Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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Welt fleißig und bringen zuletzt mehr ein, als sie kosten; aber da man den Nutzen davon erst mit der Zeit und nur durch Ausdauer ernten kann, so verstehen es wenig Leute, oder haben Lust, sie anzuwenden.

      Ein noch wirksameres Mittel aber, die Liebe der Leute zu gewinnen, das einzige, bei welchem kein ökonomischer Zweck obwaltet und das mehr der Frau von Wolmar eigenthümlich ist, besteht darin, daß sie selbst ihnen mit Liebe begegnet. Sie glaubt nicht mit Geld die Mühe, welche man sich für sie giebt, gut gemacht zu haben und meint, demjenigen, der ihr Dienste geleistet hat, auch wieder Dienste schuldig zu sein. Arbeiter, Hausleute, Jeder, der ihr gedient hat, wenn auch nur einen einzigen Tag, Alle werden zu ihren Kindern; sie nimmt Theil an ihren Freuden, an ihren Leiden, an ihrem Schicksale; sie erkundigt sich nach ihren Angelegenheiten und nimmt sich derselben an: sie steht ihnen auf tausend Arten bei, giebt ihnen Rathschlage, gleicht ihre Zwistigkeiten aus, und beweist ihnen die Leutseligkeit ihres Charakters nicht durch honigsüße und müßige Worte, sondern durch wirkliche Dienstleistungen und unaufhörliche Gutthaten. Sie ihrerseits lassen bei dem geringsten Wink von ihr Alles stehen und liegen; sie fliegen, wenn sie ruft, ihr bloßer Blick belebt ihren Eifer; in ihrer Gegenwart sind sie zufrieden, in ihrer Abwesenheit sprechen sie von ihr und muntern einander auf, ihr Dienste zu leisten. Ihre Reize, ihre Reden thun viel dabei, mehr ihre Sanftmuth und ihre Tugend. Ach, Milord, was für eine anbetungswürdige und was für eine mächtige Gewalt übt die Schönheit mit Wohlthätigkeit gepaart!

      Was die persönliche Bedienung der Herrschaft betrifft, so sind im Hause acht Bediente: drei Frauen und fünf Männer, den Kammerdiener des Barons und die Hofknechte nicht gerechnet. Es ist überhaupt nicht der Fall, daß man mit wenigen Bedienten schlecht bedient sei; aber wenn man den Eifer dieser hier sieht, sollte man denken, daß Jeder, außer seinem eigenen Dienst, sich mit denen der sieben anderen beauftragt glaubt, und wenn man sieht, wie Alles in einander greift, daß nur ein Einziger thätig sei. Man sieht sie niemals träg und geschäftlos in einem Vorzimmer spielen oder auf dem Hofe umherstehen, sondern immer bei irgend einer nützlichen Arbeit; sie helfen auf dem Hofe, im Speisekeller, in der Küche; der Gärtner hat keine andern Gehülfen als sie, und das Erfreulichste ist, daß man sie das Alles munter und mit Lust thun sieht.

      Man fängt mit ihnen früh an, um sie so zu ziehen, wie man sie haben will. Es herrscht hier nicht der Grundsatz, den ich in Paris und London allgemein verbreitet fand, Bediente zu nehmen, die schon gelernt, d. h. zu Spitzbuben völlig ausgebildet sind, solche, die von Condition in Condition laufen, die in jedem Hause, wo sie kurze Zeit bleiben, die Fehler der Bedienten und der Herrschaft zugleich sich aneignen und sich ein Gewerbe daraus machen, aller Welt zu dienen, ohne je für Jemand Anhänglichkeit zu gewinnen. Natürlich kann bei dergleichen Leuten weder Ehrlichkeit noch Treue, noch Eifer herrschen; dieses Gesindel in allen reichen Häusern richtet den Herrn zu Grunde und verdirbt die Kinder. Hier im Hause ist die Wahl der Bedienten eine wichtige Angelegenheit: man betrachtet sie nicht wie Miethlinge, von denen man nichts als pünktlichen Dienst fordert, sondern wie Mitglieder der Familie, die daher durch eine schlechte Wahl viel zu leiden haben könnte. Das erste, was man von ihnen verlangt, ist Ehrlichkeit, das zweite, daß sie ihren Herrn lieben, das dritte, daß sie ihn nach seiner Weise bedienen; aber wenn nur ein Herr vernünftig und ein Diener gelehrig ist, so folgt das dritte stets aus den beiden andern. Man nimmt die Leute also nicht aus der Stadt, sondern vom Lande. Es ist hier ihr erster Dienst, und wird gewiß ihr letzter sein, wenn sie etwas taugen. Man wählt sie aus irgend einer zahlreichen und mit Kindern überfüllten Familie, wenn die Eltern aus freien Stücken sie anbieten. Man wählt solche, die jung, wohlgewachsen, gesund und von angenehmer Gesichtsbildung sind. Herr von Wolmar spricht mit ihnen, fragt sie aus, stellt sie dann seiner Frau vor. Wenn sie Beiden zusagen, so werden sie angenommen, zuerst auf Probe, dann in die Zahl der Hausleute, d. h. der Kinder des Hauses, und man unterweist sie einige Tage lang mit vieler Geduld und Sorgfalt in Allem, was sie zu thun haben. Der Dienst ist so einfach, so regelmäßig und gleichförmig, die Herrschaft hat so wenig Launen und Einfälle, und die Dienerschaft gewinnt sie so leicht lieb, daß Alles bald gelernt ist, Ihre Stellung ist eine angenehme; sie beenden sich in einer gemächlichen Lage, welche sie bei sich zu Hause nicht hatten; aber man läßt sie nicht in Müßiggang, der aller Laster Anfang ist, erschlaffen. Man leidet nicht, daß sie zu großen Herren werden und sich auf ihre Bedientenschaft etwas einbilden; sie arbeiten fort wie in ihrem väterlichen Hause; sie haben, so zu sagen, nur Vater und Mutter gewechselt und wohlhabendere Eltern gewonnen. Auf diese Weise wird ihnen ihr altes Bauerleben nicht verächtlich. Wenn sie hier aus dem Dienste kämen, würde kein einziger unter ihnen sein, der nicht lieber zu seinem Stande zurückkehrte, als eine andere Condition annähme. Kurz, ich habe nie ein Haus gesehen, wo Jeder besser seinen Dienst verrichtete und es weniger fühlte, daß er dient.

