Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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wäre dies das größte, wenn ich mich je trösten könnte; der äußerste Grad der Schande ist es, geht mit der Unschuld zugleich das Gefühl verloren, das uns antreibt, sie zu lieben.

      Ich weiß mein Geschick, ich fühle ganz, wie grauenvoll es ist, und dennoch bleibt mir ein Trost in meiner Verzweiflung, ein einziger, aber süßer Trost. Von dir erwarte ich ihn, mein liebenswürdiger Freund. Seitdem ich mir nicht mehr getraue, meine Blicke auf mich selbst zu wenden, richte ich sie mit größerem Vergnügen auf den Geliebten. Ich übertrage auf dich Alles, was du mir an meiner eigenen Achtung raubst, und du wirst mir nur um so theurer, indem du mich zwingst, mich zu hassen. Die Liebe, diese unselige Liebe, die mich vernichtet, giebt dir einen neuen Werth: du hebst dich, wenn ich mich erniedrige; deine Seele scheint alles das gewonnen zu haben, was der meinigen verloren ging. Sei denn du hinfort meine einzige Hoffnung; an dir ist es, meinen Fehltritt, wenn es möglich ist, zu rechtfertigen; bedecke ihn mit der Rechtschaffenheit deiner Gesinnung; lösche mit deinem Verdienst meine Schande aus: mache durch Tugenden, daß der Verlust derer, die du mich kostest, zu entschuldigen sei. Sei du mein ganzes Wesen, jetzt, da ich nichts bin. Die einzige Ehre, die mir bleibt, ist ganz in dir; und wofern du achtungswürdig sein wirst, werde ich nicht ganz und gar verächtlich sein.

      Wie leid mir die Wiederkehr meiner Gesundheit auch ist, ich werde sie nicht länger verbergen können; mein Gesicht würde mich Lügen strafen und mein Vorgeben, noch in der Besserung zu sein, kann Niemanden mehr täuschen. Beeile dich daher, bevor ich genöthigt bin, meine gewöhnlichen Beschäftigungen wieder vorzunehmen, den Schritt zu thun, den wir verabredet haben. Ich sehe deutlich, daß meine Mutter Argwohn gefaßt hat und daß sie uns beobachtet. Mein Vater denkt nicht daran, gestehe ich: diesem stolzen Edelmann kommt es gar nicht in den Sinn, daß ein Roturier in seine Tochter verliebt sein könne. Aber du weißt nun endlich, was er Willens ist; er wird dir zuvorkommen, wenn du ihm nicht zuvorkommst; und aus Sorge, dir deine Stellung im Hause zu bewahren, wirst du dich ganz und gar daraus verbannen. Thu, was ich dir sage, sprich mit meiner Mutter, weil es noch Zeit ist; schütze Arbeiten vor, die dich verhindern, meinen Unterricht fortzusetzen, und laß uns darauf verzichten, uns so oft zu sehen, damit wir uns wenigstens manchmal sehen können: denn wenn man dir die Thür weist, so kannst du dich nicht wieder zeigen; wenn du aber selbst gehst, so wird es gewissermaßen in deinem Belieben stehen, so oft Besuche zu machen, als du willst, und bei einiger Geschicklichkeit und Gefälligkeit wirst du sie künftig immer häufiger machen können, ohne daß man es auffallend oder unrecht finde. Ich werde dir heut Abend sagen, was für Gelegenheiten ich ausgedacht habe, uns außerdem zu sehen, und du wirst gestehen müssen, daß die unzertrennliche Cousine, welche ehemals so viel Murren erregte, jetzt zwei Liebenden gar nicht unnütz sein wird, die sie nie hätte verlassen sollen.

      Dreiunddreißigster Brief.

       Von Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Ach! mein Freund, was für eine schlechte Zuflucht ist doch für zwei Liebende eine Assemblée! Welche Qual, sich zu sehen und sich Zwang anzuthun! es wäre hundertmal besser, sich gar nicht zu sehen. Wie soll man eine ruhige Miene haben bei so großer Aufregung? Wie soll man so verschieden von sich selbst sein? Wie an so vielerlei Dinge denken, wenn man immer nur mit einem beschäftigt ist? Wie Blick und Geberde im Zügel halten, wenn das Herz davonfliegt? Ich habe mich in meinem Leben nicht so verwirrt gefühlt, als gestern, da du bei Frau von Hervart angemeldet wurdest. Die Nennung deines Namens kam mir wie ein Vorwurf gegen mich vor; es war mir, als müßten sich alle Leute zugleich nach mir drehen: ich wußte nicht mehr, was ich that; und als du eintratest, erröthete ich so ungemein, daß meine Cousine, die mich bewachte, genöthigt war, ihr Gesicht und ihren Fächer vorzubeugen, als ob sie mir etwas ins Ohr sagte. Ich zitterte, daß auch schon das einen schlimmen Eindruck machen und daß man ein Geheimniß hinter dieser Flüsterei suchen möchte. Mit Einem Wort, ich fand in Allem Ursache zu neuer Angst, und nie habe ich lebhafter gefühlt, wie ein böses Gewissen Zeugen gegen uns aufruft, die an nichts weniger gedacht haben.

