Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke - Ida Pfeiffer страница 104
Vergebens strengte ich mein Auge an, um in diesem großen Thale ein Kirchlein zu erspähen, das mir zur Nachtruhe, wenn auch nur eine harte Bank, doch wenigstens Schutz gegen den scharfen Nachtwind verleihen würde; denn es ist wahrhaftig kein Spaß 15 Stunden zu reiten, außer Brod und Käs den ganzen Tag nichts genossen zu haben, und dann nicht einmal die frohe Aussicht auf ein Hotel a Ia ville de Londre oder de Paris. — Ach meine Wünsche waren ja viel bescheidener; ich erwartete weder einen Portier, der bei meiner Ankunft das Zeichen gäbe, noch einen Oberkellner oder eine Kammerjungfer; — ich wünschte nur ein kleines Fleckchen in der Nähe meiner lieben verstorbenen Isländer. — Aus diesen seligen Betrachtungen wurde ich plötzlich durch die Stimme meines Führers aufgeschreckt, der da rief: „Nun sind wir für heute am Ziele!" — Freudig sah ich umher, — ach — ich erblickte nur einige jener Kothen, die man nicht früher bemerken kann, als bis man mit der Nase daran stößt, weil sich ihre grasbedeckten Mauern und Dächer kaum von der Wiese unterscheiden. Es war bereits Mitternacht. — Wir hielten an, und ließen die Pferde auf der nächsten Wiese Nahrung und Ruhe suchen. Uns fiel das Loos nicht so gut. Die Einwohner lagen bereits im tiefen Schlummer, und wurden selbst durch der Hunde Gebell, das uns bei der Ankunft empfing, nicht zur Auferstehung gebracht. — Freilich würde mir ein Schälchen Kaffee recht gut gethan haben, doch ich mochte deßhalb Niemanden wecken lassen. Ein Stückchen Brod stillte ja auch meinen Hunger, und ein Trunk Wasser aus der nahen Quelle schmeckte trefflich dazu. Nach diesem einfachen Mahle suchte ich mir ein Lager an der Seite einer Kothe, die mich vor der gar zu argen Zudringlichkeit des Windes ein bischen schützte, hüllte mich in meinen Mantel, streckte mich auf den Boden, und wünschte mir von ganzem Herzen, einmal auch im Freien, und bei hellem Tage [Man vergesse nicht, daß zu dieser Zeit gar keine Dämmerung, viel weniger Nacht ist.] tüchtig schlafen und traumen zu können. Ich fing gerade an einzuschlummern, da überraschte mich ein sanfter Regen, der natürlich jede Spur des Schlafes vertilgte. Nun mußte ich doch Jemanden wecken lassen, um unter Dach und Fach zu kommen.
Man sperrte mir das beste Gemach, die Vorrathskammer auf, und stellte da eine kleine hölzerne Truhe zu meiner beliebigen Verfügung, Dergleichen Kammern finden sich glücklicher Weise überall, wo einige Kothen beisammen stehen; doch sind sie nichts weniger als einladend, da die getrockneten Fische, Thran, Talg, und weiß der Himmel was noch für andere Artikel eine schreckliche Atmosphäre verursachen, — und dennoch ziehe ich sie bei weitem den Wohngemächern der Bauern vor, die, nebenbei gesagt, das Ekelhafteste sind, was man sich denken kann. Nebst allen denkbaren üblen Gerüchen herrscht da ein Schmutz, und in Folge dessen ein Ueberfluß an Ungeziefer, daß es höchstens bei den Grön- und Lappländern noch ärger sein kann.
Ich bezog also mit stoischer Ergebung die Vorrathskammer, und harrte geduldig aus bis zur Weiterreise.
18. Juni.
Gestern waren wir gezwungen gewesen, unsern armen Pferden eine übergroße Station von eilf Meilen aufzubürden, da die letzten neun Meilen über ganz wüste und unbewohnte Strecken gingen, und wir auf keine einzige Kothe trafen. Dafür hatten sie es aber heute desto leichter, denn wir ritten nur anderthalb Meilen nach dem Oertchen Reikiadal, wo ich diesen Tag zubrachte, um die berühmten Springquellen zu besuchen.
Das Oertchen Reikiadal besteht aus einer Kirche und einigen Kothen, und liegt mitten zwischen schönen Wiesen. Ueberhaupt ist dieses Thal reich an herrlichen Wiesengründen, man sieht daher auch viel einzeln stehende Höfe und Kothen, schöne Heerden von Schafen, und ziemlich viele Pferde; Kühe weniger.
Die Kirche zu Reikiadal ist eine der nettesten und geräumigsten, die mir bisher vorgekommen ist. Auch das Häuschen des Priesters, obwohl auch von allen Seiten mit Rasen bedeckt, ist doch groß genug, um behaglich darin wohnen zu können. — Der Bezirk dieser Pfründe ist groß, und ziemlich bevölkert.
