Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
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Endlich nach ein einer halben Stunde kamen wir in ein Thal. — Da lag in der Mitte einer ziemlich frischen Wiese ein für Island recht ansehnlicher Bauernhof, [So viel, als in unserm Lande ein Pacht - oder Freihof.] und unweit davon ein ganz kleiner See. Ich wagte nicht zu fragen, ob dieß der große See Vatne, und ob dieß die herrliche Gegend sei? Man hätte wahrscheinlich meine Frage für Ironie gehalten. —
Um so mehr erstaunte ich, als Herr v. H. diese Landschaft für herrlich, den Anblick des Sees für hinreissend erklärte. — Ganz begeistert stimmte ich bei, noch nie eine schönere Gegend, noch nie einen grösseren See gesehen zu haben.
Hier wurde nun Halt gemacht, und bald lagerte sich die Gesellschaft auf die Wiese. Während nun Anstalten zu einem frölichen Mahle getroffen wurden, begann ich meine Wißbegierde zu befriedigen.
Vor Allem fesselte das Bauernhaus meine Aufmerksamkeit. — Ich fand darin eine große und zwei kleine Stuben, eine Vorrathskammer, und ausgedehnte Stallungen, von welchen man auf den bedeutenden Viehstand des Eigners schließen konnte. Ich erfuhr später, daß dieser fünfzig Schafe, acht Kühe und fünf Pferde besaß, und für einen der wohlhabendsten Besitzer in der ganzen Umgebung gehalten wurde. Die Küche befand sich ganz am Ende des Gebäudes, der Schornstein in derselben schien aber nur ein Schutzmittel gegen Regen und Schnee zu sein, denn der Rauch verbreitete sich in der ganzen Küche, räucherte die aufgehangenen Fische, und stieg nur theilweise und äußerst langsam dem Luftloche zu.
n dem großen Gemache stand eine hölzerne Bücherstelle, die bei vierzig Bücher enthielt. Ich blätterte sie durch, und brachte, trotz meiner geringen Kenntniß der dänischen Sprache, doch so viel heraus, daß sie größtentheils religiösen Inhaltes waren. — Doch auch Gedichte schien der Bauer zu schätzen; ich las die Namen Kleist, Müller und selbst Homers Odyssee. — Von den isländischen Büchern verstand ich nichts; als ich mich aber nach dem Inhalte derselben erkundigte, sagte man mir, daß sie Alle von religiösen Gegenständen handelten.
Nach dieser Musterung ging ich auf die Wiese, um Blumen und Kräuter zu suchen; von ersteren fand ich in dieser Jahreszeit noch Unbedeutendes, von letzteren etwas mehr, und sogar einigen wilden Klee. — Schmetterlinge oder Käfer sah ich keine, hörte aber zu meiner nicht geringen Verwunderung zwei wilde Bienen summen, und war auch so glücklich eine davon zu erhaschen, die ich mit nach Hause nahm, und in Spiritus setzte.
Nun kehrte ich wieder zu meiner Gesellschaft zurück, die noch immer wohlgemuth auf der Wiese um einen Tisch lagerte, der mittlerweile reichlich mit Butter, Käse, Brod, Kuchen, Lammsbraten, Rosinen, Mandeln, einigen Orangen und Wein besetzt war. — Stühle oder Bänke waren keine vorhanden, denn selbst wohlhabende Bauern besitzen höchstens in ihren Zimmern an Ort und Stelle festgenagelte Bänke; — wir saßen alle auf dem Rasen, und sprachen dem köstlichen Kaffee, der das Mahl eröffnete, tüchtig zu. — Fröhlichkeit und Scherz herrschten dabei in solchem Maße, daß ich unter lebhafte Italiener und nicht unter kalte Nordländer gerathen zu sein dachte. —
Auch Witz mangelte nicht; nur war dießmal ich Unglückliche die Zielscheibe desselben. — Und was war Schuld daran? — Meine alberne Bescheidenheit. Das Gespräch wurde dänisch geführt; — einige Mitglieder der Gesellschaft sprachen zwar deutsch oder französisch, allein ich benützte absichtlich ihre Sprachkenntnisse nicht, um sie ihren heitern Gesprächen nicht zu entziehen. Still und ruhig saß ich in ihrer Mitte, und fand reichlichen Ersatz an ihrer Munterkeit. Doch dieß Benehmen wurde wohl als Albernheit gedeutet, denn bald entnahm ich ihren Reden, daß sie mich mit dem steinernen Gaste aus Mozarts „Don Juan", verglichen, — Hätten die guten Leute die wahre Ursache meines Schweigens geahndet, würden sie mir gewiß nur Dank dafür gezollt haben.
