Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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ihre allgemeine Verbreitung als die natürlichste erweist, und selbst in den Ländern, wo sie umgestoßen ist, erkennt man noch Spuren von ihr. In Frankreich, wo die Männer es sich auferlegt haben, nach Frauenart zu leben, und mit den Frauen unaufhörlich eingeschlossen zu bleiben, zeigt die unwillkürliche Beweglichkeit, von der sie sich auch dort nicht losmachen können, daß dies nicht die Lebensweise ist, für welche sie bestimmt sind. Während die Frauen, auf ihrer Chaise-longue sitzend oder liegend, ruhig bleiben, sieht man die Männer in beständiger Unruhe aufstehen, hin und her gehen, sich wieder setzen, indem ein unwiderstehlicher Instinkt fortwährend gegen den Zwang kämpft, den sie sich auflegen, und sie wider Willen zu dem thätigen und rührigen Leben drängt, das ihnen die Natur zugewiesen hat. Es ist das einzige Volk in der Welt, wo die Männer im Schauspiel stehen, gleich als wollten sie sich im Parterre von der Anstrengung erholen, den ganzen Tag im Salon still zu sitzen. Kurz, sie empfinden so sehr das Lästige dieser stubenhockenden, weibischen Trägheit, daß sie, um wenigstens eine Art Thätigkeit hineinzubringen, ihren Platz zu Hause Fremden abtreten und zu anderen Frauen laufen, um sich wieder aufzufrischen.

      Die Maxime der Frau von Wolmar bewährt sich vollkommen an dem Beispiel ihres Hausstandes. Indem Jeder, so zu sagen, ganz seinem Geschlechte angehört, leben die Frauen sehr abgesondert von den Männern. Sie gebraucht zur Verhütung verdächtiger Verbindungen unter ihnen weiter keinen Kunstgriff, als daß sie sie beiderseits unablässig beschäftigt, denn ihre Arbeiten sind so verschiedenartig, daß nur der Müßiggang sie zu einander führen könnte. Frühmorgens geht Jeder seinen Geschäften nach, und Niemand hat Muße, den andern in den seinigen zu stören. Nachmittags haben die Männer im Garten, auf dem Hofe, oder mii tsonstiger Landarbeit zu thun; die Frauen arbeiten in der Kinderstube, bis es Zeit ist mit den Kleinen einen Spaziergang zu machen, an dem oft auch ihre Herrin Theil nimmt, und der ihnen angenehm ist, als die einzige Gelegenheit, die sie haben, frische Luft zu schöpfen. Die Männer, die von der Arbeit des Tages müde genug werden, haben nicht eben Lust spazieren zu gehen, und bleiben, um auszuruhen, zu Hause, Alle Sonntage, nach der Nachmittagspredigt, kommen die Frauen ebenfalls in der Kinderstube etwa mit einer Verwandten oder Freundin zusammen, welche sie der Reihe nach mit Erlaubnis; der Hausfrau einladen. Dort wird bis zur Zeit einer kleinen Bewirthung, die ihnen die letztere giebt, geschwatzt, gesungen, Federball geschlagen, oder ein ärmliches Spiel vorgenommen, das die Kinder gern mit ansehen, solange sie sich noch nicht selbst damit belustigen können. Das Abendbrod kommt; es besteht aus Milchwerk, Honig, Gebackenem, Küchlein und Anderem, was Kinder und Frauen gern essen. Wein giebt es niemals, und die Männer, welche überhaupt nur wenig in das kleine Gynäceum [Frauengemach.] kommen, sind bei diesem Schmause nie zugegen, Julie aber fehlt selten dabei. Ich bin der Erste, mit dem eine Ausnahme gemacht worden ist. Letzten Sonntag erhielt ich, auf vieles Bitten, die Erlaubniß, mit Julie hinzugehen, sie nahm Bedacht, mir diese Gunst hoch anzurechnen. Sie sagte in Aller Gegenwart, daß sie sie mir nur für das eine Mal bewillige, und daß sie sie Herrn von Wolmar selbst abgeschlagen hätte. Sie können sich denken, wie das der Eitelkeit der Frauenzimmerchen schmeichelt, und ob ein Bedienter wohl daraus fallen kann, da Zulaß zu begehren, wo der Herr selbst ausgeschlossen ist.

      Ich schmauste köstlich. Giebt es in der ganzen Welt etwas Besseres, ats die Milch hier zu Lande? Denken Sie sich also, wie gut sie aus einer Milchwirtschaft schmecken muß, der Julie vorsteht, und wenn man sie an ihrer Seite genießt. Fanchon legte mir Grus, Céracée [Namen von Milcherzeugnissen auf dem Gebirge von Salève.], Honigwaben, Ecrelets vor. Alles verschwand im Augenblick. Julie lachte über meinen Appetit. Ich sehe, sagte sie, indem sie mir noch einen Teller Sahne aufthat, daß Sie Ihrem Magen überall Ehre machen, und daß Sie mit den Frauen nicht minder gut zu zechen verstehen, als mit den Wallisern. Nicht minder ungestraft, antwortete ich: man kann sich hier wohl eben so gut wie dort berauschen, und die Vernunft eben so gut in einem Chalet, als in einem Weinkeller verlieren. Sie schlug die Augen nieder ohne zu antworten, erröthete, und fing an mit ihren Kindern zu kosen. Dies reichte hin, um meine Gewissensbisse aufzuwecken. Milord, es war meine erste Indiscretion, und ich hoffe, es wird die letzte sein.

