Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke - Ida Pfeiffer страница 97
Ich fand überhaupt das Reisen in diesem Lande viel beschwerlicher als im Oriente. Mir wenigstens waren die schrecklichen Stürme und Winde, die scharfe Luft, der häufige Regen und die Kälte bei weitem unerträglicher, als die orientalische Hitze. Von dieser bekam ich weder je aufgesprungene Lippen, noch Schuppen auf der Haut des Gesichtes. — Hier bluteten mir schon am fünften Tage die Lippen, und im Gesichte bekam ich später Schuppen, wie wenn ich den Rothlauf gehabt hätte. Eine sehr unangenehme Sache ist ferner das Reiten mit den langen Frauenkleidern, denn man muß stets warm angezogen sein, und da schlagen sich die schweren, oft noch vom Regen triefenden Kleider derart um die Füße, daß man beim Auf- und Absteigen vom Pferde im höchsten Grade unbeholfen ist. Das Schrecklichste aber ist, während der Regenzeit auf einer Wiese die Ruhestunde halten zu müssen. Die langen Kleider saugen da auch noch das Wasser vom nassen Grase auf, und man hat dann wirklich oft nicht einen einzigen trocknen Faden mehr an sich.
Kälte und Wärme scheinen in diesem Lande einen ganz besondern Eindruck auf den Fremden zu machen. Die Kälte kam mir empfindlicher, die Hitze drückender vor, als ich beide bei demselben Stande des Thermometers in meinem Vaterlande fühlte.
Die Wege sind im Sommer über alle Verwunderung gut; man kann größtentheils scharf reiten. Zu befahren sind sie jedoch nicht, theils sind sie zu schmal, theils trifft man auch auf einzelne sehr schlechte Stellen. Es gibt daher auf der ganzen Insel keinen Wagen.
Gefährlich ist der Weg nur, wenn er durch Sümpfe und Moor, oder über Lavafelder führt. — Von letzteren hat man besonders jene zu fürchten , die mit weißem Moose überdeckt sind. Unter diesen gibt es oft recht abscheuliche Löcher, in welche das Pferd nur zu leicht mit dem Fuße gerathen kann. — Auch an den Höhen hinauf und hinunter gibt es viele fürchterliche Stellen. In Sümpfen und Mooren verliert sich die Bahn des Weges oft so, daß auch nicht die geringste Spur davon zu entdecken ist, und es mir stets wunderbar vorkam, wie mein Führer wieder richtig auf den sichtbaren Pfad gelangte. — Man möchte beinahe glauben, daß auf solch gefährlichen Bahnen, Führer und Pferd durch den Instinkt geleitet werden.
Das Reisen in Island kömmt theurer als irgendwo, besonders wenn man allein ist, und die Kosten des Gepäckes, Führers, der Ueberfahrten u.s.w. ungetheilt zahlen muß. — Pferde werden nicht ausgeliehen; man muß sie kaufen, bekommt sie jedoch sehr wohlfeil; ein Packpferd um 18 bis 24 fl., ein Reitpferd um 40 bis 50 fl. Will man aber einige Bequemlichkeiten haben, so benöthiget man gleich mehrere Packpferde; denn man kann ihnen nicht viel aufbürden , und braucht dazu auch wieder einen Knecht mehr, da der Führer nur die Reitpferde und höchstens 1 bis 2 Packpferde besorgt. — Kehrt man dann von der Reise zurück, und sucht die Thiere wieder zu verkaufen, so wird Einem ein so niederträchtiger Preis dafür geboten, daß es gleich so gut ist, sie zu verschenken. Dieß beweist neuerdings, daß der Mensch überall seinen Vortheil zu benützen versteht. Die Leute wissen, daß man die Pferde auf jeden Fall zurück lassen muß, und daher bieten sie nichts. Ich muß gestehen, daß ich den Charakter des Isländers bei jeder Gelegenheit tief unter meiner Erwartung fand, und noch tiefer unter den Schilderungen, die ich in Büchern gelesen hatte.
Die isländischen Pferde halten trotz dem, daß sie auf die kärglichste Nahrung angewiesen sind, zum Verwundern viel aus. — Man kann mehrere Tage hindurch, jeden Tag acht bis zehn Meilen zurücklegen; nur kostet es stets Mühe, das Pferd im gehörigen Gange zu erhalten. Der Isländer stößt nämlich das arme Thier beständig mit den Füßen in die Seite, und daran ist es so gewöhnt, daß es beinahe nicht geht, wenn man dieß unterläßt. — An schlechten Stellen muß man den Zügel stets scharf anhalten, um das häufige Stolpern zu vermeiden, — zwei Sachen die sehr ermüden.