Während wir bei unserm Mahle sassen, vernahm ich vom Bauernhause her, einen isländischen Gesang. — Er glich in der Ferne dem Gesumme einiger Bienen; in der Nähe klang er eintönig, schleppend und melancholisch.
Als wir uns zum Abschiede anschickten, reichte der Bauer, sein Weib und seine Knechte Jedem von uns die Hand. Dieß ist der übliche Gruß gegen so hohe Personen, wie wir in unserer Gesellschaft zählten, Der ganz eigenthümliche Gruß besteht in einem recht herzhaften Kusse. —
Zu Hause angekommen fühlte ich die Wirkungen des starken Kaffee's; ich konnte nicht schlafen, und so hatte ich volle Zeit, genaue Bemerkungen über die Tageslänge und die Dämmerung anzustellen. — Bis eilf Uhr Nachts konnte ich in meinem Stübchen gewöhnlichen Druck lesen. — Von eilf bis ein Uhr dämmerte es, doch nie so stark, daß ich im Freien nicht hätte lesen können. Im Zimmer nahm ich auch den kleinsten Gegenstand, ja die Stunde auf meiner Taschenuhr wahr. Um ein Uhr konnte ich schon wieder im Zimmer lesen.
Nach Vidöe.
Die kleine Insel Vidöe, eine Meile von Reikjavik entfernt, wird in den meisten Reisebeschreibungen als Hauptaufenthalt der Eidergänse bezeichnet. — Ich besuchte sie am achten Juni, ward aber in meinen Erwartungen getäuscht. Ich sah zwar viele an den Abhängen der Wiesen, zwischen Felsstücken u.s.w. ruhig auf ihren Nestern sitzen, allein von Tausenden war da wohl keine Rede. Ich mochte im Ganzen vielleicht über einhundert bis einhundertfünfzig Nester gesehen haben.
Das Merkwürdigste ist die Zahmheit der Eidergänse während ihrer Brütezeit. — Ich habe immer die Erzählungen davon für Fabeln gehalten, und würde es jetzt noch thun — hätte ich mich nicht selbst davon überzeugt und meine eigenen Hände auf sie gelegt, — ja ich konnte ganz zu ihnen hintreten, und sie liebkosen, ohne daß sie von ihrem Neste aufflogen. — Manche verließen es zwar, wenn ich sie berühren wollte, aber sie flogen doch nicht auf, sondern spazierten ganz gemächlich einige Schritte vom Neste weg, und blieben da sitzen, bis ich mich wieder entfernte. Diejenigen aber, die schon lebendige Junge hatten, schlugen, wenn ich mich ihnen näherte, mit den Flügeln kräftig um sich, hauten mit dem Schnabel nach mir und ließen sich eher aufheben, als daß sie vom Neste wichen. Sie haben ungefähr die Größe unserer Enten; ihre Eier sind grünlich grau, etwas größer als Hühner-Eier und schmecken sehr gut. Sie legen im Ganzen gegen eilf Eier. Die feinsten Dunen sind jene, mit welchen sie das erstemal ihr Nest ausfüttern, und sehen ganz dunkelgrau aus. Die Isländer nehmen die Dunen sammt den erstgelegten Eiern weg. — Nun beraubt sich der arme Vogel abermal einer Portion Dunen, die aber schon nicht mehr von so zarter Qualität sind, wie die ersten, und legt abermal einige Eier. Auch dießmal wird ihm Alles genommen, und erst wenn er zum drittenmal das Nest mit seinen Dunen ausgefüllt, und einige Eier gelegt hat, wird er in Ruhe gelassen. — Die Dunen der zweiten und besonders der dritten Gattung sind viel lichter als jene der ersten. — Ich war ebenfalls so grausam, aus einigen Nestern etwas Dunen und ein Paar Eier zu nehmen. Die gefährliche Einsammlung der Dunen und Eier, zwischen Klippen und unzugänglichen Felsen, an denen sich die Leute nur mittelst Stricke und mit Gefahr des Lebens hinab lassen oder herauf ziehen können , sah ich nicht, da es in der Umgebung von Reikjavik keine so halsbrecherischen Stellen gibt.
Lachsfang.
10. Juni.
Einen ebenfalls sehr nahen Ausflug (eine halbe Meile) machte ich in Gesellschaft Herrn Bernhöfts und seiner Tochter nach dem Larselv (Lachsstrom) um dem Lachsfange beizuwohnen, der vom halben Juni bis halben Angust alle Wochen einmal statt findet. Er geschieht auf eine sehr einfache Art, Die Fische begeben sich nämlich zur Laichzeit in den Strom, und da wird dann dieser mit einigen leicht aufgeschichteten ungefähr drei Fuß hohen Steinwänden durchzogen, und ihnen dadurch der Rückweg zur See abgeschnitten. Kömmt nun der Tag,