Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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Schätze den glücklichen Völkern, welche sie für sich selbst bebauen; sie scheint zu lächeln, und sich kräftiger zu regen bei dem süßen Anblick der Freiheit; sie ernährt die Menschen gern; dagegen verkündigen die elenden Hütten, Haide und Dorngestrüpp, wovon ein halbwüstes Land bedeckt ist, schon von fern, daß ein abwesender Herr dort herrscht, und daß die Erde seinen Sklaven nur mit Widerstreben einige kümmerliche Erzeugnisse liefert, von denen sie keinen Nutzen haben.

      Während wir so angenehm damit beschäftigt waren, unsere Augen über die umliegenden Gegenden schweifen zu lassen, erhob sich ein Séchard, welcher uns querüber nach dem entgegengesetzten Ufer hintrieb, und frischte beträchtlich. Als wir wieder wenden wollten, fand sich der Widerstand so stark, daß es unserm gebrechlichen Fahrzeuge unmöglich war, ihn zu überwinden. Bald wurden die Wellen furchtbar, wir mußten die savoyische Küste zu gewinnen und bei dem Dorfe Meillerie Land zu fassen suchen, welches uns gerade gegenüber lag und an dieser Küste fast der einzige Ort ist, wo der flache Strand eine bequeme Landung zuläßt. Aber der Wind, der umgesetzt hatte und stärker geworden war, machte die Anstrengungen unserer Ruderer vergeblich, und trieb uns tiefer unten gegen eine Reihe steiler Felsen, wo man keine Zuflucht mehr findet.

      Wir griffen alle zu den Rudern, und fast in demselben Augenblicke hatte ich den Schmerz, zu sehen, daß Julien übel wurde, und daß sie ohnmächtig am Bord des Fahrzeugs hinsank. Zum Glück war sie von Natur für das Wasser gemacht, und dieser Zustand ging schnell vorüber. Indessen wuchsen unsere Anstrengungen mit der Gefahr; von Hitze, Arbeit und Schweiß waren wir ganz erschöpft und außer Athem; da erfrischte Julie, die ihren ganzen Muth wiederfand, den unsrigen durch ihre mitleidigen Liebkosungen; sie trocknete Allen ohne Unterschied das Gesicht ab, und gab den Erschöpftesten der Reihe nach Wein zutrinken, den sie, damit Niemand berauscht würde, in einer Schale mit Wasser mischte. Nein, niemals strahlte Ihre anbetungswürdige Freundin so leuchtend, als in dem Augenblicke, da die Hitze und die Aufregung ihrer Farbe eine höhere Glut gab, und noch mehr steigerte es ihren Reiz, daß man an ihrer gerührten Miene so deutlich sah, wie ihre Bemühungen weniger aus Furcht für ihr Leben, als aus Mitleid mit uns entsprangen. Nur in einem Augenblicke, als zwei Planken, bei einem Stoße, der uns ganz mit Wasser überschüttete, auseinanderwichen, glaubte sie, daß das Fahrzeug geborsten sei, und in dem Schrei dieser zärtlichen Mutter unterschied ich deutlich die Worte: o meine Kinder! soll ich euch nicht wiedersehen? Ich, dessen Einbildungskraft immer das wirklich vorhandene Uebel überfliegt, glaubte, obwohl ich die Gefahr vollkommen gut zu beurtheilen verstand, von Augenblick zu Augenblick das Fahrzeug verschlungen, diese so rührende Schönheit mit den Wellen ringen und von der Blässe des Todes die Rosen ihres Gesichtes überzogen zu sehen.

      Endlich mit vieler Arbeit kamen wir wieder nach Meillerie hinauf, und nachdem wir länger als eine Stunde zehn Schritte vom Ufer gekämpft hatten, gelang es uns, Land zu fassen. Als wir an's Ufer gestiegen, war alle Noth und Angst vergessen; Julie nahm die Erkenntlichkeit für alle Mühe, die sich jeder gegeben hatte, auf sich, und während sie in der größten Gefahr nur an uns gedacht, schien es ihr auf dem Lande, als habe man nur sie gerettet. Wir aßen mit dem Appetit, den man bei angestrengter Arbeit gewinnt. Die Forelle wurde zubereitet. Julie, die sie außerordentlich gern ißt, nahm wenig davon, und ich merkte, daß ihr, um unseren Leuten den Verdruß über das Opfer, das sie gebracht hatten, in Vergessenheit zu bringen, dies Mal nicht gerade daran gelegen war, auch mich viel von dem Fische essen zu sehen. Milord, Sie haben es tausend Mal gesagt, stets malt sich im Kleinen wie im Großen diese liebevolle Seele.

      Nach dem Essen schlug ich, da das Wasser noch immer hoch ging und das Fahrzeug ausgebessert werden mußte, einen Spaziergang vor.

      Julie wandte mir den Wind, die Sonne ein, und sprach auch von meiner Müdigkeit. Ich hatte meine Absichten; daher ließ ich nichts von dem Allen gelten. Ich bin, sagte ich, von Kindheit auf an anstrengende Uebungen gewöhnt; weit entfernt meiner Gesundheit zu schaden, befestigen sie dieselbe, und meine letzte Reise hat mich noch mehr abgehärtet. Was Sonne und Wind betrifft, so haben Sie Ihren Strohhut; wir werden Gehölz und geschützte Orte erreichen; es ist nur darum zu thun, ein wenig zwischen die Felsen zu gehen, und Sie, die Sie ja die Ebene nicht lieben, werden sich dieser kleinen Anstrengung gewiß gern unterziehen. Sie that meinen Willen, und wir gingen, während unsere Leute aßen.