      Es herrscht in dieser kleinen Versammlung eine gewisse altväterische Einfalt, die für mich etwas Rührendes hatte; ich sah auf allen Gesichtern dieselbe Fröhlichkeit und vielleicht mehr Ungezwungenheit, als wenn Männer dabei gewesen wären. Die Herzlichkeit, welche zwischen den Dienerinnen und der Herrin herrschte, auf Vertrauen und Anhänglichkeit gegründet, konnte nur dazu dienen, die Achtung vor der letzteren und ihr Ansehen zu befestigen, und die Dienste, die geleistet und angenommen wurden, schienen nur Beweise von gegenseitiger Freundschaft zu sein. Alles, bis auf die Wahl der Speisen, machte diesen Schmaus anziehend. An Milchwerk und Zucker findet das andere Geschlecht besonderen Geschmack, und hat daran gleichsam ein Symbol der Unschuld und süßen Sanftmuth [Das Wortspiel, das in douceur liegt, „Süßigkeit" und „Sanftmuth" ist im Deutschen nicht wiederzugeben. D. Uebers.], die seine schönsten Zierden sind. Die Männer haben dagegen im Allgemeinen eine Neigung zu dem Pikanten und zu geistigen Getränken, Nahrungsmitteln, die auch zu dem thätigen und rührigen Leben, welches die Natur von ihnen fordert, besser passen. Wenn diese Verschiedenheit des Geschmackes aufgehoben und umgetauscht wird, so ist dies fast ein unfehlbares Zeichen von regelloser Mischung der Geschlechter. In der That habe ich bemerkt, daß in Frankreich, wo die Frauen beständig mit den Männern zusammenleben, jene die Liebe zur Milch gänzlich und diese die Liebe zum Wein bedeutend verloren haben, während in England, wo die beiden Geschlechter weniger vermengt leben, der jedem von beiden eigenthümliche Geschmack sich besser erhalten hat. Im Allgemeinen ließe sich, dünkt mich, oft ein Anzeichen von dem Charakter des Menschen in seiner Vorliebe für dieses oder jenes Nahrungsmittel finden. Die Italiener, welche viel Gemüse essen, sind weichlich und weibisch. Ihr Engländer, die ihr große Fleischesser seid, habt in eurem zähen Wesen eine gewisse Derbheit, die sogar an's Rohe streifen kann. Der Schweizer, der von Natur kalt, ruhig und einfach, aber im Zorne auffahrend und heftig ist, liebt beiderlei Nahrungsmittel und trinkt Milch und Wein. Der Franzose, geschmeidig und veränderlich, ißt alles Mögliche und schmiegt sich in alle Charaktere. Julie selbst könnte mir als Beispiel dienen; denn obgleich sie bei ihren Mahlzeiten gern hat, was dem Gaumen schmeichelt, mag sie doch weder Fleisch, noch Ragouts, noch Salziges, und reinen Wein hat sie nie getrunken; ausgezeichnetes Gemüse, Eier, Milchwerk, Obst ist ihre gewöhnliche Nahrung, und ohne den Fisch, den sie auch sehr gern ißt, würde sie eine wahre Pythagoräerin sein.

      Es ist nichts, die Frauen im Zaume zu halten, wenn man nicht auch die Männer im Zaume hält, und dieser Zweig der Hausordnung, der nicht minder wichtig ist als der andere, macht noch mehr Schwierigkeit; denn der Angriff ist in der Regel lebhafter, als die Abwehr: es ist so von dem Erhalter der Natur geordnet. Im Staate werden die Bürger durch Sitten, Grundsätze, Tugend gezügelt; wie soll man aber Bediente, Miethlinge anders, als durch Zwang und Gewalt zügeln? Die ganze Kunst des Herrn besteht nun darin, dem Zwange ein Mäntelchen von eigener Lust und eigenem Vortheil überzuhängen, dergestalt, daß die Leute Alles selbst zu wollen glauben, was man sie zu thun nöthigt. Die Sonntagserholung, das Recht, das man ihnen nicht nehmen kann, zu gehen, wohin es ihnen gut dünkt, wenn ihre Beschäftigungen sie nicht mehr im Hause festhalten, zerstört oft an einem einzigen Tage alle gute Frucht des Beispiels und der Belehrungen von sechs anderen. Der Besuch der Schenken, der Verkehr und die Grundsätze ihrer Kameraden, der Umgang mit liederlichen Frauenzimmern bewirkt bald, daß sie für ihre Herren und für sich selbst verloren sind, und sich durch tausend Fehler unfähig zum Dienste, und der Freiheit unwerth machen.

      Diesem Uebelstande hilft man hier dadurch ab, daß man sie durch dasselbe, was sie sonst zum Ausgehen treibt, an's Haus fesselt. Was wollen sie auswärts? In der Schenke trinken und spielen. Nun wohl, sie trinken und spielen zu Hause. Es ist nur der Unterschied, daß der Wein ihnen nichts kostet, daß sie sich nicht betrinken, und daß sie beim Spiele Gewinn haben, ohne daß Jemand verliert. Dies wird so gemacht.

      Hinter dem Hause ist ein bedeckter Gang, welcher zum Spielplatze bestimmt ist. Dort versammeln sich die Livree-Bedienten und die Hofknechte im Sommer Sonntags nach der Predigt, um, in mehrere Truppe getheilt, zu spielen, nicht um Geld, das wird hier nicht gelitten, noch um Wein, den erhalten sie, sondern um einen Gewinn, den die Freigebigkeit ihrer Herrschaft aussetzt. Dieser Gewinn besteht jederzeit in irgend einer Geräthschaft oder einem

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