Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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blühende Wein sendet süßere Düfte in die Ferne; ein geheimer Zauber verschönt entweder alle Gegenstände oder hat meine Sinne bestochen; man sollte meinen, die Erde schmücke sich, um deinem glücklichen Geliebten ein Hochzeitbett zu bereiten, würdig der Schönheit, welche er anbetet, und der Flamme, die ihn verzehrt, O Julie! o theure, kostbare Hälfte meiner Seele! eilen wir, all dieser Zierde des Lenzes die Gegenwart zweier treuen Liebenden hinzuzufügen! Laß uns die Empfindung der Lust dahin tragen, wo von ihr nur das hohle Bild ist, laß sie uns beleben, die Natur, die ganz und gar todt ist ohne das Feuer der Liebe. Wie? Drei Tage warten? Drei Tage noch? Trunken von Liebe, dürstend nach Lust erwarte ich den langsam daherschleichenden Augenblick mit schmerzlicher Ungeduld. Ach, wie glücklich wäre man, wenn der Himmel aus dem Leben alle tödtlichlange Pausen nähme, welche solche Augenblicke von einander trennen!

      Neununddreißigster Brief.

       Von Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Du fühlst nichts, mein trauter Freund, was mein Herz nicht theilte; aber sprich nicht von Vergnügen, während Leute, die mehr werth sind als wir, leiden, seufzen, und ich mir ihren Kummer vorzuwerfen habe. Lies den beigeschlossenen Brief und bleibe ruhig, wenn du kannst: ich, die ich das liebenswerthe, gute Mädchen kenne, das ihn geschrieben hat, habe ihn nicht ohne Thränen der Reue und des Mitleids lesen können. Das Leid über meine strafbare Nachlässigkeit hat mir die Seele durchbohrt und ich sehe mit tiefer Beschämung, wie weit die Versäumniß der ersten meiner Pflichten mich in der aller übrigen gebracht hat. Ich hatte versprochen, für dieses arme Kind Sorge zu tragen; ich nahm mich einer bei meiner Mutter an, hatte es gewissermaßen unter meiner Hut; und seit ich mich selbst nicht habe hüten können, lasse ich es nun hülflos, ohne mich seiner zu erinnern, und gebe es schlimmeren Gefahren preis, als denen, denen ich selbst unterlegen bin. Ich zittere, wenn ich daran denke, daß es zwei Tage später vielleicht geschehen war um das mir anvertraute Pfand, und Armuth und Verführung vielleicht ein sittsames, gutes Mädchen verderbt hätten, das einst eine treffliche Familienmutter abgeben kann. O mein Freund! wie kann es doch in der Welt Menschen geben, die so schändlich sind, einen Preis, den nur das Herz zahlen kann, der bitteren Armuth abzudrücken und die zärtlichen Küsse der Liebe einem verhungerten Munde verdanken zu wollen?

      Sage, sollte dich die redliche Liebe meiner Fanchon, ihre Sittsamkeit, ihre schuldlose Einfalt nicht rühren? Nicht die seltene Aufopferung dieses Liebhabers, der sich selbst verkauft, um seiner Geliebten zu helfen? Wirst du dich nicht mehr als glücklich schätzen, daß du dazu beitragen kannst, ein so wohl gewähltes Bündniß zu Stande zu bringen? Ach! wenn nicht wir Mitgefühl haben für verbundene Herzen, die man auseinanderreißt, von wem sonst sollen sie es erwarten? Ich wenigstens bin entschlossen, meine Fehler gegen diese hier gut zu machen, um welchen Preis es sei, und es dahin zu bringen, daß die beiden jungen Leute durch die Ehe mit einander verbunden werden. Ich hoffe, der Himmel wird dieses Unternehmen segnen, und es wird für uns eine gute Vorbedeutung sein. Ich schlage dir vor, und beschwöre dich im Namen unserer Freundschaft, noch heute wo möglich, oder spätestens morgen früh, nach Neufchatel zu reisen. Unterhandele mit Herrn von Merveilleur wegen der Entlassung dieses braven Burschen; spare weder Bitten noch Geld: nimm den Brief meiner Fanchon mit hin; es giebt kein fühlendes Herz, das er nicht rühren müßte. Kurz, was es uns auch koste an Vergnügen und Geld, komm nicht ohne den vollständigen Abschied des Claude Anet zurück, oder sei überzeugt, daß mir die Liebe mein Leben lang keinen Augenblick ungetrübter Freude mehr gewähren wird.