Viel gibt es wahrlich zu überlegen, wenn man eine Reise in den hohen Norden unternehmen will; — doch mich schreckte nichts, — und selbst unter den größten Gefahren und Leiden bereute ich mein Unternehmen nicht einen Augenblick, und wäre um keinen Preis davon abgestanden.
Ich machte nach allen Gegenden Islands Ausflüge, und bin dadurch in den Stand gesetzt, die bedeutendsten Merkwürdigkeiten dieses interessanten Landes der Reihe nach meinen Lesern vorzuführen. Ich beginne gleich mit den nächsten Umgebungen Reikjaviks.
Kleine Ausflüge nach Vatne, der Insel Vidöe und nach Lachfelv zum Lachsfange.
Cavalcade nach Vatne.
(2 Meilen von Reiljavik.)
25. Mai.
Stiftsamtmann v. H. war so gütig mir einen Besuch zu machen, und mich für heute Nachmittag zu einer Reit-Partie nach dem großen See Vatne einzuladen. — Mit Vergnügen nahm ich die Einladung an; denn nach den Äußerungen des Stiftsamtmannes dachte ich ein wahres Eden zu sehen, dabei die Erholungen der hiesigen höhern Stände kennen zu lernen, und meine Sammlung an Pflanzen, Schmetterlingen und Käfern bedeutend bereichern zu können. Auch mit den Eigenschaften der isländischen Pferde hoffte ich hier vertrauter zu werden, als auf meiner ersten Tour von Havenfiord hierher, denn damals mußte ich, meiner alten Begleiterin wegen, immer im Schritte reiten.
Die Stunde des Ausfluges war für zwei Uhr festgesetzt. — Ich, die Pünktlichkeit selbst, war schon lange vorher bereit, und wollte zur bestimmten Stunde an den Versammlungsort eilen; da sagte mir meine Hausfrau, es sei noch lange Zeit, denn Herr v. H. sitze noch beim Speisen. — Kurz: aus zwei Uhr ward es drei Uhr, und auch da saßen wir noch ein Viertelstündchen zu Pferde, bis sich der Zug in Bewegung setzte. — O syrische Eile und Pünktlichkeit! Dich begrüßte ich auch hier, beinah am entgegengesetzten Ende der Welt.
Die Gesellschaft bestand aus dem hier anwesenden Adel, und aus den Honoratioren. — Zu Ersterem gehörten der Stiftsamtmann v. H. sammt Gemahlin, ein Kammerherr H. v. B. der von Kopenhagen herüber gesandt worden war, um dem Althing (politischen Verhandlungen) beizuwohnen, und ein dänischer Baron, der den Kammerherrn begleitet hatte. — Zu den Honoratioren gehörten die Gemahlin des Apothekers, und die Töchter einiger hier ansässigen Kaufleute. — Ein Diener schloß den Zug.
Der Weg führte über Lavafelder, Sümpfe und höchst dürftige Grasstellen, in einem großen öden Thale fort, das von sanften Hügeln durchzogen war. Von drei Seiten war dieß Thal von Bergen umkränzt, die, in mehreren Reihen aufgethürmt, in den mannigfaltigsten Formen in die Lüfte stiegen. Einige Jokuln (Gletscher) erhoben in noch weiterer Ferne ihre Häupter, und sahen mit stolzer Miene auf diese Vorgebirge, und schienen sie zu fragen: „was wollt denn ihr die Aufmerksamkeit auf euch ziehen, wo wir in unserm Silberschmucke prangen?" — — Schön waren die Gletscher noch in dieser Jahreszeit; denn Schnee deckte nicht nur die Höhen, er deckte sie so tief herab, als sie unsern Blicken blosgestellt waren. — Die vierte Seite des Thales war von der See umgeben, die in unendlicher Ferne mit dem Himmel verschwamm. Viele Buchten schnitten in das Land, die dann eben so viele Seen zu bilden schienen.
Der Pfad war gut, so daß wir größtentheils schnell reiten konnten, und höchst selten trafen wir auf kleine Stellen, wo das isländische Pferd seine Geschicklichkeit und seinen Scharfsinn erproben konnte. Mein Pferd war fromm und gut; es trug mich vollkommen sicher über Steingerölle und Felsenrisse; was ich aber durch seinen Trapp litt, ist nicht zu beschreiben. — Man sagt, für Leberkranke sei das Reiten sehr zweckmässig. Es ist möglich, aber auf solch einem Edel-Pferde, und noch dazu