Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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sie dir gekostet hat, und die du die Frucht so vieler Mühe nicht wirst in einem Augenblicke verlieren wollen: wie viele Beweggründe, so geeignet deinen Muth anzufeuern, beschämen dich, daß du dir mißtrauen magst! Aber, was brauche ich, um für meine Julie einzustehen, an das zu denken, was sie ist? Es genügt mir zu wissen, was sie während der Verirrungen war, welche sie bejammert. Wenn je dein Herz der Untreue fähig gewesen wäre, so würde ich dir erlauben, sie stets zu fürchten; aber selbst in dem Augenblicke, da du meintest, sie von Weitem ins Auge fassen zu können, stelle dir den Abscheu, den dir ihre wirkliche Gegenwart erweckt haben würde, nach jenem vor, den sie dir verursachte, sobald an sie denken nicht viel anders gewesen wäre, als sie begehen.

      Ich erinnere mich unseres Erstaunens, als wir einmal hörten, daß es Länder gebe, wo die Schwachheit einer jungen Liebenden ein unverzeihliches Verbrechen ist, während der Ehebruch einer jungen Frau mit dem Namen Galanterie beschönigt wird, und wo man sich nach der Verheiratung unverholen für den Zwang entschädigt, in welchem man als Mädchen lebte. Ich weiß, welche Ansichten hierüber in der großen Welt herrschen,wo die Tugend Nichts, und Alles nur eitler Schein ist, wo das Verbrechen verschwindet, wenn es schwer zu beweisen, und der Beweis selbst gegen den Brauch, der es autorisirt, lächerlich ist; aber du, Julie, die du von reiner und treuer Liebe entbrannt, nur in den Augen der Menschen strafbar warst, und dir nichts vorzuwerfen hattest zwischen dem Himmel und dir, die du, trotz deiner Fehltritte uns Achtung auferlegtest, die du, das Verlorene ohnmächtig beklagend, uns doch noch zwangest, die Tugenden, die du nicht mehr hattest, anzubeten, die du unwillig warst, deine eigene Selbstverachtung zu ertragen, als Alles sich vereinigte, das, was du gethan, verzeihlich zu machen, getraust du dir noch, das Verbrechen zu fürchten, nachdem du deine Schwachheit so theuer bezahlt hast? zu fürchten, daß du jetzt weniger vermögen werdest, als in den Zeiten, die dir so viel Thränen gekostet? Nein, meine Liebe; weit entfernt, dich beunruhigen zu dürfen, müssen deine alten Verirrungen deinen Muth befeuern; eine so verzehrenee Reue ist nicht der Weg zu Gewissensbissen, und wer so viel Scham besitzt, kann nicht der Schande trotzen. Wenn je eine schwache Seele Stützen gegen ihre Schwäche hatte, so sind es solche, welche sich dir darbieten; wenn je eine starke Seele sich selbst aufrecht halten konnte, ist dann die deinige eine, die der Stützen bedarf? Sage mir doch, was für einen vernünftigen Grund du hast, dich zu fürchten! Dein ganzes Leben ist nur ein immerwährender Kampf gewesen, in welchem, selbst nach deiner Niederlage, Ehre und Pflicht nie aufhörten, Widerstand zu leisten und zuletzt den Sieg davontrugen. Ach, Julie, soll ich glauben, daß nach so vielen Qualen und Leiden, zwölf Jahre der Thränen und sechs Jahre des Ruhmes noch die Möglichkeit für dich bestehen lassen, eine Prüfung von acht Tagen zu fürchten? In kurzen Worten, sei aufrichtig gegen dich selbst; wenn Gefahr ist, so rette deine Person und erröthe über dein Herz; wenn aber nicht, so heißt es deiner Vernunft Schimpf anthun und deine Tugend schänden, wenn du dich vor Gefahren fürchtest, die sie nicht bedrohen können. Weißt du nicht, daß es entehrende Versuchungen giebt, die einer gesitteten Seele niemals nahen können, die selbst zu besiegen schimpflich ist, und gegen welche Vorsicht zu gebrauchen, weniger sich demüthigen als sich erniedrigen heißt?

