Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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ohne Weltübung und Umgangston, aber gute, schlichte, brave und mit ihrem Loose zufriedene Leute; ehemalige Offiziere, die sich aus dem Dienst zurückgezogen haben; Kaufleute, die es müde geworden sind, sich zu bereichern; verständige Familienmütter, welche ihre Töchter hier in die Schule der Bescheidenheit und guten Sitte bringen, dies ist die Welt, welche Julie um sich zu versammeln liebt. Ihr Mann hat es nicht ungern, bisweilen einen von jenen Abenteurern hinzuzuziehen, welche Alter und Erfahrung gebessert haben, welche, auf ihre Kosten weise geworden, es sich nicht leid sein ließen, auf das Erbe ihrer Väter, das sie lieber nie verlassen haben möchten, zurückzukehren, um ihr Land zu bauen. Wenn Jemand bei Tische die Schicksale seines Lebens erzählt, so sind es nicht die sinnreichen Abenteuer des reichen Sindbad, der im Schoße orientalischer Weichlichkeit erzählt, wie er seine Schätze gewonnen hat, es sind die schlichteren Berichte verständiger Leute, denen die Launen des Schicksals und die Ungerechtigkeiten der Menschen die falschen Güter, denen sie vergebens nachrannten, verleidet haben, um ihnen die wahren wieder lieb zu machen.

      Sollten Sie glauben, daß selbst die Unterhaltung der Bauern Reize hat für diese erhabenen Seelen, von denen der Weise mit Freuden lernen würde? Der einsichtige Wolmar findet in der Naivetät des Landvolkes ausgeprägtere Charaktere, mehr selbstdenkende Männer, als unter der einförmigen Maske der Städter, wo jeder sich mehr so zeigt, wie Alle sind, als wie er selbst ist. Die liebreiche Julie findet bei ihnen Herzen, die für den kleinsten Liebesbeweis dankbar sind, und sich glücklich schätzen, wenn man an ihrem Wohlergehen Theil nimmt. Herz und Geist ist bei ihnen nicht künstlich zugestutzt; sie haben sich nicht nach unseren Mustern bilden gelernt, und man braucht nicht zu fürchten, daß man an ihnen den vom Menschen gemachten Menschen statt des natürlichen finde.

      Oft begegnet Herr von Wolmar auf seinen Gängen irgend einem guten Alten, dessen Verstand und gesundes Urtheil ihm auffällt, einem Manne, wie er ihn zum Plaudern liebt. Den nimmt er dann mit zu seiner Frau; sie empfängt ihn mit einer Liebenswürdigkeit, welche nichts von dem höflichen Tone und von den Manieren ihres Standes an sich hat, sondern nur das Wohlwollen und die Menschenfreundlichkeit ihres Charakters verräth. Man behält den braven Alten zu Tische; Julie setzt ihn an ihre Seite, legt ihm vor, spricht auf's zuthunlichste und voller Theilnahme mit ihm, erkundigt sich nach seiner Familie, nach seinen Verhältnissen, lächelt nicht über sein verlegenes Wesen, thut nicht, als gebe sie belästigend auf seine bäuerischen Manieren Acht, sondern macht durch die Ungezwungenheit der ihrigen, daß er sich wie zu Hause fühlt, und verleugnet keinen Augenblick jene liebevolle und rührende Achtung, die man dem gebrechlichen Alter schuldig ist, dem ein langer, vorwurfsfreier Lebenslauf Ehre macht. Der Greis, bezaubert, schließt sein ganzes Herz auf, er scheint sich einen Augenblick wieder jung zu fühlen. Der Wein, den er auf die Gesundheit einer jungen Dame trinkt, erwärmt sein halb erstarrtes Blut noch mehr. Er wird feurig, indem er von seiner alten Zeit erzählt, von seinen Liebschaften, von seinen Feldzügen, von den Schlachten, bei welchen er gewesen, von dem Muthe seiner Mitkämpfer, von seiner Heimkehr in's Vaterland, von seiner Frau. von seinen Kindern, von der Landarbeit, von den Mißständen, die er bemerkt und von den Mitteln zur Abhülfe, die er ausgesonnen hat. Oft lassen sich aus den langen Reden des geschwätzigen Alters treffliche Moralsätze oder Wirthschaftsregeln herausnehmen, und wenn auch an dem, was er sagt, nichts wäre, als das Vergnügen, das es ihm selbst macht, so würde es Julie Vergnügen machen, ihm zuzuhören.

      Nach dem Essen geht sie in ihr Zimmer und holt irgend eine Kleinigkeit zum Geschenke für die Frau oder die Töchter des guten alten Mannes. Dieses läßt sie ihm durch die Kinder reichen, und er hat dafür etwas, das die Kinder gern haben, in Bereitschaft, irgend ein einfaches Geschenk, welches ihm Julie heimlich für sie gegeben hat. So bildet sich frühzeitig das milde und innige Wohlwollen, welches die verschiedenen Stände unter einander verknüpft. Die Kinder gewönnen sich, das Alter zu ehren, die Sitteneinfalt werthzuschätzen und das Verdienstliche in jedem Stande anzuerkennen. Die Bauern, welche ihre Alten in einem achtbaren Hause ehrenvoll aufgenommen und zu dem Tische der Herrschaft gezogen sehen, halten es für keine Kränkung, wenn sie selbst davon ausgeschlossen sind, sie stellen dies nicht auf Rechnung ihres Standes, sondern ihres Alters. Sie sagen nicht: wir sind zu arm, sondern wir sind noch zu jung, um so behandelt zu werden: die Ehre, welche ihren Alten erwiesen wird, und die Hoffnung, einst derselben theilhaft zu werden, trösten sie, daß sie derselben jetzt entbehren, und sind ihnen ein Antrieb, sich derselben würdig zu machen.

