Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
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Ueberdieß hat so ein armer Priester oft noch zwei bis vier Districte zu versehen, die 1 bis 3 Meilen von seinem Wohnsitze entfernt sind. Er muß jeden Sonntag abwechselnd an dem einen oder dem andern Orte den Gottesdienst verrichten, so zwar, daß der Gottesdienst nur alle 3-4 Wochen an einer und derselben Stelle abgehalten wird. — Jedoch darf es der Priester mit seinen Reisen nicht so genau nehmen wie der Arzt, denn ist das Wetter an Sonntagen, besonders im Winter gar zu schlecht, so unterläßt er es die entlegenen Orte zu besuchen. Er würde ohnehin nur für einige Bauern predigen, da die Entfernteren sich ebenfalls nicht einfänden.
Am besten steht der Sysselmann — bei uns so viel als Kreishauptmann. — Der hat einen guten Gehalt und nicht viel zu thun, und an manchen Orten auch das Strandrecht, welches durch das angeschwemmte Holz, das von dem amerikanischen Festlande kömmt, nicht unbedeutend wird.
Fischfang und Jagd sind frei, nur der Lachsfang in den Flüssen ist königlich und wird verpachtet. — Eidergänse dürfen nicht geschossen werden; es ist darauf eine Geldstrafe gesetzt. — Militärpflichtigkeit ist keine. Auf der ganzen Insel bedarf man keines Soldaten, selbst in Reikjavik sind nur zwei Polizeidiener vorhanden.
Der Handel ist ebenfalls frei; — doch besitzen die Isländer so wenig Spekulationsgeist, daß, wenn sie auch die Geldmittel dazu besäßen, sie sich doch nie in solche Spekulationen einlassen würden.
Der ganze Handel liegt also in den Händen dänischer Kaufleute, die alljährlich ihre Schiffe nach Island schicken, und in den verschiedenen Häfen Faktoreien errichtet haben, durch welche der Kleinabsatz geschieht.
Diese Schiffe bringen den Isländern Alles: Getreide, Holz, Weine, Colonial- und Manufactur-Waaren u.s.w. Die Einfuhr ist frei. Es würde sich der Regierung nicht lohnen, für den kleinen Bedarf dieser Insel Zölle zu errichten und Beamte zu erhalten. Colonial-Artikel, Weine u.s.w. sind daher auch bedeutend wohlfeiler als in andern Ländern.
Die Gegenfracht besteht in Fischen — besonders Stockfischen — in Fischrogen, Talg, Thran, Eiderdunen, oder andern Vogelfedern, die den Eiderdunen an Güte sehr nahe kommen, in Schafwolle und eingesalzenem oder geräuchertem Lammfleische. — Sonst haben sie aber auch durchaus nichts; denn als Herr Knudson vor dreizehn Jahren ein Backhaus errichtete, [Dieses Backhaus ist das einzige in Island; man bekommt so gutes Brod und Zwieback als in Dänemark.] mußte er nicht nur den Baumeister, sondern sogar alle Baumaterialien, als Steine, Kalk u.s.w. von Kopenhagen bringen lassen, denn obwohl die ganze Insel mit Steinmassen und Gerölle überdeckt ist, finden sich doch darunter weder solche Steine, aus denen man einen Backofen erbauen könnte noch solche, aus denen sich Kalk brennen ließe. — Alles ist Lava.
Wenn zwei bis drei Kothen beisammen stehen, so nennt man das schon einen Ort. Diese Orte, so wie auch einzelne Kothen, liegen meist auf kleinen Anhöhen, welche von Wiesen umgeben sind. Die Wiesen werden häufig von einer zwei bis drei Fuß hohen Stein- oder Erdwand umschlossen, um sie gegen das Weiden der Kühe, Pferde und Schafe zu schützen. Das Gras von diesen Wiesen wird zu Heu gemacht, und für die Kühe auf den Winter gespart.
Ueber die Kälte im Winter klagen die Leute nicht sehr; sie soll selten 20 Grade erreichen, und die See soll oft kaum einige Fuß breit an der Küste gefroren sein. Dagegen sollen aber die Stürme und das Schneegestöber oft so heftig und furchtbar sein, daß man kaum vor die Thüre des Hauses treten kann. — Die Tageshelle währt kaum 5 bis 6 Stunden, und die armen Isländer werden nur mit dem Nordlichte entschädiget, das sich hier aber auch ungemein ausbreiten, und die Nächte wunderbar erleuchten soll.
Der dießjährige Sommer war einer der schönsten, den man seit Jahren erlebt hatte. Der Thermometer wies im Monat Juni um die Mittagsstunde mehrmalen auf 20 Grade Hitze. Die Einwohner fanden diese Hitze so unerträglich, daß sie behaupteten, während des Tages weder arbeiten, noch größere Botengänge verrichten zu können. Das Heumachen fingen sie an solchen Tagen erst des Abends an, wo sie dann die halbe Nacht hindurch arbeiteten.