      Wenn man so seine eigenen Bedienten heranzieht und bildet, so hat man sich nicht den so gewöhnlichen und so wenig vernünftigen Einwurf zu machen: Ich werde sie nur für Andere bilden. Bildet sie, wie es sich gehört, könnte man antworten, und sie werden nie in einen anderen Dienst treten. Wenn ihr bei ihrer Bildung nur an euch denkt, so ist es ihnen nicht übel zu nehmen, wenn sie nur an sich denken und euch, sobald sie ausgebildet sind, verlassen; aber beschäftiget euch ein wenig mehr mit ihnen, und sie werden euch treu bleiben. Nur die gute Absicht verpflichtet den Anderen; wer Gutes von mir hat, das ich nur meinetwegen thun will, ist mir keine Erkenntlichkeit schuldig.

      Um dem nämlichen Uebelstande auf doppelte Art zu begegnen, wenden Herr und Frau von Wolmar noch ein anderes Mittel an, das mir sehr zweckmäßig scheint. Als sie ihre Einrichtung anfingen, überlegten sie, wie viele Bedienten sie ihrem Stande und Vermögen gemäß halten könnten, und fanden, daß die Zahl sich auf 15 oder 16 belaufen würde; um nun besser bedient zu sein, verringerten sie diese Zahl auf deren Hälfte; sie haben so weniger Unkosten und werden bei Weitem pünktlicher bedient. Um sich darin noch mehr zu verbessern, machten sie, daß es der Leute eigenes Interesse wurde, lange in ihrem Dienste zu bleiben. Nämlich ein Diener, der bei ihnen antritt, erhält das gewöhnliche Lohn; aber dieses Lohn wächst jedes Jahr um ein Zwanzigstel; nach Ablauf von zwanzig Jahren würde es also etwas mehr als verdoppelt sein, und die Unterhaltung der Bedienten würde sich ungefähr im richtigen Verhältniß mit den Mitteln der Herrschaft befinden. Aber man braucht kein großer Rechner zu sein, um zu begreifen, daß die Kostspieligkeit dieser Lohnerhöhung mehr scheinbar als wirklich ist, daß wenig doppelte Löhne zu bezahlen sein werden und daß, wären sie auch Allen zu bezahlen, der Vortheil, zwanzig Jahre lang gut bedient worden zu sein, für den Zuwachs der Ausgabe reichlich entschädigen würde. Sie fühlen wohl, Milord, daß dies ein sicheres Mittel ist, um den Eifer der Bedienten beständig rege zu erhalten, und daß ihre Anhänglichkeit nothwendig mit der Anhänglichkeit der Herrschaft zu ihnen wachsen muß. Eine Einrichtung dieser Art ist nicht nur der Klugheit, sondern auch der Billigkeit gemäß. Wäre es recht, einem neu Angestellten, der noch keine Liebe zur Herrschaft hat, und vielleicht ein Taugenichts ist, bei seinem Eintritte dasselbe Lohn zu geben, welches ein alter Diener erhält, dessen Eifer und Treue durch langen Dienst erprobt ist, und der sich überdies der Zeit nähert, wo er aus Altersschwäche nicht mehr im Stande sein wird, seinen Unterhalt zu erwerben? Uebrigens ist dieser letztere Grund hier nicht anzuwenden: Sie können wohl denken, daß eine so menschenfreundliche Herrschaft Pflichten, welche viele unmitleidige Herrschaften aus Prahlerei erfüllen, nicht verabsäumt, und nicht diejenigen unter ihren Leuten hülflos läßt, denen Krankheit oder Alter den Dienst unmöglich machen.

      Ich habe gerade ein recht schlagendes Beispiel von solcher Aufmerksamkeit bei der Hand. Der Baron von Étange wollte seinen Kammerdiener für langjährige Dienste mit einem ehrenvollen Ruheposten belohnen, und bot ihm ein einträgliches und müheloses Amt an, das er durch seinen Einfluß bei Ihren Excellenzen ihm verschaffen konnte. Nun aber hat Julie soeben von diesem alten Diener einen Brief erhalten, der einem Thränen entlocken könnte, worin er sie bittet, zu bewirken, daß ihm die Annahme dieses Postens erlassen werde. „Ich bin alt, schreibt er, ich habe meine ganze Familie verloren; ich habe keine andern Angehörigen, als meine Herrschaft, keine andere Hoffnung mehr, als meine Tage friedlich in dem Hause zu beschließen, in welchem ich sie verlebt habe .... Madame, als ich Sie bei Ihrer Geburt auf meinen Armen trug, hat ich Gott, daß ich einst Ihre Kinder ebenso tragen dürfte! er hat mir diese Gnade geschenkt; versagen Sie mir nun nicht die, sie aufwachsen

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