Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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anstatt wie gewöhnlich bis zum Abende in der Kinderstube zu bleiben, mit uns in den Baumgarten zu gehen und der Kühle zu genießen; sie willigte ein, und wir gingen miteinander hin.

      Dieser Ort, obgleich ganz dicht beim Hause, ist doch durch den bedeckten Gang, welcher zu ihm führt, so versteckt, daß man ihn von keiner Seite sieht. Das dichte Laub, welches ihn umgiebt, verstattet dem Auge keinen Durchgang, und er wird immer sorgfältig verschlossen gehalten. Kaum war ich darin, so sah ich nicht mehr, wo ich hereingekommen war, denn die Thür ist mit Elsen- und Haselstauden maskirt, welche nur zwei schmale Durchgänge auf beiden Seiten offen lassen, und ich war wie aus den Wolken gefallen, da ich keine Thür bemerkte.

      Beim Eintritt in diesen sogenannten Baumgarten ergriff mich ein angenehmes Gefühl von Frische, welches tiefer Schatten, lebhaftes Grün, Blumen auf allen Seiten, Gemurmel von fließendem Wasser und das Gezwitscher von tausend Vögeln meiner Einbildungskraft ebenso sehr, als meinen Sinnen zuführten; aber zugleich glaubte ich den wildesten, einsamsten Ort der Natur zu sehen, und es däuchte mir, als ob ich der erste Sterbliche wäre, der je in diese Einöde gedrungen. Ueberrascht, ergriffen, entzückt von einem so unerwarteten Schauspiel, stand ich einen Augenblick unbeweglich, und rief dann in unwillkürlicher Begeisterung: O Tinian! o Juan-Fernandez [Wüste Inseln in der Südsee, berühmt durch die Reise des Admiral Anson. D. Ueb.]! Julie, das Ende der Welt haben Sie vor Ihrer Thür! Viele Leuten finden es hier, wie sie, sagte sie mit Lächeln, aber zwanzig Schritte mehr führen Sie geschwind wieder nach Clarens zurück; wir wollen sehen, ob der Zauber bei Ihnen länger vorhalten wird. Es ist hier dieselbe Baumpartie, in der Sie ehemals spazieren gingen und sich mit meiner Cousine mit Pfirsichen warfen. Sie wissen, daß der Rasen ziemlich dürr, die Bäume nicht besonders dicht, wenig Schatten und kein Wasser da war. Jetzt ist Alles frisch, grün, bekleidet, geschmückt, blumig, bewässert. Was meinen Sie, daß mich die Instandsetzung gekostet hat? Denn ich muß Ihnen sagen, daß ich hier ganz allein die Aufsicht habe, und daß mich mein Mann machen läßt, was ich will. Wahrhaftig, antwortete ich, es hat Sie nichts gekostet, als Nachlässigkeit. Dieser Ort ist reizend in der That, aber wild und sich selbst überlassen; ich sehe nichts, was von Menschenhand gethan wäre, Sie haben die Thüre zugeschlossen; woher das Wasser gekommen ist, weiß ich nicht, die Natur allein hat das Uebrige gethan, und selbst Sie hätten es nicht so gutmachen können. Es ist wahr, sagte sie, die Natur hat Alles gethan, aber unter meiner Leitung, und es ist nichts da, was ich nicht veranstaltet hätte. Noch einmal, rathen Sie. Für's Erste, sagte ich, begreife ich nicht, wie man mit Arbeit und Geld die Wirkungen der Zeit ersetzen kann. Die Bäume .... Was die Bäume betrifft, sagte Herr von Wolmar, so werden Sie bemerken, daß nicht viel große da sind, und diese waren schon vorher da. Ueberdies hat Julie diese Anlage schon lange vor ihrer Verheiratung und fast unmittelbar nach dem Tode ihrer Mutter begonnen, als sie mit ihrem Vater hierherkam und die Einsamkeit suchte. Nun gut, sagte ich, da alle diese Baumgruppen, diese gewaltigen Blättersmassen, diese üppigen Laubdächer, diese schattigen Gebüsche, in sieben bis acht Jahren entstanden sein sollen, und mit Hülfe der Kunst, so haben Sie meiner Schätzung nach in einem so weiten Bezirke Alles das für 2000 Thlr. ganz wohlfeil. Sie rathen nur 2000 Thlr. zu viel, sagte sie; es hat mich nichts gekostet. Wie, nichts? Nein, nichts; Sie müßten denn ein Dutzend Tage Arbeit von meinem Gärtner jährlich, desgleichen zwei oder drei von meinen Leuten rechnen, und einige von Herrn v. Wolmar selbst, der es nicht verschmäht hat, manchmal mein Gartenbursche zu sein. Dies war mir ein Räthsel; aber Julie, die mich bisjetzt beim Eingange festgehalten hatte, sagte, indem sie mich gehen ließ: Gehen Sie und Sie werden den Schlüssel des Räthsels haben. Gute Nacht, Tinian, gute Nacht, Juan-Fernandez und die ganze Feeerei! In einem Augenblick werden Sie vom Ende der Welt zurück sein.