Sehr bedeutend ist der Wechsel der Witterung. So hatten wir den einen Tag 20 Grad Wärme, den folgenden fiel Regen ein, und der Thermometer sank auf 5 Grade. Am 5. Juni hatten wir noch des Morgens um 8 Uhr sogar einen Grad Kälte. — Merkwürdig ist es, daß die Donnerwetter in Island im Winter erscheinen; — im Sommer soll es keine geben.
Vom 16. oder 18. bis Ende Juni ist es fortwährend Tag. Da scheint die Sonne gerade nur auf kurze Zeit hinter einen Berg zu treten, und bildet zu gleicher Zeit Abend- und Morgenröthe, Auf einer Seite erbleicht der letzte Strahl, um auf der andern Seite mit frischem Feuer wieder hervorzubrechen.
Ich war vom 15. Mai bis 29. Juli in Island, ging nie vor eilf Uhr zu Bette, und hatte nie ein Kerzenlicht nöthig. — Im Mai, eben so auch wieder in der letzten Hälfte des Monats Juli dämmerte es ungefähr 1 bis 2 Stunden, — finster aber wurde es nie. Ja selbst in den letzten Tagen meines hiesigen Aufenthaltes konnte ich bis halb eilf Uhr lesen. Anfangs kam es mir ganz sonderbar vor, bei hellem Tage zu Bette zu gehen. Ich gewöhnte mich jedoch recht gut daran, und bald war, wenn es gegen eilf Uhr ging, kein Sonnenlicht mehr kräftig genug, mich um den Schlaf zu betrügen. — Am meisten ergötzte es mich, Abends, so nach zehn Uhr, nicht bei schwachem Mondesschimmer, nein — bei vollem Sonnenschein spazieren zu gehen.
Viel schwerer als an die Sonne, war es mir mich an die Kost zu gewöhnen. — Die Frau des Bäckers verstand zwar die Küche, nach isländisch und dänischer Art, sehr gut zu führen; aber leider ist eben diese ganz anders, als die unsrige. Nur eines war gut, der Morgen-Kaffee mit Rahm (Schmetten) [Rahm wird das Obers oder der Schmetten schon in Hamburg genannt, und in Island verstand man dieses Wort auch noch.]; an dem hätte selbst der feinste Gutschmecker nichts auszusetzen gefunden; ich habe aber auch seit meiner Abreise von Island keinen solchen Kaffee mehr getrunken. — Da hätte ich meine lieben Wienerinen herbei gewünscht. — Der Rahm war so dick, daß ich das erste Mal meinte, man habe mich falsch verstanden, und mir sauren gebracht. Die Butter, welche aus der isländischen Kuh- oder Schafmilch erzeugt wird, sieht eben nicht sehr einladend aus; sie ist weiß wie Schweineschmalz, — der Geschmack ist jedoch gut und süß. Die gemeinen Isländer finden ihn aber zu wenig pikant, und vermengen daher die Butter gewöhnlich mit Thran. Ueberhaupt spielt der Thran in der isländischen Küche eine große Rolle; der isländische Bauer hält ihn für den kostbarsten Artikel und ist im Stande, ganze Stücke davon ohne Brod oder sonstigen Imbiß zu verzehren.
Die Mittagstafel mundete mir durchaus nicht; Sie bot zwei Gerichte, das erste bestand aus abgekochtem Klippfisch, Dorsch oder Flachfisch, — dazu kam Essig, und statt des Oeles zerlassene Butter, — das zweite aus abgekochten Kartoffeln. Leider bin ich keine Freundin von Fischen, und nun waren diese meine tägliche Kost, — Ach! wie seufzte ich nach einer Rindsuppe, nach einem Stückchen Fleisch, nach Gemüse; — vergebens! So lange ich in Island war, mußte ich meiner vaterländischen Kost ganz und gar entsagen.
Und mit den abgekochten Fischen und Kartoffeln ging es mit der Zeit doch noch so ziemlich gut, — wenn nur nicht die Leckergerichte gekommen wären! — Arme Frau Bernhöft, — sie meinte es stets so gut mit mir, — und es ist ja nicht ihre Schuld, daß in Island anders gekocht wird, als bei uns aber — — den Leckergerichten konnte ich durchaus keinen Geschmack abgewinnen. — Sie waren verschieden. Die einen bestanden aus einem Gehacke von Fischen, harten Eiern und Kartoffeln, über welches eine braune, dicke Brühe gegossen wurde, die zu gleicher Zeit gepfeffert, gezuckert und gesäuert war, — oder aus Kartoffeln, in Butter und Zucker geröstet, — oder aus fein gehacktem Kohl, der durch Wasser sehr verdünnt und mit Zucker gewürzt wurde, dazu kam ein Stück geräuchertes Lammfleisch, das einen höchst unangenehmen böcklichen Geruch hatte.
An einem Sonntage bekamen wir manchmal rothe Grütze, welches eigentlich ein skandinavisches Gericht ist, und aus feinerm Sago besteht, der in rothem Wein oder saurem Johannisbeerensaft zu einem Gelee (Gallert)