Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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graben und zu hacken; nun will ich sie späterhin zu meinen kleinen Gärtnern machen; sie werden dabei so viel Uebung haben, als zur Kräftigung ihrer Glieder heilsam ist, und doch nicht so viel, daß es sie übermüden könnte; was ihre Kräfte übersteigt, sollen sie Andern überlassen und sich auf Arbeiten beschränken, die ihnen Vergnügen machen. Ich kann Ihnen nicht sagen, setzte sie hinzu, wie süß es mir ist, wenn ich in Gedanken schon meine Kinder damit beschäftigt sehe, mir die kleine Mühe, die ich mir für sie so gern gebe, wieder zu vergelten, und wenn ich mir die Freude ihrer liebevollen Herzen vorstelle, ihre Mutter in Laubgängen, die von ihren kleinen Händen gepflegt sind, entzückt umherwandeln zu sehen. Wahrlich, mein Freund, sagte sie mit bewegter Stimme, Tage, die man so verlebt, haben etwas von der Seligkeit des anderen Lebens, und nicht ohne Grund habe ich, indem ich mir dies so dachte, diesem Orte im Voraus den Namen Elysium gegeben. Milord, diese unvergleichliche Frau und Mutter; wie sie Gattin, wie sie Freundin, wie sie Tochter ist; ach, zu ewigen Martern meines Herzens, nicht anders als sie Geliebte war!

      Entzückt von dem reizenden Aufenthalte, hat ich sie am Abend, sie möchten doch erlauben, daß mir, solange ich bei ihnen wäre, Fanchon ihren Schlüssel und die Sorge für die Fütterung der Vögel anvertraue. Sogleich schickte Julie den Futtersack in mein Zimmer, und gab mir ihren eigenen Schlüssel. Ich weiß nicht, warum ich ihn mit einer Art Leid empfing, ich glaube, ich hätte den des Herrn von Wolmar lieber gehabt.

      Heute Morgen bin ich früh aufgestanden, und mit der Ungeduld eines Kindes hingelaufen, um mich in meine wüste Insel einzuschließen. Was für angenehme Gedanken hoffte ich mit an diesen einsamen Ort zu nehmen, wo der süße Anblick der Natur aus meiner Seele jede Erinnerung an die falsche sociale Ordnung verbannen sollte, die mich so unglücklich gemacht! Alles, was mich da umgeben wird, ist das Werk Deren, die mir so theuer war. Ueberall um mich her werde ich sie erblicken, ich werde nichts sehen, was nicht ihre Hand berührt hätte; ich werde Blumen küssen, über die ihr Fuß gewandelt; ich werde mit dem Morgenthau eine Luft athmen, die sie geathmet hat. Der Geschmack, mit dem sie ihre Kurzweil getrieben, wird mir alle ihre Reize vergegenwärtigen, und ich werde sie überall finden, wie ich sie im Grunde meines Herzens trage.

      Als ich in dieser Stimmung das Elysium betrat, fiel mir plötzlich das letzte Wort ein, das mir Herr von Wolmar gestern fast an der nämlichen Stelle gesagt hatte. Der Gedanke an dieses eine Wort wandelte augenblicklich den ganzen Zustand meiner Seele um. Ich glaubte das Bild der Tugend da zu sehen, wo ich das des Vergnügens suchte; dieses Bild verschmolz sich in meinem Geiste mit Frau von Wolmar's Zügen, und zum ersten Male seit meiner Rückkunft habe ich Julie auch in ihrer Abwesenheit nicht so im Geiste erblickt, wie sie mein war, und wie ich sie mir noch immer vorzustellen liebe, sondern sowie sie sich täglich meinen Augen darstellt. Milord, ich glaubte diese so reizende, so keusche und so tugendhafte Frau in der Mitte des Kreises zu sehen, der sie gestern hier umgab. Ich sah ihre drei liebenswürdigen Kinder, die ehrenvollen, kostbaren Pfänder der ehelichen Vereinigung und der zärtlichen Freundschaft, ihr tausend rührende Liebkosungen darbringen und von ihr empfangen. Ich sah an ihrer Seite den ernsten Wolmar, diesen so geliebten, so glücklichen Gatten, und der sein Glück so sehr verdient. Ich glaubte sein scharfes kluges Auge bis auf den Grund meines Herzens dringen, und mich abermals schamroth machen zu sehen; ich glaubte, aus seinem Munde nur zu verdiente Vorwürfse und zu wenig beachtete Lehren hervorgehen zu hören. Ich sah in seinem Gefolge jene Fanchon Regard, das lebendige Gedächtniß eines Sieges der Tugend und der Menschlichkeit über die glühendste Liebe. Ach, welches strafbare Gefühl hätte sich durch dieses undurchdringliche Geleite hindurch bis zu ihr Bahn brechen können? Mit welchem Unwillen würde ich die schändlichen Regungen einer verbrecherischen und nicht genug vertilgten Leidenschaft erstickt haben! Wie würde ich mich verachtet haben, hätte ich mit einem einzigen Seufzer ein so entzückendes Bild der Unschuld und der Sitte besudelt! Ich ging in Gedanken die Worte wieder durch, die sie mir beim Hinausgehen gesagt hatte; dann, mit ihr in eine Zukunft blickend, welche sie sich so reizend ausmalte, sah ich diese zärtliche Mutter den Schweiß von der Stirne ihrer Kinder trocknen, ihre glühenden Backen küssen, sah dieses zum Lieben geschaffene Herz dem süßesten Gefühle der Natur hingegeben. Alles trug dazu bei, selbst der Name Elysium, meine sich verirrende Einbildungskraft auf den rechten Weg zurückzulenken, und in meine Seele eine Ruhe zu ergießen, welche wohl dem Sturm der verführerischsten Leidenschaften vorzuziehen ist. Dieser Name spiegelte mir gleichsam das Innere Deren ab, die ihn erfunden hatte; mit einem unruhigen Gewissen, sagte ich mir, würde man diesen Namen nimmer gewählt haben. Ich sagte mir, der Friede herrscht in ihrem Herzen wie in der Freistatt, die sie so benannt hat.

