Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
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Uebrigens versicherte man mich, daß ich auf allen meinen künftigen Reisen in diesem Lande keine ähnlichen Stellen mehr finden würde, und somit bin ich mit den Wegen Islands vollkommen ausgesöhnt, denn selbst auf dieser Tour, die beständig über Lavafelder führte, waren weiterhin die Pfade meistens gut.
Nachdem wir nun schon bei sechs Meilen zurückgelegt hatten, kamen wir endlich in ein freundliches Thal, und bald sahen wir, sowohl dem Thale, als auch den es umgebenden Höhen kleinere und größere Rauchwolken entsteigen. — Dieß waren die Schwefel-Quellen und Schwefel-Berge.
Kaum konnte ich erwarten, das noch eine halbe Meile entfernte Krisuvik zu erreichen. — Einige ganz unbedeutende Seen waren noch zu passiren; endlich um 6 Uhr Abends gelangten wir an Ort und Stelle.
Seit früh Morgens hatte ich nichts genossen, als ein Stückchen Brod und etwas Käse; — dennoch gönnte ich mir nicht die Zeit erst Kaffee zu kochen; ich stieg vom Pferde, nahm meinen Führer und trat alsogleich die Wanderung nach den rauchenden Bergen an. — Anfangs führte der Weg über sumpfige Stellen und Wiesengrund, bald ging es aber an das Besteigen der Berge, das durch den elastischen, nachgebenden Boden sehr beschwerlich wurde. — Jeder Fuß drückte sich tief ein, und man mußte sehr besorgen, irgendwo einzubrechen, was in der Nähe dieser dampfenden und kochenden Quellen durchaus nicht angenehm gewesen wäre. — Endlich erreichte ich die Höhe, und sah ziemlich viele Becken voll kochenden Wassers, und auf allen Seiten, auf den Höhen und in den Thälern aus zahllosen Ritzen Dampfsäulen aufsteigen. Besonders aus einer Ritze eines Berges wirbelte eine gar mächtige Dampfwolke empor. — Auf der Seite des Windes konnte ich dieser Stelle ganz nahe kommen. — Der Boden war nur hie und da lauwarm, und ich konnte mehrere Augenblicke die Hand an die Spalten halten, aus denen der Dampf hervor quoll. Von einem Krater war nichts zu sehen. — Das Brausen und Zischen des Dampfes und das Lärmen des Windes verursachten ein solch betäubendes Geräusch, daß ich froh war, bald wieder andern Boden unter meinen Füßen zu fühlen, und diesen Ort verlassen zu können. Es war mir als ob in dem ganzen Berge Alles kochte und sötte.
Die Aussicht von diesen Höhen war sehr schön; ich sah viele Thäler, Gebirge über Gebirge, und sogar jenen in dem Lavameere einzeln stehenden schwarzen Berg , an dem ich vor fünf bis sechs Stunden vorüber geritten war.
Nun stieg ich in das Thal hinab; das Lärmen und Brausen hörte ich schon nach einigen hundert Schritten nicht mehr. — Ich dachte, das Wunderbarste nun schon gesehen zu haben , doch kam mir auch hier unten im Thale noch manches Merkwürdige vor. — Da war ein Becken, von vielleicht fünf bis sechs Fuß im Durchmesser, angefüllt mit beständig aufkochendem Brodem.— Dieser Brodem glich vollkommen einer feinen , lichtgrauen, im Wasser aufgelösten Lehmmasse.
Aus einem andern Becken, von höchstens zwei Fuß im Durchmesser, wirbelte fortwährend eine Dampfsäule mit solchem Getöse und solcher Gewalt auf, daß ich wie betäubt zurück wich und jeden Augenblick die Decke gesprengt zu sehen vermeinte. Dieses Becken liegt in einem Winkel des Thales , und ist auf drei Seiten von Hügeln rings umschlossen. — Rings herum sprudelten noch mehrere heiße Quellen; doch sah ich aus keiner Wassersäulen hervorsteigen, und mein Führer versicherte mich auch, daß eine solche Erscheinung hier nie statt habe.
Das Betreten dieser Stellen ist noch viel gefährlicher, als jener auf den Bergen. Trotz der größten Vorsicht sinkt man oft bis über die Knöchel ein, und zieht erschrocken den mit Brodem bedeckten Fuß zurück; an der Stelle selbst steigt dann Rauch und heißer Brodem oder kochendes Wasser empor.
Ich ließ freilich meinen Führer voraus gehen, der immer mit einem Stocke den Weg untersuchte, aber dennoch einmal bis über die halbe Wade einsank. — Diese Menschen scheinen indessen an dergleichen Gefährlichkeiten so gewöhnt, daß sie sich wenig daraus machen. — Er ging ganz phlegmatisch zur nächsten Quelle, und reinigte seine Kleider vom Brodem. — Ich folgte seinem Beispiele, da auch ich bis über die Knöchel damit bedeckt war.
