Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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entstehen würden.

      Aber, mein Engel, ist es genug, daß mich der Zustand meines Herzens ruhig lasse, wenn mich die Vernunft besorgt sein heißt? Ich habe das Recht verloren, mich auf mich zu verlassen. Wer wird mir dafür einstehen, daß nicht mein Selbstvertrauen wieder eine Vorspiegelung des Lasters ist? Wie darf ich Gefühlen trauen, die mich so oft getäuscht haben? Fängt das Verbrechen nicht immer mit dem Stolze an, welcher uns verleitet, die Versuchung gering zu achten? Und Gefahren trotzen, in denen man schon unterlegen ist, heißt das nicht abermals unterliegen wollen?

      Wäge alle diese Bedenken, Cousine; du wirst sehen, daß sie, wenn auch vielleicht eitel an sich selbst, doch ihres Gegenstandes wegen wichtig genug sind, um Beachtung zu verdienen. Ziehe mich also aus der Ungewißheit, in welche sie mich versetzt haben. Deute mir an, wie ich mich in diesem zarten Falle benehmen soll; denn meine früheren Verirrungen haben mein Urtheil befangen gemacht, und ich wage mich in keiner Sache mehr recht dreist zu entschließen. Wie du auch über dich denken magst, ich bin gewiß, daß deine Seele still und ruhig ist; die Gegenstände spiegeln sich in ihr so, wie sie sind; die meinige aber, stets bewegt, wie eine zitternde Wolke, bringt sie in Unordnung und verzerrt ihre Gestalt. Ich wage mich auf nichts mehr zu verlassen, was ich sehe oder fühle, und ungeachtet meiner langen Reue, erkenne ich mit Schmerz, daß das Gewicht eines alten Fehltritts eine Last ist, welche man sein ganzes Leben tragen muß.

      Dreizehnter Brief.

       Antwort.

       Inhaltsverzeichnis

      Arme Cousine, wie viele Qualen bereitest du dir unaufhörlich, bei so viel Ursache in Frieden zu leben! All dein Unglück kommt von dir, Israel! Wenn du deinen eigenen Regeln folgtest, in Sachen des Gefühls nur auf die innere Stimme hörtest, und wenn dein Herz deine Vernunft zum Schweigen brächte, so würdest du dich der Sicherheit, welche es dir einflößt, unbedenklich überlassen, und würdest dich nicht anstrengen, gegen sein Zeugniß eine Gefahr zu fürchten, die nur von ihm herkommen kann.

      Ich verstehe dich, ich verstehe dich wohl, meine Julie; deiner selbst gewisser, als du dich stellst, willst du dich wegen deiner begangenen Fehltritte demüthigen, unter dem Vorwand, neue zu verhüten, und deine Skrupel sind nicht sowohl Vorsichtsmittel für die Zukunft, als vielmehr eine Strafe, welche du dir für die Keckheit auflegst, die dich ehemals in's Verderben geführt hat. Du stellst die Zeiten in Vergleichung. Was fällt dir ein? Vergleiche doch auch die Umstände, und erinnere dich, daß ich dir damals deine Zuversicht vorwarf, wie ich dir heute deine Angst vorwerfe.

      Du täuschest dich, mein liebes Kind; man hat nicht so sich selbst zum Besten; wenn man sich über seinen Zustand betäuben kann, indem man nicht an ihn denkt, sieht man ihn doch gleich so, wie er ist, sobald man sich damit beschäftigen will, und man verhehlt sich seine Tugenden nicht mehr, als seine Laster. Dein sanfter Sinn, deine Frömmigkeit machen dich zur Demuth geneigt. Traue nicht dieser gefährlichen Tugend, die nur der concentrirtesten Eigenliebe Nahrung giebt, und glaube mir, daß die edle Freiheit einer geraden Seele dem Stolze der demüthigen vorzuziehen ist. Wenn Mäßigung in der Klugheit nöthig ist, so ist sie es auch bei den Vorsichtsmaßregeln, zu welchen diese räth, damit nicht eine für die Tugend schimpfliche Fürsorge die Seele erniedrige, und durch die Aufregung, in welche sie uns versetzt, eine eingebildete Gefahr zu einer wirklichen mache. Siehst du nicht, daß man sich nach der Erhebung von einem Fall fein gerade halten muß, daß, wenn man sich die Neigung nach der entgegengesetzten Seite giebt, dies das Mittel ist, abermals zu fallen? Cousine, du warst Liebhaberin, wie Heloise, und siehe, bist nun Frau wie sie; gebe Gott einen bessern Ausgang! In der That, wenn ich deine natürliche Furchtsamkeit weniger kennte, würde deine Angst im Stande sein, mich meinerseits zu erschrecken, und wenn ich so skrupulös wäre, würdest du durch deine Furcht um dich machen, daß ich für mich zitterte.