      Ich mache nicht den Anspruch, meine Gründe für unwiderleglich auszugeben, sondern nur dir zu zeigen, daß welche vorhanden sind, die gegen die deinigen streiten, und dies reicht hin, um meiner Meinung eine Berechtigung zu geben. Verlasse dich nicht auf dich, die du es nicht verstehst, dir selbst Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, noch auf mich, die ich in deinen Fehlern immer nur dein Herz angesehen, und die ich dich immer angebetet habe, sondern auf deinen Mann, der dich so sieht, wie du bist, und dich genau nach deinem Verdienste beurtheilt. Wie alle Gefühlsmenschen bereit, Denen nicht viel zuzutrauen, die es nicht sind, glaubte ich nicht, daß sein Scharfblick in die Geheimnisse zärtlicher Herzen einzudringen vermöchte, aber seit der Ankunft unseres Reisenden sehe ich aus dem, was er mir schreibt, daß er sehr gut in den eurigen liest, und daß nicht eine der Regungen, die in ihnen vorgehen, seiner Beobachtung entrinnt; ich finde seine Beobachtungen selbst so fein und richtig, daß ich mit meiner Ansicht fast zu dem andern Extrem übergesprungen bin, und nun glauben möchte, daß kalte Menschen, die mehr ihre Augen, als ihr Herz befragen, die Leidenschaften Anderer besser zu beurtheilen im Stande sind, als lebhafte und ungestüme oder eitle Personen, wie ich, die stets damit anfangen, sich an die Stelle Anderer zu denken, und die Sache nie anders sehen, als wie sie selbst sie fühlen. Wie dem sei, Herr v. Wolmar kennt dich wohl; er schätzt dich, er liebt dich, und sein Schicksal ist an das deinige geknüpft: was fehlt ihm also dazu, daß du ihm die gänzliche Leitung deiner Aufführung überlassest, über die du dich selbst zu täuschen fürchtest? Vielleicht will er, im Vorgefühl des herannahenden Alters, durch Proben, die geeignet sind, ihn sicher zu machen, der eifersüchtigen Unruhe vorbeugen, in welche eine junge Frau einen alten Gatten zu versetzen pflegt; vielleicht erfordert der Plan, mit dem er umgeht, daß du mit deinem Freunde traulich leben könnest, ohne deinem Gemahl Besorgnisse einzuflößen, oder selbst welche zu hegen: vielleicht will er dir nur einen Beweis von dem Vertrauen und der Achtung geben, die er in so hohem Grade für dich fühlt. Man muß sich nie dagegen sträuben, auf solche Gesinnungen einzugehen, gleich als bürde man sich dadurch eine zu schwere Last auf; ich, mit einem Worte, denke, daß du der Klugheit und der Sittsamkeit zugleich nicht besser Genüge thun kannst, als indem du dich in allen Stücken seiner Zärtlichkeit und seiner Einsicht anvertraust.

      Willst du dich, ohne Herrn v. Wolmar weh zu thun, für einen Stolz bestrafen, den du nie hattest, und einer Gefahr begegnen, die nicht mehr vorhanden ist, so wende, wenn du nun mit dem Philosophen allein bist, alle die jetzt überflüssigen Vorsichtsmaßregeln gegen ihn an, die dir ehedem so nothwendig gewesen wären; lege dir ganz die Zurückhaltung auf, als ob du mit deiner Tugend dich dennoch auf dein Herz und das seinige nicht verlassen könntest; vermeide zu liebevolle Gespräche und die zärtlichen Erinnerungen an die Vergangenheit; bleibe nicht zu lange mit ihm unter vier Augen, behalte deine Kinder beständig um dich, bleibe mit ihm im Zimmer, im Elysium und ungeachtet der Profanation im Bosket nicht viel allein. Vor allen Dingen aber nimm deine Maßregeln auf so ungesuchte Weise, daß sie nur eine Wirkung des Zufalls scheinen, und daß er nicht einen Augenblick auf den Gedanken kommen könne, als fürchtest du ihn. Du fährst gern im Kahne und versagst es dir deines Mannes wegen, der das Wasser fürchtet, und deiner Kinder wegen, die du keiner Gefahr aussetzen willst; nimm Wolmar's Abwesenheit wahr, um dir dieses Vergnügen zu verschaffen, indem du deine Kinder unter Fanchon's Aufsicht lassest. Dies wird ein Mittel sein, dich ohne Gefahr den süßen Ergießungen der Freundschaft hinzugeben, und eines langen Beisammenseins in Ruhe zu genießen, unter dem Schutze der Ruderleute, welche sehen, ohne zu hören, und die man nicht los werden kann, ohne erst bedacht zu haben, was man vorhat.

      Ich habe da noch einen Einfall, über den Viele lachen würden, der dir aber, weiß ich gewiß, gefallen wird, nämlich, daß du in Abwesenheit deines Mannes ein treues Tagebuch führest, das ihm, wenn er wiederkommt, gezeigt werden soll, und daß du bei allen euren Unterhaltungen an dieses Tagebuch, in das sie hineinkommen sollen, denkest. Ich glaube in der That nicht, daß ein solches Mittel vielen Frauen von Nutzen sein würde; aber einer offnen und keiner Verstellung fälligen Seele stehen gegen das Laster Hülfsmittel zu Gebote, die den Anderen stets fehlen werden. Nichts ist verächtlich, was darauf abzielt, die Reinheit zu bewahren, und kleine Vorsichtsmaßregeln dienen großen Tugenden zum Schirme.

      Da übrigens dein Mann mich im Vorbeigehen besuchen will, so wird er mir, hoffe ich, die wahren Gründe sagen, die ihn zur Reise bestimmt haben, und wenn ich sie nicht stichhaltig finde, so werde ich ihn entweder von der Durchführung seines Vorhabens abbringen, oder auf alle Fälle thun, was nicht in seiner Absicht gelegen hat; darauf kannst du dich verlassen. Inzwischen hast du da, denke ich, mehr als nöthig ist, um dich gegen eine Prüfung von acht Tagen sicher zu fühlen. Geh, meine Julie, ich kenne dich zu gut, um nicht für dich eben so sehr und mehr als für mich selbst einzustehen. Du wirst immer so sein, wie du sein sollst und willst. Wenn du dich auch der bloßen Redlichkeit deiner Seele anvertrauen wolltest, würdest du noch immer keine Gefahr laufen: denn ich habe keinen Glauben an unvorhergesehene Niederlagen; möge man immerhin mit dem falschen Namen Schwachheit Fehltritte bedecken, die stets freiwillig sind, nie erliegt eine Frau, die nicht hat erliegen wollen; und wenn ich dächte, daß ein solches Geschick dich ereilen könnte, glaube mir, glaube meiner zärtlichen Freundschaft, glaube allen Gefühlen, die

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