Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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Die Andern, bequemere Leute, wollen sich lieber bestehlen lassen, um nur Ruhe im Hause zu haben; sie machen sich eine Art Ehre daraus, daß sie Winke, die manchmal reiner Eifer einem Diener abnöthigt, jederzeit schlecht aufnehmen. Beide Classen greifen gleichermaßen fehl. Die Ersteren erhalten ihr Haus nicht nur in einer beständigen Spannung und Unruhe, die sich mit einem regelmäßigen Gang und guter Ordnung nicht verträgt, sondern umgeben sich mit einem Haufen von Schurken und Angebern, dir sich an dem Verrathen ihrer Kameraden üben, einst vielleicht ihre Herrschaft zu verrathen. Die Letzteren, indem sie durchaus nicht erfahren wollen, was in ihrem Hause vorgeht, geben ihren Leuten Befugniß, sich gegen sie selbst zu verbinden, machen den Schlechten Muth, schrecken die Guten ab, und unterhalten mit großen Kosten einen Haufen von anmaßenden Schuften und Faulenzern, die, zum Schaden der Herrschaft einverstanden, Alles, was sie für diese thun, wie eine Gnade, und daß sie sie bestehlen, für ein Recht ansehen [Ich habe die innere Einrichtung großer Häuser ziemlich genau kennen gelernt undhabe mich überzeugt, daß es für einen Herrn, der zwanzig Bediente hält, unmöglich ist, je mit Sicherheit zu wissen, ob er einen ehrlichen Menschen darunter hat, und nicht für einen solchen gerade den ärgsten Spitzbuben von allen zu halten. Schon dies allein könnte es mir verleiden. ein Reicher zu sein. Eine der süßesten Freuden des Lebens, die Lust, sich den Menschen mit Achtung und Vertrauen hinzugeben, ist für diese Unglücklichen verloren. Ihr Gold kommt ihnen theuer zu stehen.].

      Es ist ein großer Irrthum in der Hauswirthschaft wie in der Staatswirthschaft, Laster durch Laster bekämpfen und unter ihnen eine Art Gleichgewicht herstellen zu wollen, als ob das, was die Ordnung untergräbt, je dazu dienen könnte, sie aufzurichten. Man erreicht durch diese falsche Politik nichts weiter, als daß man zuletzt alle Mißstände beisammen hat. Diejenigen Laster, die man in einem Hause duldet, bleiben nicht die einzigen, welche darin herrschen; läßt man eins aufkeimen, so zieht es tausend andere nach sich. Bald machen sie die Diener, die von ihnen befallen sind, zu verlorenen Menschen, richten den Herrn, der sie zuläßt, zu Grunde, verderben die Kinder, oder geben ihnen Aergerniß, denn deren Aufmerksamkeit entgeht nichts, was im Hause geschieht. Was für ein unwürdiger Vater, der den Gedanken fassen könnte, daß irgend ein Vortheil im Stande wäre, das letztere dieser Uebel aufzuwiegen! Welcher brave Mann möchte Familienhaupt sein, wenn es eine Unmöglichkeit wäre, in seinem Hause Frieden und Ehrlichkeit zugleich aufrecht zu halten, und wenn er den Eifer seiner Bedienten nur auf Kosten ihres gegenseitigen Wohlwollens erkaufen könnte!

      Wer nur dieses Haus hier gesehen hätte, würde sich's gar nicht einfallen lassen, daß eine solche Schwierigkeit vorhanden sei, so sehr scheint die Eintracht aller Mitglieder desselben aus der Anhänglichkeit, aus der Liebe zu seinen Häuptern, von selbst zu folgen. Hier findet man das sichtliche Beispiel, daß es nicht möglich ist, den Herrn aufrichtig zu lieben, ohne Alles zu lieben, was ihm angehört, eine Wahrheit, welche der christlichen Liebe zur Grundlage dient. Ist es nicht eine ganz natürliche Sache, daß die Kinder desselben Vaters sich unter einander als Brüder behandeln? In der Kirche wird uns dies alle Tage gesagt, ohne daß man es uns fühlen ließe. Die Bewohner dieses Hauses fühlen es, ohne daß es ihnen gesagt würde.

      Die Geneigtheit Aller zu einem verträglichen Leben hat ihre erste Wurzel in der Vorsicht, die schon bei ihrer Wahl angewendet wird. Herr von Wolmar sieht bei der Annahme seiner Leute nicht blos darauf, ob sie fürseine Frau und für ihn passen, sondern auch, ob sie unter sich für einander passen. Und wenn man eine deutlich ausgesprochene Abneigung zwischen zwei übrigens guten Dienern fände, so würde dies hinreichend sein, um einen von beiden augenblicklich zu verabschieden; denn, sagt Julie, ein so wenig zahlreiches Haus, ein Haus, das sie nie wieder verlassen, und in welchem sie beständig sich einander vor Augen haben, muß ihnen allen auf gleiche Weise zusagen und würde ihnen zur Hölle werden, wenn es nicht ein Haus des Friedens wäre. Sie müssen es wie ihr Vaterhaus ansehen, wo Alle zusammen nur Eine Familie ausmachen. Ein Einziger, der den Uebrigen zuwider wäre, könnte es ihnen ganz verleiden, und da sie diesen unangenehmen Gegenstand immer vor sich haben müßten, würden sie weder für sich noch für uns hier taugen.