Zu dieser Excursion sollte man eigentlich 5—6 Fuß lange Bretter mitnehmen, um sie über die gefährlichsten Stellen legen zu können.
Um neun Uhr Abends, bei noch vollem Sonnenscheine kam ich wieder nach Krisuvik. — Nun erst nahm ich mir Zeit, diesen Ort genauer zu betrachten, und fand, daß er aus einer kleinen Kirche und einigen elenden Hütten bestand.
Ich kroch in eine dieser Höhlen, die so finster war, daß ich lange Zeit stehen mußte, bis ich etwas unterscheiden konnte; — das Licht fel nur durch eine ganz kleine Oeffnung herein. Ich traf da einige Personen, die an einem in Island sehr häufig vorkommenden Aussatze, Namens Lepra, litten; Kopf und Hände waren schon mit diesem Ausschlage bedeckt. Verbreitet er sich über den ganzen Körper, so siecht der Kranke langsam dahin, zehrt immer mehr ab, und ist unrettbar verloren.
Die Kirchen dienen in diesem Lande nicht bloß zum Gottesdienste, sondern auch als Magazine für Lebensmittel, Geräthschaften, Kleidungsstücke u.s.w. und als Nachtquartier für Reisende.
Ich glaube kaum, daß selbst bei den rohesten Völkern eine solche Entweihung heiliger Gebäude statt habe. — Man sagte mir zwar, daß diese Mißbräuche jetzt abgeschafft werden sollten. — Dieß hätte aber schon lange geschehen können, und scheint auch jetzt nur beim Sollen zu bleiben; denn wo ich hin kam, stand mir die Kirche als Nachtherberge zu Diensten, und in Jeder fand ich Fische, Talg und weiß Gott, was noch für gestankverbreitende Dinge aufgespeichert.
Das hiesige Kirchlein ist 22 Fuß lang und 10 Fuß breit; erst bei meiner Ankunft wurde es in Stand gesetzt, mich beherbergen zu können. Man warf Pferdesättel, Stricke, Kleider, Hüte und andere herumliegende Geräthschaften in einen Winkel, brachte Kotzen und einige recht hübsche weiche Federkissen, und bereitete mir auf einer, zur Aufbewahrung der Meßkleider, Altartücher u.s.w. dienenden Kiste eine ziemlich gute Lagerstätte.
Gerne hätte ich mich nun da eingeschlossen, mir mein frugales Nachtmahl bereitet, und dann vor meinem Schlafengehen noch ein wenig an meinem Tagebuche geschrieben; doch daran war nicht zu denken. Sämmtliche Bewohner des kleinen Ortes wollten mich sehen; Alt und Jung strömte in das Kirchlein, Alles umringte und betrachtete mich.
So unangenehm mir dieses Begaffen war, mußte ich es mir doch gefallen lassen; denn das Wegjagen hätte die guten Leute doch gar zu sehr gekränkt. — Ich fing also trotz dem an, meinen kleinen Quersack auszupacken, Kaffee auf Spiritus zu kochen u.s.w. Da steckten sie alle ihre Köpfe zusammen, bewunderten ganz besonders die Art des Kaffeekochens, und verfolgten jede meiner Bewegungen mit den Augen. — Nachdem ich mein frugales Abendmahl verzehrt hatte, wollte ich die Ausdauer meines Publikums auf die Probe stellen, nahm mein Tagebuch zur Hand, und fing an zu schreiben. — Einige Minuten verhielten sie sich so ziemlich stille, dann aber sagte Eines zum Andern: „Sie schreibt, sie schreibt." — Dieß wiederholten sie beständig, und trafen durchaus keine Anstalt, mich zu verlassen; ja ich glaube, heute noch könnte ich dort sitzen, ohne sie aus meiner Nähe geschrieben zu haben. Nach einer vollen Stunde ward es mir doch endlich gar zu viel, und ich ersuchte meine liebenswürdigen Zuseher mich zu verlassen, da ich schlafen gehen wolle.
Meine Nachtruhe war eben nicht sehr erquickend. — Sich so ganz allein in einer Kirche zu wissen, inmitten eines Friedhofes, ist denn doch etwas unheimlich. — Dazu erhob sich nach Mitternacht solch ein fürchterlicher Sturm, daß die schwachen Holzwände von allen Seiten krachten und knarrten, als würden sie aus ihren Fugen gerissen. — Auch die Kälte war ziemlich fühlbar; denn mein Thermometer wies in der Kirche nur auf zwei Grad Wärme. — Ich dankte Gott innig, als der Tag und die Stunde der Abreise heran nahte. —
5. Juni.
Vor