Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
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Die Lachse haben eine ungewönliche Lebhaftigkeit und eine eben so ungewöhnliche Stärke und Schnellkraft. Der Fischer muß sie behende an Kopf und Schwanz zugleich erfassen, und sie an das Ufer schleudern, wo sie gleich von andern Leuten aufgefangen und tiefer in's Land hinein geworfen werden. — Geschähe dieß nur im Geringsten langsam oder nachlässig, würden ihnen viele derselben entschlüpfen. Es ist wunderbar, wie sich diese Thiere aus den Händen winden und in die Luft schnellen können. — Die Fischer müssen wollene Fäustlinge [Handschuhe, die blos den Daumen, sonst keine Finger haben.] anhaben, sonst könnten sie diese glatten Thiere gar nicht fassen: — Bei jedem Fange werden in einigen Stunden zwischen fünfhundert und tausend Stücken, das Stück 5 bis 15 Pfund schwer, erbeutet. — Denselben Tag, als ich zugegen war, wurden achthundert Fische gefangen. — Dieser Lachsfang hier ist von einem Kaufmanne zu Reikjavik gepachtet.
Die Fischer bekommen einen sehr großen Lohn, — die Hälfte des Fanges. Und doch sind sie damit unzufrieden und so wenig dankbar, daß sie selten ihre Arbeit ganz verrichten. So brachten sie z. B. den Antheil des Kaufmanns nur in den Hafen von Reikjavik, und waren viel zu träge die Fische vom Boote in sein Magazin, das höchstens 60—70 Schritte vom Hafen entfernt lag, zu tragen. Sie ließen ihm sagen, er möchte nur andere Leute senden, sie seien bereits zu sehr ermüdet. Natürlich helfen in einem solchen Falle keine Vorstellungen.
Wie in der ganzen Welt, wird auch in Island jede Gelegenheit gleich zu einem Schmause und zu einer Unterhaltung benützt. — Der Tag, an welchem wir dem Lachsfange beiwohnten, war einer der seltenen schönen Sommertage. Da wurde denn gleich von mehreren Kaufleuten verabredet, den Tag und den Fischfang durch ein Gabelfrühstück zu verherrlichen. Jeder steuerte etwas bei, und so kam ein reichhaltiges, elegantes Frühstück zu Stande, bei dem es ganz nach unserer Art zuging, den einzigen Umstand ausgenommen, daß wir uns aus Mangel an Tischen und Bänken, auf den Boden lagern mußten. Spanische und französische Weine, so wie kalter Punsch, waren im Ueberflusse vorhanden, und verbreiteten alsbald große Fröhlichkeit.
Ich sah bei dieser Gelegenheit eine neue Art, Butter-Schnitten mit Lammfleisch oder Käse mit sich zu führen. — Sie wurden schon zu Hause bereitet, mit den Fleisch- oder Käseschnitten belegt, und je zwei und zwei auf einander gethan — So verpackt konnten sie unbeschädigt überall hingebracht werden.
Ein vierter Ausflug, den ich machte, war noch kürzer; er führte mich nur 1/3 Meile von Reikjavik weg zu einer heißen Quelle, die etwas Schwefel enthält, und zu einem kalten Flüßchen, das diese heiße Quelle in sich aufnimmt. — Durch diesen glücklichen Verein findet man da jede wünschenswerthe Temperatur, vom Siedpunkte bis zur bedeutenden Kälte. Die Städter benützen aber auch diese schöne Gelegenheit, und zwar zu zweifachem Gebrauche, zum Waschen und zum Baden. Ersterer ist unstreitig der wichtigere, und deßhalb hat man auch eine hölzerne Hütte errichtet, um die armen Leute während dieser Arbeit gegen Sturm und Wetter zu schützen. Früher war diese Hütte auch mit einer guten Thür und mit Glasfenstern versehen, und der Schlüssel befand sich an einem bestimmten Orte in der Stadt, wo ihn Jedermann haben konnte. Allein da waren die Dienstleute oder Bäuerinen das zehntemal zu träge den Schlüssel abzuholen; sie sprengten gleich das Schloß auf und schlugen die Fenster ein, und so gleicht denn dieses Hüttchen jetzt nur mehr einer Ruine, die nur ganz wenig Schutz verleihen kann. — Daß doch die Menschen überall gleich, und nur dann gut sind, wenn sich ihnen nichts in den Weg stellt! — Und leider ist dann das Verdienst weniger ihnen, als den glücklichen Umständen zuzuschreiben. — Was das Kochen betrifft, so bringen viele Leute Kartoffeln oder Fische mit, die sie nur in die heiße Duelle zu legen brauchen, um sie gleich zubereitet zu finden.