      Nein, überlege dir's besser, meine liebenswürdige Freundin; du, die du eine ebenso leichte und milde, als ehrliche und reine Moral besitzest, legst du nickt eine zu schroffe und deinem Charakter fremde Härte in deine Maxime über die Absonderung der Geschlechter? Ich gebe dir zu, daß sie nicht miteinander und nicht auf ein und dieselbe Art leben müssen; aber erwäge, ob diese wichtige Regel nicht in der Praxis verschiedene Ausnahmen nöthig macht, ob man sie ohne Unterschied auf Frauen und Mädchen, auf die allgemeine Gesellschaft und auf Privatzusammenkünfte, auf Geschäfte und auf Vergnügungen anwenden darf, und ob nicht Anstand und Schicklichkeit selber, von denen sie anempfohlen wird, sie hin und wieder einschränken müssen. Du willst, daß in einem Lande, wo gute Sitten herrschen, wo man bei der Verheiratung auf das von Natur Zusammenstimmende sieht, Versammlungen stattfinden, bei welchen die jungen Leute beiderlei Geschlechts sich sehen, sich kennen lernen und sich passend zusammenfinden können; Privatzusammenkünfte untersagst du ihnen aber mit großem Rechte. Sollte nicht gerade das Gegentheil für Frauen und Familienmütter stattfinden, die kein berechtigtes Interesse haben, sich öffentlich zu zeigen, die von ihren häuslichen Geschäften im Inneren des Hauses festgehalten werden und sich keiner Sache entziehen dürfen, welche der Herrin des Hauses geziemt? Es würde mir nicht gefallen, wenn du in deine Keller gingest, um den Käufern die Weine zu kosten zu geben, oder wenn du deine Kinder verließest, um Rechnungen mit einem Bankier in Ordnung zu bringen; aber wenn ein anständiger Mann kommt, der deinen Gatten besuchen oder irgend ein Geschäft mit ihm abmachen will, wirst du dich weigern, seinen Gast in seiner Abwesenheit zu empfangen, und die Honneurs des Hauses gegen ihn zu machen, um nicht unter vier Augen mit ihm allem bleiben zu müssen? Gehe auf das Princip zurück, und alle Regeln werden sich daraus von selbst ergeben. Warum denken wir, daß die Frauen zurückgezogen und von den Männern abgesondert leben müssen? Werden wir unserem Geschlechte die Beleidigung anthun, zu glauben, daß dies aus Gründen geschehe, die von seiner Schwachheit hergenommen sind, und lediglich um der Gefahr der Versuchung zu entgehen? Nein, meine Liebe, diese unwürdige Furcht geziemt einer braven Frau, einer Familienmutter nicht, die von Gegenständen, welche eine ehrenhafte Gesinnung in ihr nähren, unablässig umgeben ist, und die den achtungswürdigsten Pflichten der Natur ihr Leben widmet. Was uns von den Männern trennt, ist die Natur selbst, die uns andere Beschäftigungen vorzeichnet, ist jene sanfte, schüchterne Bescheidenheit, die, ohne gerade an die Keuschheit denken, ihre sicherste Schutzwehr ist, jene aus sich selbst achtende, pikante Zurückhaltung, die, indem sie in den Herzen der Männer zugleich Begierde und ehrfurchtsvolle Scheu weckt, so zu sagen, die Koketterie der Tugend ausmacht. Deshalb nun sind Gatten selbst nicht von der Regel ausgenommen, deshalb bewahren sich die sittsamsten Frauen gerade den meisten Einfluß auf ihre Männer, weil sie mit Hülfe dieser klugen, wohlbedachten Zurückhaltung, in der nichts von Eigensinn und Widerspänstigkeit liegt, auch im Schoße der zärtlichsten Vereinigung sie immer noch in einer gewissen Entfernung halten, und sie verhindern, je ihrer überdrüssig zu werden. Du wirst mir zugeben, daß deine Vorschrift zu allgemein ist, um nicht Ausnahmen zuzulassen, und daß, da sie sich nicht auf eine strenge Pflicht gründet, derselbe Wohlstand, welcher sie gebietet, manchmal auch von ihr entbinden kann. Die Vorsicht, welche du auf deine begangenen Fehltritte gründest, ist beleidigend für deinen gegenwärtigen Zustand; ich würde sie deinem Herzen nie verzeihen, und es wird mir schwer, sie deiner Vernunft zu verzeihen. Wie hat dich der Wall, welcher deine Person vertheidigt, nicht vor einer beschimpfenden Furcht schützen können? Wie kann meine Cousine, meine Schwester, meine Freundin, meine Julie die Schwachheit eines zu empfindsamen Mädchens mit der Untreue einer strafbaren Frau vermengen? Betrachte Alles, was dich umgiebt, du wirst Nichts finden, was nicht deine Seele erheben und tragen müßte. Dein Mann, der so hoch von dir denkt, und dessen Achtung du zu rechtfertigen hast, deine Kinder, die du zum Guten bilden willst, und die es sich einst zur Ehre schätzen werden, dich zur Mutter gehabt zu haben, dein ehrwürdiger Vater, der dir so theuer ist, der sich deines Glückes freut, und auf seine Tochter noch stolzer ist, als selbst auf seine Ahnen, deine Freundin, deren Loos von dem deinigen abhängt, der du über die Frucht einer Umkehr, zu welcher sie beigetragen, Rechenschaft schuldig bist, ihre Tochter, der du mit deinem Beispiel in den Tugenden vorleuchten mußt, welche du in ihre Seele pflanzen willst, dein Freund, der die deinigen tausendmal mehr anbetet, als deine

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