      Ich fühle, wie viel Einwürfe dein Herz mir machen muß: zweifelst du, daß das meinige sie schon alle zuvor gemacht? Und ich beharre. Denn das Wort Tugend ist entweder nur ein leerer Schall, oder sie erheischt Opfer. Mein Freund, mein würdiger Freund, ein verfehltes Zusammentreffen kann tausendmal wiederkehren, einige angenehme Stunden fahren dahin wie ein Blitz und sind nicht mehr; aber wenn das Glück eines wackern Paares in deinen Händen liegt, so denke an die Zukunft, die du dir selbst zu bereiten wünschest. Glaube mir, die Gelegenheit, Glückliche zu machen, ist seltner, als man denkt; die Strafe, wenn man sie versäumt, ist, daß man sie nicht wieder findet; und je nachdem wir uns diese zu Nutze machen, werden wir ewige Befriedigung oder ewige Reue davontragen. Halte meinem Eifer in der Sache diese überflüssigen Reden zu gute; ich habe schon zu viel einem Ehrenmanne, und meinem Freunde hundertmal zu viel gesagt. Ich weiß, wie sehr du jene grausame Wollust hassest, die uns gegen die Leiden Anderer verhärtet. Du hast es tausendmal selbst gesagt: Wehe dem, der nicht einen Tag der Lust den Pflichten der Menschlichkeit zum Opfer bringen kann!

      Vierzigster Brief.

       Fanchon Regard an Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Mademoiselle!

      Verzeihen Sie einem armen Mädchen, das in Verzweiflung ist und nicht mehr weiß, was aus ihm werden soll, wenn es wieder wagt, zu Ihrer Güte Zuflucht zu nehmen; denn Sie werden ja nicht müde, die Betrübten zu trösten; und ich bin so unglücklich, daß Niemand ist, als Sie und der liebe Gott, denen ich mit meinen Klagen lästig fallen kann. Es ist mir sehr leid gewesen, aus der Lehre gehen zu müssen, wohin Sie mich gethan hatten; aber da ich das Unglück hatte, meine Mutter diesen Winter zu verlieren, mußte ich zu meinem armen Vater zurückkommen, der so contract ist, daß er nicht aus dem Bette aufstehen kann.

      Ich habe den guten Rath nicht vergessen, den Sie meiner Mutter gegeben hatten; sie sollte doch suchen, mich mit einem ehrlichen Manne zusammenzugeben, der für die Familie sorgen könnte. Claude Anet, den Ihr Herr Vater mit aus dem Dienste gebracht hat, ist ein braver, ordentlicher Mensch, der ein gutes Metier versteht und der mir gut ist. Nach so vielen Wohlthaten, die Sie uns erwiesen hatten, habe ich nicht gewagt, Ihnen wieder beschwerlich zu fallen, und er hat uns den ganzen Winter unterhalten. Wir sollten im Frühjahr Hochzeit machen; er hatte sein Herz daran. Aber sie haben mir so zugesetzt, drei Jahre Miethe zu bezahlen, die Ostern fällig war, und ich wußte doch nicht, woher ich so viel baares Geld nehmen sollte, daß der arme junge Mensch wieder in Dienst gegangen ist, ohne mir ein Wort davon zu sagen, bei der Compagnie des Herrn von Merveilleur, [Vergl. „Bekenntnisse“ Th. 2 S. 113.] und hat mir das Handgeld gebracht. Herr von Merveilleur bleibt nur sieben oder acht Tage in Neufchatel und Claude Anet muß in drei oder vier Tagen mit den Rekruten fort; so haben wir nicht die Zeit, auch kein Geld, uns zu heirathen, und er läßt mich ohne alle Hülfe zurück. Wenn Sie durch Ihren oder des Herrn Barons Einfluß wenigstens einen Aufschub von fünf oder sechs Wochen für uns erhalten könnten, so ließe sich in der Zwischenzeit wenigstens sehen, wie man es anstellte, daß wir Hochzeit machen könnten, oder daß sich der arme Junge auslöste; aber ich kenne ihn schon, er wird das Geld unter keiner Bedingung wiedernehmen wollen, das er mir gegeben hat.

      Diesen Morgen ist ein sehr reicher Herr gekommen und hat mir große Vortheile angeboten, aber Gott hat mir die Gnade gethan, daß ich es ihm abgeschlagen habe. Er hat gesagt, er würde morgen früh wiederkommen und mein letztes Wort hören. Ich habe gesagt, er möchte sich nicht die Mühe machen, und ich hätte es ihm schon gesagt. Geh er mit Gott. Ich werd ihm morgen dienen, wie heute. Ich könnte auch wohl aus dem Gemeindesäckel Unterstützung haben; aber man ist dann so in Verachtung, daß es besser ist, geduldig auszuhalten, und dann hat der Claude Anet zu viel Ehre im Leibe, um ein Mädchen zu wollen, das Unterstützung nimmt.

      Entschuldigen Sie die Freiheit, die ich mir nehme, meine gute Demoiselle! Ich habe Niemand als Sie, dem ich mir getrau' meinen Kummer zu sagen, und mir ist das Herz so zugeschnürt, daß ich nicht weiter schreiben kann. Ihre ganz ergebene und getreue Dienerin Ihnen zu dienen.

      Fanchon Regard.

      Einundvierzigster

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