Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
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Die Höhle Surthellir liegt auf einer etwas erhöhten ausgedehnten Ebene, wo man sie wahrlich nicht suchen würde, da man gewohnt ist, dergleichen Naturerscheinungen in den Eingeweiden der Berge zu finden. Man ist daher sehr überrascht plötzlich vor einem weiten, rundlichen Becken zu stehen, das ungefähr 15 Klafter im Durchmesser und 4 Klafter in der Tiefe haben mag, und aufgedeckt zu den Füßen liegt. Grausig war's, da hinab zu schauen auf die zahllosen übereinander gethürmten Felsblöcke, die von einer Seite bis an den Rand des Beckens reichten, und über welche der Weg hinab in die weiter fortlaufenden finstern Schluchten leitete.
Auf Händen und Füßen mußten wir da hinunterkettern, bis wir in einen breiten langen Gang kamen, der sich anfangs unmerklich abwärts neigte, und dann fortlief unter der Ebene, die sich als Felsdecke über unsern Häuptern wölbte. Ich schätze die verschiedenen Höhen der Decke von mindestens 3 bis zu 10 Klafter, zu welcher letztern Höhe sie sich jedoch selten empor hebt. Decke und Wände sind theilweise sehr spitzig und rauh, eine Folge des Tropfsteines, der sich an sie ansetzt, jedoch, ohne Figuren oder lange Spitzen und Zacken zu bilden.
Von diesem Hauptgange führen verschiedene Nebenwege weit und breit in die Eingeweide dieser Steinregion; sie stehen aber unter einander nicht in Verbindung, und man muß von jedem Seitenpfade wieder zum Hauptgange zurückkehren. Manche dieser Nebengänge sind kurz, schmal und niedrig, doch gibt es auch lange, breite und hohe.
In einem der entlegensten dieser Nebengänge zeigte man mir eine große Menge Gebeine, die von geschlachteten Schafen und andern Thieren sein sollten. So viel ich der Erzählung des Priesters entnehmen konnte, sagt die Sage, daß da einst vor langen Jahren der Aufenthalt einer mächtigen Räuberhorde gewesen sei. — Es müssen wohl lange, lange Zeiträume seither verflossen sein, da man sich nur Fabeln und Sagen davon erzählt.
Ich wüßte nicht, was Räuber in Island gethan hätten; Piraten kamen wohl öfters dahin; für diese war aber diese Gegend zu weit von der See entfernt. — Ich könnte mir nicht einmal denken, daß es Raubthiere gewesen seien; denn weit und breit ist ja die Gegend öde und unbewohnt, wie gesagt — eine Wüste — da hätten sie nicht einmal etwas zu rauben gefunden. — Kurz, ich überdachte alles Mögliche, und kann nur sagen, daß mir dieß eine höchst sonderbare Erscheinung dünkte, in dieser Einöde, so weit von allem Leben entfernt, eine solche Menge Beine gesehen zu haben, die noch dazu so frisch aussahen, als wären die armen Thiere erst kürzlich verspeiset worden. Leider konnte ich das Wahre der Sache nicht ergründen.
Es kann nicht leicht etwas Beschwerlicheres geben, als in dieser Höhle herum zu wandeln. So, wie sie sich uns beim ersten Anblick zeigte, so ging es im Hauptgange fort und fort. Die ganze Bahn bestand aus losen, über einander geworfenen großen Lavatrümmern, über welche wir höchst mühsam klettern mußten. Keiner konnte dem Andern helfen; Jeder hatte mit sich selbst genug zu thun. Da war nicht ein Fleckchen zu finden, wohin man den Fuß hätte setzen können , ohne sich mit den Händen anzuklammern. Oft mußten wir uns auf die Steine setzen, und so auf die Füße hinab lassen, oft uns zusammenhalten, um uns gegenseitig auf die gar zu hohen Steine hinauf zu ziehen, u.s.w.
Wir kamen noch zu einigen ungeheuren Becken oder Kratern, die sich über uns öffneten, jedoch nicht zu ersteigen waren, da die Wände zu schroff hinauf gingen. Das Licht, das durch diese Becken herein fiel, war nicht einmal für den Haupteingang hinreichend, viel weniger für die vielen Nebengänge.
Ich hatte zu Kalmannstunga Fackeln anschaffen wollen, mußte aber froh sein, einige Kerzen erhalten zu können, mit Fackeln muß man sich gleich in Reikjavik versehen.