      Ich fing an, den so umgewandelten Baumgarten mit berauschter Seele zu durchstreifen; wenn ich keine exotischen Gewächse, keine Pflanzen aus den beiden Indien fand, so fand ich die einheimischen so vertheilt und geordnet, daß sie eine angenehmere und freundlichere Wirkung machten. Der grüne, dichte, aber geschorene kurze Rasen war mit Quendel, Münze, Thymian, Majoran und anderen duftigen Kräutern untermischt. Man sah darauf tausend Feldblümchen blinken, unter denen das Auge mit Erstaunen einige Gartenblumen herausfand, die mit den übrigen wild zu wachsen schienen. Ich kam von Zeit zu Zeit an dunkele, den Sonnenstrahlen undurchdringliche Dickichte, wie in dem dichtesten Walde; diese Massen waren aus den biegsamsten Baumarten dadurch gebildet, daß man die Zweige niedergezogen hatte, um in der Erde zu wurzeln, so daß hier künstlich nachgeahmt war, was die Manglen in Amerika von Natur thun. An den offneren Stellen sah ich hier und dort ohne Ordnung und Symmetrie Rosen, Himbeeren, Stachelbeeren, Gebüsche von spanischem Flieder, Haseln, Hollunder, wildem Jasmin, Pfriemenkraut, Trifolium, welches die Erde schmückte, indem es ihr das Ansehen eines Brachfeldes gab. Ich kam durch gewundene unregelmäßige Gänge, mit blühenden Büschen eingefaßt und mit tausend Gehängen von Epheu, Hopfen, wildem Wein, Zaunrübe, Winde, Waldrebe und anderen Pflanzen dieser Art gedeckt, unter welche sich herablassend Geisblatt und Jasmin mischten. Diese Guirlanden schienen nachlässig von Baum zu Baum geworfen, wie ich es manchmal in Wäldern bemerkt hatte, und bildeten über uns eine Art Draperie, die uns vor der Sonne schützte, während wir unter unsern Füßen ein weiches, bequemes und trockenes Gehen hatten auf einem feinen Moose, ohne Sand, ohne Gras und ohne knotiges Wurzelwerk. Jetzt erst bemerkte ich, daß die dichten, grünen Laubgewölbe, die mir von fern so imponirt hatten, nur aus solchen Schling- und Kletterpflanzen bestanden, die an den Bäumen hinaufgezogen, ihre Wipfel mit dem dichtesten Laube umhüllten und dem Fuße derselben Schatten und Frische gaben. Ich bemerkte auch, daß man vermittelst eines ziemlich einfachen Kunstgriffes mehreren dieser Pflanzen Gelegenheit verschafft hatte, sich auf kürzerem Wege weiter auszubreiten, indem man sie auf den Stämmen der Bäume hatte wurzeln lassen. Sie begreifen wohl, daß die Früchte sich bei allen diesen Mitzehrern nicht zum besten befinden; aber an diesem Orte allein hat man das Nützliche dem Angenehmen aufgeopfert, und auf dem ganzen übrigen Grundstück ist für die Bäume und Gewächse so gesorgt, daß die Obsternte, auch ohne diesen Baumgarten, doch noch immer reicher ist als früher. Wenn Sie daran denken, wie erfreut man zu sein pflegt, wenn man in einem Walde manchmal eine wilde Frucht findet, an der man sich auch wohl erfrischen kann, so werden Sie begreifen, was für Vergnügen es macht, in dieser künstlichen Wüstenei eßbare, reife Früchte zu finden, wenn auch etwas vereinzelt und verkümmert; wobei man doch auch wieder das Vergnügen hat, zu wählen und sich das Beste herauszusuchen.

      An allen den kleinen Wegen entlang, und zum Theil quer über sie hin, rann ein klares Wässerchen, welches bald zwischen dem Grase und den Blumen in fast unmerklichen Strahlen, bald in größeren Bächen über einen reinen, buntgesprenkelten Kiessand floß, der den Glanz des Wassers noch erhöhte. Man sah Quellen, die aus der Erde hervorsprudelten, manchmal auch liefen Kanäle, in denen das Wasser still und glatt die Gegenstände wiederspiegelte. Alles Uebrige begreife ich jetzt, sagte ich zu Julie, aber dieses Wasser, das ich überall sehe .... Kommt dort her, versetzte sie, indem sie nach der Seite wies, wo die Terrasse ihres Gartens lag. Es ist die nämliche Leitung, welche in dem Parterre mit großen Kosten einen Springbrunnen speist, dem Niemand Aufmerksamkeit schenkt. Herr von Wolmar will ihn nicht zerstören aus Achtung für meinen Vater, dessen Werk er ist; aber mit welchem Vergnügen sehen wir alle Tage hier im Baumgarten dieses Wasser rinnen, das wir im Garten keines Blickes würdigen. Der Springbrunnen spielt für die Fremden, der Bach fließt hier für uns. Ich habe freilich auch noch das Wasser hinzugenommen, das aus dem öffentlichen Brunnen über die Landstraße in den See abfloß, die Straße zum Nachtheil der Fußgänger verschlammend, und ohne Nutzen für irgend Jemanden. Es machte eine Biegung am Fuße des Baumgartens, zwischen zwei Reihen Weiden; diese habe ich mit in die Einhegung gezogen, und leite das Wasser auch noch auf anderen Wegen herein.

      Ich sah nunmehr, daß es nur darauf angekommen war, diese kleinen Bäche durch geschickte Theilung und Wiedervereinigung sparsam zu führen, und mit dem Gefälle so haushälterisch als möglich umzugehen, um einen möglichst ausgedehnten Lauf, und das Gemurmel einiger kleinen Wasserfälle zu gewinnen. Eine Lage von Thon, mit einem Zoll Kies aus dem See belegt und mit kleinen Muscheln untermischt, bildete das Bett der Bäche. Dieselben Bäche, stellenweise unter langen Bohlen mit Erde und Rasen bedeckt hinfließend, bildeten bei ihrem Austritt künstliche Quellen. Einige Strahlen wurden durch Röhren über holprige Stellen gehoben und sprudelten im Niederfallen. Endlich

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