      Nachdem man sie so viel als möglich so zusammengestellt hat, wie sie für einander passen, kettet man sie gleichsam ohne Wissen und Willen durch die Dienste an einander, welche man sie gewissermaßen zwingt, sich gegenseitig zu erzeigen. und macht, daß Jeder fühlen muß, wie wichtig es für ihn sei, von allen Kameraden geliebt zu werden. Keiner, der um eine Gunst für sich bittet, wird so gut aufgenommen, als wenn er es für einen Andern thut; daher sucht Jeder, der eine zu erlangen wünscht, sich die Fürsprache eines Anderen zu verschaffen, und dies ist um so leichter, da man jedes Mal, ob nun die erbetene Gunst zugestanden oder abgeschlagen werde, demjenigen, der für den Anderen gesprochen, ein Verdienst daraus macht, denjenigen dagegen, die immer nur auf sich bedacht sind, nichts gewährt. Warum, sagt man diesen, sollte ich dir bewilligen, was für dich erbeten wird, der du nie für einen Anderen gebeten hast? Wäre es billig, daß du mehr Glück habest, als deine Kameraden, die gefälliger sind als du? Man thut noch mehr, man bringt sie dahin, daß sie einander im Stillen dienen, ohne Aufsehen, ohne sich damit zu zeigen; dies ist um so weniger schwer zu erlangen, da sie sehr gut wissen, daß der Herr, wenn er diese Bescheidenheit wahrnimmt, sie deshalb nur desto mehr schätzt; so gewinnt der Eigennutz dabei und die Eigenliede verliert nichts. Sie sind von der Bereitwilligkeit Aller in dieser Hinsicht so überzeugt, und es herrscht unter ihnen ein solches Vertrauen auf einander, daß, wenn einer um etwas zu bitten hat, er es nur gesprächsweise bei Tischt erwähnt: dies reicht oft hin, daß die Sache für ihn erbeten werde und daß er sie erlange, und da er nicht weiß, wem er dafür zu danken hat, so ist er Allen verpflichtet.

      Durch dieses Mittel und andere ähnliche wird erreicht, daß unter den Leuten eine Liebe zu einander herrscht, welche aus der zu ihrem Herrn entspringt und dieser untergeordnet ist. Weit entfernt daher, sich zu seinem Nachtheile zu verbünden, sind sie Alle nur einig im Wetteifer, ihm gut zu dienen. Wie wichtig es für sie sei, sich unter einander zu lieben, ist es doch noch wichtiger für sie, ihm zu gefallen; der Eifer in seinem Dienste trägt noch über ihr gegenseitiges Wohlwollen den Sieg davon, und indem sie Alle in Verlusten, welche ihn in den Mitteln beschränken würden, einen guten Diener zu belohnen, ihren eigenen Schaden erblicken müssen, so könnten sie es unmöglich stillschweigend mit ansehen, wenn einer von ihnen ihn beeinträchtigen wollte. Dieser Theil der in diesem Hause eingeführten Politik scheint mir etwas Großartiges zu haben, und ich kann nicht genug bewundern, wie Herr und Frau von Wolmar das nichtswürdige Geschäft des Anklägers in ein Eifer, Rechtschaffenheit und Muth erforderndes, fast ebenso edles oder doch ebenso löbliches Amt, als es bei den Römern war, zu verwandeln gewußt haben.

      Man hat damit angefangen, daß man jene sündliche und schändliche Moral einer wechselseitigen Duldsamkeit auf Kosten des Herrn, die schlechte Diener nicht verfehlen, den guten unter dem Schein einer menschenfreundlichen Maxime zu predigen, mit klaren, einfachen Worten und durch handgreifliches Beispiel ausrottete oder im Keime erstickte. Man hat ihnen zur Einsicht gebracht, daß die Vorschrift, des Nächsten Fehler zu bedecken, sich nur auf solche bezieht, durch welche Niemanden Schaden erwächst, daß man eine Ungerechtigkeit, durch welche ein dritter verletzt wird, selber begeht, wenn man sie begehen sieht und schweigt, und daß gemäß jener Erfahrung, daß nur das Bewußtsein unserer eigenen Fehler uns geneigt mache, Anderen die ihrigen zu verzeihen, Niemand es über sich vermag, Schurkereien zu dulden, wenn er nicht selbst ein Schurke ist. Nach diesen Principien, die im Allgemeinen zwischen Menschen und Menschen wahr sind, und in dem engeren Verhältnis, von Diener zum Herrn noch strengere Geltung haben, hält man es hier für ausgemacht, daß derjenige, welcher ein Unrecht gegen seine Herrschaft begehen sieht und es nicht anzeigt, noch strafbarer ist, als der Thäter selbst; denn dieser läßt sich bei seiner Handlung durch den Vortheil, welchen er im Auge hat, verlocken, während bei kaltem Blute und ohne eigennützigen Antrieb der Andere nichts hat, was ihn bewöge stillzuschweigen, als Fühllosigkeit für Recht und Unrecht, Gleichgültigkeit gegen das Wohl des Hauses, dem er dient, und ein geheimes Verlangen das Beispiel nachzuahmen, das er ungerügt läßt. Wenn demnach das Vergehen bedeutend ist, so hat Der, welcher es sich zu Schulden kommen ließ, manchmal noch Verzeihung zu hoffen, der Zeuge aber, welcher es verschwiegen hat, wird unfehlbar verabschiedet, als einer, der zum Bösen Hang hat.

      Dafür

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