      Indessen kommt der gute Alte noch ganz bewegt von der liebreichen Aufnahme, die ihm zu Theil geworden, in seine Hütte heim, und kramt geschwind seiner Frau und seinen Kindern die Geschenke aus, die er ihnen mitbringt. Diese Kleinigkeiten verbreiten Freude in einer ganzen Familie, welche daraus sieht, daß man es nicht verschmäht, sich mit ihr zu beschäftigen. Er erzählt ihnen mit Ausführlichkeit und Nachdruck wie herrlich er aufgenommen, was für schönes Essen, was für guter Wein ihm vorgesetzt, wie verbindlich mit ihm gesprochen, wie nach ihnen allen gefragt worden, wie zuthunlich die Herrschaft, wie aufmerksam die Dienerschaft gewesen, und überhaupt Alles, was nur den Beweisen von Achtung und Güte, die ihm zu Theil geworden, Werth geben kann. Im Erzählen genießt er Alles zum zweiten Male, und das ganze Haus glaubt der Ehre mitzugenießen. die seinem Oberhaupte widerfahren ist. Alle segnen aus einem Munde diese erlauchte und edle Familie, die ein Beispiel für die Großen und eine Zuflucht der Kleinen ist, die den Armen nicht verachtet, und das weiße Haar ehrt. Dies ist der Weihrauch, der mildthätigen Seelen wohlgefällt. Wenn es menschliche Segensgebete giebt, welche der Himmel gern erhört, so sind es nicht die, welche aus Schmeichelei und Kriecherei den Personen, denen das Lob gilt, in's Gesicht geworfen werden, sondern die, welche im Stillen am ländlichen Herde aus schlichten und dankbaren Herzen aufsteigen.

      So vermag ein angenehmes und süßes Gefühl mit seinem Zauber ein Leben zu überziehen, das gleichgültigen Seelen unschmackhaft wäre; so kann Arbeit, Mühe und Einsamkeit zur Lust werden, wenn man die Kunst versteht, ihnen die rechte Richtung zu geben. Eine gesunde Seele kann Geschmack finden an gemeinen Beschäftigungen, wie Gesundheit des Leibes die einfachsten Nahrungsmittel zu den schmackhaftesten macht. Alle jene gelangweilten Menschen, denen es so schwer wird, etwas zu finden, das sie vergnügt, verdanken ihren Ekel nur ihren Lastern, und verlieren das Gefühl für das Vergnügen nur mit dem Gefühle für die Pflicht. Bei Julien ist es gerade umgekehrt gewesen; Mühwaltungen, die sie sonst aus einer gewissen Erschlaffung der Seele vernachlässigte, macht ihr der Beweggrund, welcher sie treibt, jetzt anziehend. Das wäre ein unempfindlicher Mensch, der sich durch nichts zur Regsamkeit bringen ließe. Die ihrige ist durch eben das entwickelt worden, was früher dieselbe zurückdrängte. Ihr Herz suchte die Einsamkeit und Stille, um sich in Frieren den Regungen hinzugeben, von welchen es durch und durch ergriffen war; jetzt ist sie zu neuer Rüstigkeit gelangt, seit sie ein neues Band geknüpft hat. Sie gehört nicht zu jenen thatlosen Müttern, welche es für genug halten, zu studiren, während es gilt zu handeln, welche damit, daß sie sich über die Pflichten Anderer unterrichten, die Zeit verlieren, welche sie nöthig hätten, um die eigenen zu erfüllen. Sie übt jetzt aus, was sie früher gelernt hat. Sie studirt nicht mehr, sie liest nicht mehr, sie wirkt. Da sie eine Stunde später aufsteht als ihr Mann, so legt sie sich auch eine Stunde später nieder. Diese Stunde ist die einzige Zeit, welche sie noch dem Studium widmet, und der Tag scheint ihr niemals lang genug für alle die Geschäfte, denen sie sich freudig unterzieht.

      Das ist, Milord, was ich Ihnen zu sagen hatte, über die innere Einrichtung des Hauses und die Lebensweise der Herrschaft, die an seiner Spitze steht. Zufrieden mit ihrem Loose, genießen sie desselben in Stille; zufrieden mit ihrem Glücksstande, arbeiten sie nicht dahin, denselben für ihre Kinder zu vermehren, sondern ihnen mit dem Erbtheil, das ihnen zufällt, wohlgepflegte Ländereien, anhängliche Bediente, Lust zur Arbeit, Ordnung, Mäßigkeit zu hinterlassen, kurz Alles, was vernünftigen Menschen den Genuß eines mäßigen Vermögens, welches ebenso weislich erhalten als redlich erworben ist, lieb und reizend machen kann.

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