An den Stellen, über die sich die Becken öffneten lag noch ziemlich viel Schnee, der das Gehen sehr gefährlich machte. Wir sanken oft ein, und kamen mit den Füßen zwischen die Steine, so, daß wir uns kaum zu erhalten vermochten. — In den Nebengängen, die sich unweit solcher Becken befanden , hatten sich Eisrinden gebildet, die mit Wasser überdeckt waren, tiefer hinein hörte das Eis zwar auf, dagegen war es aber meist sehr schmutzig, da statt der Steine eine Schichte Sand lag, die sich mit dem Wasser vermischt hatte.
Mit Lavablöcken war nur der Hauptgang bedeckt, in den übrigen gab es nur Sandschichten oder Lava-Gerölle.
Einen schönen Anblick gewährte die magische Sonnenbeleuchtung, die durch eines dieser Becken in die Höhle strahlte. Die Sonne schien senkrecht durch die Oeffnung, verbreitete einen wundervoll blendenden Schimmer über den Schnee, und bildete einen zarten, färbigen Schein um unsere Köpfe.
Von besonderer Wirkung war dieser helle Lichtpunkt, als Gegensatz zu den beiden finstern Schlünden, aus deren einem wir gekommen waren, um in dem Dunkel des andern unsere Wanderung wieder fortzusetzen.
Dieses unterirdische Labirinth soll sich mehrere Meilen weit in verschiedenen Richtungen erstrecken. Wir durchzogen nur einen Theil des Hauptganges und mehrere Nebengänge, und kehrten nach zwei Stunden, recht ermüdet, in die Oberwelt zurück. Da machten wir eine halbe Stunde Rast, und ritten dann im scharfen Trapp die anderthalb Meilen nach Kalmannstunga zurück.
Leider besitze ich keine geognostischen Kenntnisse, um behaupten zu können, daß diese Höhle ein ausgebrannter Vulkan sei. Wenn man sich aber in einem Lande befndet, wo jeder Hügel und Berg, Alles was man sieht, aus nichts als Lava besteht, so wird auch der Laie die Oeffnungen zu entdecken suchen, aus welchen sich diese ungeheure Massen ergoßen. Da betrachtet man neugierig jede Spitze der Berge, und glaubt überall einen Krater sehen zu müssen, findet aber Berg und Thal glatt und geschlossen. Wie froh ist man daher nicht, in dieser Höhle dem Dinge doch ein bischen auf die Spur zu kommen! Ich wenigstens träumte, hier in der einstigen Feuerstädte eines nun ausgebrannten Vulkans zu wandeln, denn Alles was ich sah, die aufgehäuften Steinmassen unter meinen Füßen, so wie die gewaltige Decke und die Becken oder Krater über mir — Alles war Lava. — Ob ich recht habe, weiß ich nicht; ich spreche nur nach meinen Begriffen und nach meinen Ansichten.
Diese Nacht mußte ich in einer Kothe zubringen; das Oertchen Kalmannstunga zählt deren drei, aber keine Kirche. — Zum Glück war eine der Kothen etwas größer und reinlicher, als die gewöhnlichen; es war schon eine Art sogenannter Hof. Auch waren die Leute so aufmerksam, während der Zeit, als ich nach der Höhe ritt, das beste Gemach zu säubern, und zu meinem Empfange mit möglichster Sorgfalt herzurichten. — Dieses Kämmerchen hatte 11 Fuß in der Länge und 7 in der Breite; das Fenster war so klein und verschmutzt, daß ich, obwohl die Sonne noch in voller Pracht erglänzte, kaum zum Schreiben sah. — Die Wände, ja selbst der Fußboden waren mit Holz getäfelt, der höchste Luxus in diesem von Holz so entblößten Lande. Die Einrichtung bestand aus einem breiten Bette, zwei Truhen und einem kleinen Tischchen. Stühle oder Bänke sind den isländischen Bauern eine terra incognita; sie sitzen auf den Betten oder Truhen; auch wüßte ich wirklich nicht, wo in einer solchen Kammer ein derlei Möbel Platz fände.
Meine Hausfrau, die Wittwe eines wohlhabenden Bauern, stellte mir ihre vier Kinder vor, die recht hübsch und sehr nett gekleidet waren. Ich bat die Mutter mir die Namen der Kleinen zu sagen, damit ich doch auch einige isländische Namen in meinem Vaterlande zu nennen wüßte. Sie war über diese meine Bitte sehr erfreut, und nannte sie mir, wie folgt: Sigridur, Gudrun, Ingebör und Lars.
Ich würde mich da recht behaglich gefunden haben, indem ich gewohnt bin, Entbehrungen jeder Art mit Gleichmuth zu ertragen, hätte man mich nur allein gelassen. Aber man stelle sich mein Entsetzen vor, als nach und nach alle