      Sie wissen, daß ich nach meinem Walliser Exil vor 10 Jahren nach Meillerie kam, um dort die Erlaubniß zu meiner Rückkehr abzuwarten. Dort war es, wo ich so traurige und so köstliche Tage zubrachte, einzig mit ihr beschäftigt, und von dort schrieb ich ihr jenen Brief, von welchem sie so gerührt war. Ich hatte immer gewünscht, den einsamen Ort wieder zu sehen, der mir im eisigen Winter zur Freistätte gedient, und wo sich mein Herz darin gefallen hatte, sich in sich selbst mit dem Geliebtesten, was es auf der Welt hat, zu unterhalten. Die Gelegenheit, diesen so theuern Ort in einer angenehmeren Jahreszeit zu besuchen, und mit ihr, deren Bild ihn damals mit mir bewohnte, war das, was mich im Geheimen zu diesem Spaziergange antrieb. Ich machte mir eine Lust daraus, ihr alte Denkmäler einer so beständigen und so unglücklichen Leidenschaft zu zeigen.

      Wir hatten eine Stunde bis hinauf zu gehen, aber auf einem gewundenen und anmuthig frischen Fußpfade, der, zwischen den Bäumen und Felsen unmerklich aufwärtssteigend, nichts Unbequemes hatte, als die Länge des Weges. Als wir uns der Stelle näherten, und ich meine alten Zeichen wieder erkannte, war mir fast ohnmächtig zu Muthe; aber ich überwand mich, verbarg meine Unruhe und wir langten an. Es war diese einsame Stätte ein gar öder und wilder Ort, aber voll von Schönheiten jener Art, die nur empfindsamen Seelen gefallen und anderen grausig scheinen. Ein Gießbach, den der schmelzende Schnee gebildet, wälzte zwanzig Schritte von uns sein trübes Wasser nieder, und führte Schlamm, Sand und Steine mit sich. Hinter uns trennte eine Kette von unzugänglichen Felsen den Vorsprung, auf welchem wir standen, von jenem Theile der Alpen, den man Les Glacières nennt, weil ungeheuere Eiskuppen, die unaufhörlich wachsen, sie von Anbeginn der Welt bedecken [Diese Berge sind so hoch, daß ihre Gipfel noch eine halbe Stunde nach dem Untergang der Sonne von ihren Strahlen erleuchtet sind, deren Röthe auf den weißen Zinken eine schöne Rosenfarbe hervorbringt, welche man weithin steht.]. Schwarze Tannenwälder bildeten eine schwermüthig düstere Masse zu unserer Rechten. Ein großer Eichenforst befand sich zur Linken jenseit des Gießbachs. Unter unseren Füßen der gewaltige Wasserspiegel des Sees im Schooße der Alpen, der uns von den reichen Gestaden des Waadtlandes trennte, und hinter diesen die majestätischen Gipfel des Jura, das Bild bekrönend.

      Mitten unter diesen großartigen und prachtvollen Gegenständen entfaltete das kleine Plateau, auf welchem wir uns befanden, die Reize eines lachenden, ländlichen Aufenthalts; einige Bächlein rannen zwischen den Felsen hervor, und in Krystalladern über das Grün hin; einige wilde Obstbäume hingen mit ihren Wipfeln auf unsere Häupter nieder; der feuchte, frische Boden war mit Kräutern und Blumen bedeckt. Diese liebliche Insel erschien, im Vergleiche mit den schauerlichen Gegenständen rings um sie her, wie das Asyl zweier Liebenden, die allein dem Umsturz der Natur entronnen.

      Als wir die Stätte erreicht und ich sie einige Zeit betrachtet hatte, sagte ich zu Julie, indem ich sie mit thränenden Augen ansah: Wie, sagt Ihnen Ihr Herz hier nichts, und fühlen Sie nicht eine geheime Bewegung beim Anblicke eines Ortes, der so voll von Ihnen ist? Dann, ohne ihre Antwort abzuwarten, führte ich sie zu den Felsen, und zeigte ihr ihren Namenszug an tausend Stellen eingegraben, und manche Verse von Petrarca und Tasso, die sich auf die Situation bezogen, in welcher ich mich damals befand, als ich sie einschnitt. Als ich sie selbst nach so langer Zeit wiedersah, empfand ich, wie mächtig der unmittelbare Anblick von Gegenständen die heftigen Gefühle, von denen man bei ihnen bewegt war, wieder aufzuregen vermag. Ich sagte zu ihr mit einigem Ungestüm: O Julie, ewiger Zauber meines Herzens! hier ist die Stätte, wo einst um dich der treuste Liebhaber seufzte: dies der Aufenthalt, wo dein theures Bild sein einziges Glück war, und ihn auf das größere vorbereitete, das ihm endlich von dir selbst zu Theil ward. Man sah damals hier weder diese Früchte, noch dieses Laub; kein Teppich von Gras und Blumen deckte diese Gefilde, diese Bäche theilten sie nicht in Felder, diese Vögel ließen ihren Gesang nicht hören; nur der raubgierige Sperber, der todkrächzende Rabe, der furchtbare Alpenadler weckten mit ihrem Geschrei das Echo dieser Felsgrotten;

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