      Clara wollte bemerken, daß du keine bessere Figur spieltest: du schienst ihr in Verlegenheit, wie du dich stellen, in Unruhe, wie du dich benehmen solltest, ohne Muth, heranzutreten oder mich anzureden oder dich zu entfernen, und mit den Blicken den ganzen Kreis durchlaufend, um, meinte sie, Gelegenheit zu haben, uns anzusehen. Als ich mich von meiner Aufregung ein wenig erholte, glaubte ich selber die deinige zu bemerken, bis die junge Madame Belon ein Gespräch mit dir angeknüpft hatte, und du dich plaudernd zu ihr setztest und an ihrer Seite ruhiger wurdest.

      Ich fühle, mein Freund, daß uns diese Lebensart, die so viel Zwang und so wenig Freude mit sich bringt, nicht taugt: wir haben uns zu lieb, um uns so sehr Gewalt anthun zu können. Diese öffentlichen Begegnungen sind nur für Leute gut, die von Liebe nichts wissen, sondern nur auf gutem fuße mit einander stehen, oder die kein Geheimniß haben: die Unruhe ist groß von meiner Seite eine Unvorsichtigkeit von der deinigen zu sehr zu fürchten; und ich kann nicht immer eine Madame Belon zur Seite haben, die im Nothfalle zur Ableitung diene.

      Laß uns, o laß uns wieder das einsame, stille Leben suchen, aus dem ich dich leider gerissen habe. Dieses Leben war es, das unsre Liebe geweckt und genährt hat: sie könnte bei einem zerstreuteren Leben wohl leicht ermatten. Mächtige Leidenschaften bilden sich immer in der Einsamkeit: man findet ihres Gleichen nicht in der großen Welt, wo keinem Gegenstande Zeit gelassen ist, einen tiefen Eindruck zu machen, und wo der bunte Wechsel des Gefälligen die Kraft der Gefühle abstumpft. Es ist eine Lage, die auch der Schwermuth besser zusagt; diese nährt sich mit derselben Speise wie meine Liebe; dein theures Bild ist Beider Unterhalt und ich mag dich lieber in der Stille meines Herzens zärtlich und gefühlvoll sehen, als gezwängt und zerstreut in einer Assemblée.

      Es kann auch übrigens eine Zeit kommen, wo ich genöthigt sein würde, zurückgezogener zu leben: wäre sie schon da, diese ersehnte Zeit! Die Klugheit und mein eigener Hang rathen mir gleichmäßig dazu, im Voraus Gewohnheiten anzunehmen, welche dem entsprechen, was die Nothwendigkeit fordern kann. Ach! Wenn aus meinem Fehltritt das Mittel entspringen könnte, ihn wieder gut zu machen! Die süße Hoffnung, eines Tages ….! Ich sage fast unversehens mehr von dem Plane, der mich beschäftigt, als ich sagen will. Verzeih mir, daß ich damit so geheim thue, mein einziger Freund! mein Herz wird nie ein Geheimniß haben, das dir nicht süß zu wissen wäre. Dieses jedoch darfst du nicht wissen; und ich kann dir für jetzt nichts weiter davon sagen, als daß die Liebe, welche unsere Leiden geschaffen hat, uns auch das Heilmittel schaffen muß. Denke nach, finde die Auflösung in deinem Kopfe; aber ich verbiete dir, mich darüber zu fragen.

      Vierunddreißigster Brief.

       Antwort.

       Inhaltsverzeichnis

      Nò, non vedrete mai Cambiar gli affetti miei, Bei lumi, onde imparai As ospirar d' amor.

      [Nein, niemals sollt ihr sehen, Die Lieb' in mir sich wandeln, Ihr Augen, die mich lehrtet Seufzen vor Liebesweh.]

      Wie gut muß ich ihr sein, der hübschen Madame Belon, für das Vergnügen, das sie mir verschafft hat! Verzeih es mir, göttliche Julie, ich unterstand mich, deiner zärtlichen Unruhe einen Augenblick lang zu genießen, und dieser Augenblick war einer der süßesten meines Lebens. Wie allerliebst waren sie, diese besorgten und forschenden Blicke, die sich verstohlen auf uns richteten und im Augenblicke wieder senkten, um die meinigen zu vermeiden! Was that da dein glücklicher Geliebter? Unterhielt er sich mit Madame Belon? Ach, meine Julie, kannst du es glauben? Nein, nein, unvergleichliches Mädchen, er war würdiger beschäftigt. In welchem Zauber folgte sein Herz den Regungen des deinen! mit welcher gierigen Ungeduld verschlangen seine Augen deine Reize! Deine

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