Meine erste Sorge gleich nach der Ankunft war, den Priester, Herrn Jonas Jonason, zu ersuchen, mir so schnell als möglich frische Pferde zu besorgen, nebst einem Führer, der mich nach den heißen Quellen geleitete. — Er versprach, in einer halben Stunde mir Beides zu verschaffen, doch sah ich erst nach drei Stunden, und auch da noch mit vieler Mühe, meine Bitte erfüllt. — Nichts ärgerte mich stets mehr in Island, als die Langsamkeit und Gleichgiltigkeit seiner Bewohner in all ihrem Thun und Treiben. Auf Alles, was man begehrt oder wünscht, muß man die längste Zeit warten. — Wäre ich dem guten Pastor nicht unausgesetzt zur Seite gewesen, ich glaube schwerlich, daß ich diesen Tag mein Ziel erreicht haben würde. — Endlich war Alles bereit, und der Pastor selbst war so gütig mein Führer zu sein.
Wir ritten bei ¾ Meilen in diesem schönen Thale den Dampfsäulen zu, und mußten auf diesem Wege gewiß mehr als ein halb Dutzend Mal über den Fluß Sidumule setzen, der in unendlichen Krümmungen das ganze Thal durchströmt. Endlich gelangten wir an die erste heiße Springquelle; sie entspringt einem ungefähr sechs Fuß hohen Fels, der in der Mitte eines Moores steht. Der Durchmesser der obern Oeffnung des Kessels, in welchem das Wasser beständig heftig kocht und braust, mag zwischen zwei und drei Fuß betragen. — Diese Quelle springt beständig; der Strahl erhebt sich zwei, ja manchmal bei vier Fuß hoch, und ist ungefähr anderthalb Fuß dick. Man kann ihn auch auf Augenblicke verstärken, wenn man große Steine oder Erdklumpen hinein wirft, und die Quelle dadurch aufreizt. Sie schleudert dann die Steine mit Gewalt heraus, während sie die Erdklumpen auflöst, und das Wasser dadurch gefärbt und beschmutzt erscheint.
Wer den Sprudel zu Karlsbad in Böhmen gesehen hat, kann sich eine getreue Vorstellung von dieser Springquelle machen; sie gleichen sich vollkommen.
Gleich neben dieser Springquelle ist ein Schlund, in welchem Wasser heftig kocht, aber nie in die Höhe steigt. Weitere Springquellen sind etwas entfernter, auf einem höhern Fels, der im Fluße Sidumule ganz nahe am Ufer steht. Es sind deren dreie darauf, deren jede nur einige Schritte von der andern entfernt liegt, und nehmen beinahe die ganze obere Fläche des Felsens ein. Etwas tiefer unten befindet sich ebenfalls ein Kessel mit stark kochendem Wasser; auch sind am Fuße des Felsens und am Ufer viele heiße Quellen, die meisten jedoch nur unbedeutend. Manche dieser Quellen entspringen beinah in dem kalten Fluße.
Die eigentliche Hauptgruppe liegt aber noch etwas entfernter auf einem Fels, der bei zwanzig Fuß hoch und bei fünfzig Fuß lang sein mag, Tunga-Huer heißt, und aus der Mitte eines Moorgrundes empor ragt. — Auf diesem Fels entspringen 16 solcher Quellen, und zwar, theils in der Tiefe desselben, theils in und ober der Mitte; ganz oben entspringt keine.
Die Kessel, so wie der Durchmesser und die Höhe der Strahlen sind ganz so beschaffen, wie bei jenen, die ich bereits beschrieben habe. — Alle diese 16 Quellen sind so nahe beisammen, daß sie nicht einmal zwei Wände des Felsens einnehmen. — Man kann sich durchaus keine Vorstellung von der Pracht und Außerordentlichkeit dieses Schauspieles machen; wahrhaft feenartig wird es aber, wenn man den Muth hat, den Fels selbst zu erklimmen, was zwar nicht beschwerlich, aber doch etwas gefährlich ist. — Die obere Schichte des Felsens ist nämlich weich und warm, und gleicht mehr einem verdichteten mit Sand und Steinchen vermischten Brodem. Jeder Fußtritt läßt die Spur zurück, und man schwebt immer in der größten Angst einzubrechen und in eine nur leicht überdeckte kochende Quelle zu sinken. Der gute Priester ging mit einem Stocke voran, und sondirte so viel möglich die gefährliche Decke, ich — blieb nicht zurück, und so standen wir plötzlich oben am Rande des Felsens. — Da konnten wir mit einem Blicke die an den beiden Seiten des Felsens befindlichen 16 Springquellen übersehen. — War der Anblick von unten aus einer der interessantesten und merkwürdigsten, — wie soll ich erst diesen nennen? — Sechzehn Wasserspeier mit einem Blicke überschauen, sechzehn Kessel, in den verschiedensten Gestalten und Formen, so ganz nahe unter den Füßen aufgedeckt zu sehen das war des Wundervollen zu viel. — Ich vergaß