      Ich hatte mir eine angenehme Träumerei versprochen; ich habe angenehmer geträumt, als ich gehofft hatte; ich habe in dem Elysium zwei Stunden verbracht, denen ich keine Zeit meines Lebens vorziehe. Indem ich sah, wie reizend und wie schnell sie mir entflohen, fand ich, daß die Seele in der Anschauung sittlicher Gedanken eine Art Wohlsein genießt, welches der Böse niemals kennen lernt, nämlich das Gefühl mit sich zufrieden zu sein. Wenn man es ohne Vorurtheil betrachtet, so weiß ich nicht, welches andere Vergnügen man diesem an die Seite stellen könnte. Ich fühle wenigstens, daß sonst Jeder, der wie ich die Einsamkeit liebt, fürchten muß, sich in ihr Qualen zu bereiten. Vielleicht können dieselben Grundsätze dazu dienen, über die falschen Meinungen, welche sich die Menschen von den Vortheilen einerseits des Lasters, andrerseits der Tugend machen, Aufschluß zu geben; denn der Genuß der Tugend ist ganz innerlich und nur Dem wahrnehmbar, der ihn in sich erfährt; aber alle Vortheile des Lasters fallen äußerlich in die Augen, und nur Der, welcher sie hat, weiß, was sie ihn kosten.

      Se a ciascun l' interno affanno Si leggesse in fronte scritto, Quanti mai, che invidia fanno, Ci farebbero pietà.

      [O wenn Jedem das inn're Leiden Auf die Stirne wär' geschrieben, Manchem würde, den wir beneiden, Mitleid nur von uns geschenkt.

       Er hätte auch die folgenden Verse hinzufügen können, die sehr schön sind, und nicht weniger hierher Passen, nämlich:

      Si vedria che i lor nemici Hanno in seno, e si riduce Nel parere a noi felici Ogni lor felicità!

      Zeigen würde sich, daß er seinen Feind verbirgt im eigenen Busen, Und daß sich auf Glücklichscheinen Sein gepriesenes Glück beschränkt.]

      Da es spät wurde, ohne daß ich darauf achtete, kam Herr von Wolmar zu mir, und benachrichtigte mich, daß Julie und der Thee meiner warteten. Sie, sagte ich zu meiner Entschuldigung, haben mich selbst verhindert, schon bei Ihnen zu sein; ich war so entzückt von meinem gestrigen Abend, daß ich diesen Morgen wieder hinging, um ihn noch einmal zu genießen; zum Glück habe ich keinen Schaden dadurch, und da Sie auf mich gewartet haben, so ist mein Morgen nicht verloren.

      So denke ich auch, antwortete Frau von Wolmar; besser, man wartet auf einander bis zu Mittag, als daß man das Vergnügen verliert, mit einander zu frühstücken. Fremde werden Morgens nie in meinem Zimmer zugelassen, sondern frühstücken in dem ihrigen. Das Frühstück ist recht das Mahl für Freunde; die Bedienten sind davon ausgeschlossen, kein Ueberlästiger erscheint dabei; man sagt Alles, was man denkt, man enthüllt alle seine Geheimnisse, man thut keiner seiner Empfindungen Zwang an; man kann sich, ohne unvorsichtig zu sein, der Süßigkeit des Vertrauens und des unbefangenen Umganges hingeben. Es ist fast der einzige Augenblick, wo es erlaubt ist, das zu sein, was man ist; warum dauert er nicht den ganzen Tag! Ach Julie, war ich im Begriff zu sagen, das ist ein sehr eigennütziger Wunsch! aber ich schwieg. Das Erste, was ich mit der Liebe abgelegt habe, ist das Loben. Jemanden in's Gesicht loben, wenn es nicht die Geliebte ist, was heißt das anders, als ihn der Eitelkeit zeihen? Sie wissen, Milord, ob dies ein Vorwurf ist, den man Frau von Wolmar machen kann. Nein, nein, ich verehre sie zu sehr, um sie nicht schweigend zu verehren. Sie sehen, sie hören, auf all ihr Thun achten, ist das nicht Lobeserhebung genug?

      Zwölfter Brief.

       Frau von Wolmar an Frau von Orbe.

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