und.sie läutert, giebt sich dadurch als eine göttliche und dem Wesen des Menschen entsprechende Anstalt zu erkennen [Rousseau verkennt hier wie überall das Wesen des Christenthums, welches die Natur selbst als das Sündhafte betrachtet und von dem Menschen fordert, daß er sich von Ihr losreiße und sein ganzes Trachten auf eine ideale Welt, auf den Himmel, richte. D. U.]. Sie muß also in Betreff der Ehe zu den Verwickelungen, welche die bürgerliche Ordnung herbeiführt, nicht noch neue Schwierigkeiten hinzufügen, welche das Evangelium nicht vorschreibt, und welche dem Geiste des Christenthums entgegen sind. Man sage mir doch, wo junge, heiratsfähige Personen Gelegenheit finden sollen, Neigung zu einander zu fassen, und sich mit mehr Schicklichkeit und Vorsicht zu sehen, als in einer Versammlung, wo die Augen aller Welt, beständig auf sie gerichtet, sie zwingen, mit der größten Sorgfalt über sich zu wachen. Wie kann Gott beleidigt sein durch eine angenehme und gesunde Leibesübung, welche der Lebhaftigkeit junger Personen zusagt, welche darin besteht, daß sie sich einander mit Anmuth und Zierlichkeit zeigen, und bei welcher, der Zuschauer wegen, eine gemessene Haltung beobachtet wird, aus der Niemand herauszugehen wagt? Kann man sich ein schicklicheres Mittel denken, Niemanden zu hintergehen, wenigstens was das Aeußere betrifft, und sich mit den Vorzügen und Fehlern, die man haben mag, den Personen zu zeigen, denen daran gelegen ist, uns recht zu kennen, ehe sie sich verpflichten, uns zu lieben? Macht es die Pflicht, sich gegenseitig zu lieben, nicht zur Pflicht, daß man sich zu gefallen suche? Und ist es nicht für zwei tugendhafte und christliche Personen, die daran denken, sich mit einander zu verbinden, eine würdige Aufgabe, so ihre Herzen zu der gegenseitigen Liebe, die Gott ihnen auflegt, vorzubereiten?

      Was ist die Folge, wenn Alles beständig unter der Zuchtruthe gehalten, wenn die unschuldigste Fröhlichkeit wie ein Verbrechen bestraft wird, wenn die jungen Leute beiderlei Geschlechts sich nie öffentlich versammeln dürfen, und ein Geistlicher, in übelberechneter Strenge, nichts im Namen Gottes zu predigen weiß, als knechtischen Zwang, Trübsinn und Langeweile? Man entzieht sich auf Schleichwegen einer Tyrannei, die unerträglich ist, weil sie wider Natur und Vernunft streitet: die erlaubten Vergnügungen, die man einer munteren, ausgelassenen Jugend versagt, ersetzt sie sich durch gefährlichere; listig veranstaltete Zusammenkünfte unter vier Augen treten an die Stelle der öffentlichen Vereinigungen; dadurch, daß man sich versteckt, als hätte man Strafbares vor, geräth man in Versuchung, Strafbares zu begehen. Die unschuldige Freude jauchzt sich gern im hellen Lichte des Tages aus, das Laster aber liebt das Dunkel, und niemals haben Unschuld und Heimlichkeit lange bei einander gewohnt. Mein theurer Freund, sagte sie zu mir, indem sie mir die Hand drückte, gleich als wollte sie mir ihren Reumuth mittheilen und in mein Herz die Lauterkeit des ihrigen überströmen: wer könnte besser als wir die ganze Wichtigkeit dieses Grundsatzes fühlen? Wie viel Schmerzen und Leiden, wie viel Gewissensbisse und Thränen würden wir uns so viele Jahre hindurch erspart haben, wenn wir bei der Tugendliebe, die uns Beide stets beseelte, die Gefahren früher hätten voraussehen können, welche der Tugend drohen, wenn man viel mit einander allein ist!

      Noch

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