Zum Baden wird diese Quelle weniger benützt, höchstens kommen einige Kinder oder Bauern in der Absicht dahin. — Als Heilmittel kennt man sie gar nicht.
Die Schwefel-Quellen und Schwefel-Berge zu Krisuvik.
Der vierte Juni war zur Abreise bestimmt. — Es gab nur noch etwas Brod, Käse, Zucker und Kaffee einzupacken, dann wurde gesattelt und um sieben Uhr glücklich die Reise angetreten.
Ich war allein mit meinem Führer, der, wie alle seine hiesigen Standesgenossen, gerade nicht am liebenswürdigsten war. — Er war sehr träge, sehr interessirt und kümmerte sich nur höchst ungern um mich und meine Pferde, desto mehr um Brandwein, den man leider im ganzen Lande findet.
Die Gegend zwischen Reikjavik und Havenfiord hatte ich bereits bei meiner Ankunft in Island gesehen.
In der jetzt vorgerückten Jahreszeit war sie etwas freundlicher; zwischen den Lavablöcken sproßten Erdbeerpflanzen, doch noch ohne Blüthen, blaue geruchlose Veilchen und schönes acht bis zehn Zoll hohes Farrenkraut. Ueberhaupt war hier, trotz der geringen Entfernung, die Vegetation üppiger, als bei Reikjavik, denn da fand ich gar keine Erdbeerpflanzen, und die Veilchen waren noch nicht in der Blüthe. — Ich glaube, daß dieser Unterschied der Vegetation von den mächtigen Lavawänden herrühren mag, deren es bei Havenfiord eine große Menge gibt, und die den zarten Pflanzen und Kräutern als Schutz gegen die rauhen Winde dienen. Besonders sah man Gras und die oben genannten Pflanzen in den kleinen Vertiefungen, welche aus Lavamassen gebildet sind, herrlich gedeihen.
Eine Stunde hinter Havenfiord sah ich das erste Birkengestrüpp, das sich aber nur zu einer Höhe von 2—2½ Fuß erhob. Auch Heidelbeerpflanzen und eine Menge kleiner Schmetterlinge , von einer und derselben Farbe, und wie es mir schien, auch von derselben Gattung umgaukelte Pflanzen und Gestrüpp.
Bewundernswürdig und wahrhaft überraschend sind die mannigfaltigen Formen und Bildungen der Lavafelder. So klein diese Reise auch ist — denn man gelangt in zehn Stunden ganz bequem nach Krisuvik — so ist sie doch über alle Beschreibung lohnend. — Ich konnte nur schauen und bewundern. Ich vergaß darüber alles Andere, fühlte weder Kälte noch Sturm, ließ mein Pferd nach Gefallen sich mit möglichster Langsamkeit den Weg selbst suchen, und wäre dadurch bald von meinem Führer getrennt worden.
Einer der merkwürdigsten Lavaströme lag in einem langen und breiten Thale. — Der Lavastrom, ungefähr eine halbe Meile lang, und von einer bedeutenden Breite, durchzog die ganze Mitte, und schien wie hergezaubert, da in der Nähe kein Berg zu sehen war, mit dem er hätte in Verbindung stehen können. Er schien die Decke eines unermeßlichen Kraters zu sein, und war nicht aus einzelnen Steinen und Blöcken, sondern aus einer dichten 10—12 Fuß hohen und etwas porösen Felsenmasse gebildet, die hin und wieder von fußbreiten Rissen durchfurcht war.
Ein anderes noch größeres Thal, von mehreren Meilen im Umfange, war mit wellenartigen Lava-Massen derart angefüllt, daß ich ein versteinertes Meer zu erblicken wähnte. — Und aus der Mitte dieses Meeres erhob sich ein hoher, schwarzer Berg, der zu der ihn umgebenden lichtgrauen Lavamasse — einen herrlichen Gegensatz bildete. — Anfangs dachte ich, die Lava wäre von diesem Berge ausgeströmt, doch sah ich, daß er von allen Seiten glatt und rein, und oben in der Form eines Zuckerhutes vollkommen geschlossen war. — Auch die andern Gebirge, die das Thal umfaßten, waren geschlossen, und ich suchte vergebens die Spur eines Kraters.
Nun kamen wir zu einen: kleinen See und bald darauf zu einem größeren, welcher Kleinfarvatne heißt. — Beide waren von Bergen eingeschlossen , die sich oft steil in die