Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
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Der Pastor zu Thingvalla, Herr Bech, bot mir zur Nachtherberge seine Hütte an, die aber eben nicht viel besser aussah, als jene der nachbarlichen Bauern, und so zog ich es vor, mich in der Kirche einzuquartiren, wozu man stets nur zu bereitwillig Erlaubniß erhält. Dieß Kirchlein ist nicht viel größer als jenes zu Krisuvik, und steht von den paar Kothen etwas entfernt. Dieß mag vielleicht Ursache gewesen sein, daß ich keine lästigen Besuche erhielt. Mit meinen stummen Nachbarn im kühlen Grabe war ich auch schon vertrauter geworden, und so verbrachte ich die Nacht recht ruhig auf einer der hölzernen Kisten, die ich da vorfand. Ueberall ist nur der Anfang schwer; hat man einige so düstere Nächte überwunden, so achtet man kaum mehr darauf.
17. Juni.
Unsere heutige Station war noch stärker als die gestrige. Wir hatten, wie man mir sagte, bis Reikholt (auch Reikiadal genannt) eilf volle Meilen zu machen. — Nach der Karte kann man die Entfernungen nicht immer genau bemessen; es thürmen sich oft unwegsame Gegenden dazwischen auf, die man nur in großen Umkreisen umgehen kann. So war es auch heute der Fall. Nach der Karte hätte man denken sollen, daß die Entfernung von Thingvalla nach Reikholt viel geringer sei, als jene von Reikiavik nach Thingvalla, und doch ritten wir über 14 Stunden. — um zwei Stunden länger als bei unserer gestrigen Tour.
So lange der Weg durch das Thal Thingvalla führt, hat man der Abwechslungen mehrere. Bald hat man einen Arm des Flußes Oxer zu übersetzen, bald sieht man eine artige Wiese und bald kömmt man sogar durch kleine Waldpartieen, d. h. nach der Isländer Meinung; — denn bei uns zu Lande würde man dergleichen reizende Partieen für unnützes Gestrüppe ansehen, und ausrotten. Es wuchert am Boden fort, und erhebt sich kaum 2 bis 3 Fuß hoch. Erreicht einmal ein Stämmchen bei 4 Fuß, so gehört es schon zu dem Riesengeschlechte der Bäume. Der größte Theil dieser eingebildeten Wälder gedeiht auf der Lava, die das Thal überdeckt.
Die Lavabildung ist hier wieder anderer Art. Bisher hatte ich sie meist nur als Gerölle, oder in größeren Steinmassen, oder als Ströme über einander geschichtet gesehen, hier aber überdeckte sie den größten Theil des Bodens in der Form von flachen ungeheuren Felsplatten oder Felspartieen, die sich oft in Tiefen spalteten. Ich sah lange Klüfte von 8-10 Fuß Breite und 10-15 Fuß Tiefe. In diesen Spalten blühten die Blumen etwas zeitlicher, und auch das Farnkraut wuchs höher und üppiger als auf der rauheren Oberwelt.
Nachdem man das Thal Thingvalla durchzogen hat, wird die Reise sehr einförmig. Die weitere Gegend ist gänzlich unbewohnt; wir legten viele Meilen zurück ohne auf eine einzige Kothe zu stoßen. Von einem öden Thale kamen wir in das andere; alle waren mit lichtgrauem, gelblichem Lava-Gerölle überdeckt , stellenweise auch mit schönem feinem Sande, in welchem die Pferde bei jedem Schritte bis über den Huf einsanken. Die Gebirge, welche die Thäler umgaben, gehörten nicht zu den höchsten; selten, daß ein Jokul (Gletscher) aus ihnen hervor leuchtete. Die Berge sahen wie polirt; die Seiten waren vollkommen glatt und glänzend. Nur an manchen Bergen bildeten Lavamassen herrliche Gruppen, welche Säulentrümmern und Resten antiker Bauten glichen und an den glatten Wänden ganz eigenthümlich schön hervorragten.
Die Berge haben verschiedene Farben, sie sind schwarz, braun, grau, lichtgelb u.s.w.; und wunderbar machen sich die Schattirungen und Abstufungen dieser Farben im hellen Glanze der Sonnenbeleuchtung.
Nachdem wir neun Stunden unausgesetzt geritten waren, kamen wir auf einen sehr großen Moorgrund, der höchst spärlich mit Gras bewachsen war. Und dennoch war dieß der einzige Weideplatz, der uns auf der langen Strecke zwischen Thingvalla und hier vorkam. Wir machten also da zwei Stunden Rast, um unsern armen Pferden ein kärgliches Mahl zu gönnen. — Ganze Schwärme von kleinen Mücken, die Einem beinah in Mund, Nase und Augen flogen, machten diesen Aufenthalt zu einer wahren Qual.
Auf diesem Moorgrunde befand sich auch ein kleiner See, und hier war es, wo ich zum ersten Mal eine kleine Schaar von Schwänen sich niederlassen sah. Leider sind diese Thiere aber so außerordentlich scheu, daß sie sich bei der leisesten Annäherung eines Menschen mit Blitzesschnelle in die Lüfte heben. Ich mußte mich also begnügen diese stolzen Vögel immer nur von der Ferne zu betrachten. — Sie halten sich immer paarweise zusammen, und der größte Schwarm, den ich sah, bestand aus vier Paaren.
Schon seit meiner Ankunft auf Island hatte ich dessen Einwohner für ein etwas träges Volk gehalten; heute ward ich in dieser Meinung bestärkt, und zwar durch eine Kleinigkeit. — Der Moorgrund, auf dem wir Rast hielten, war durch einen schmalen Wassergraben von dem daran stossenden Lavafelde getrennt. Ueber diesen Graben lagen einige Steine und Platten, die eine kleine Brücke bildeten Nun war aber diese Brücke so voll Löcher, daß die Pferde nicht wußten, wohin sie den Fuß setzen sollten, und sich hartnäckig weigerten darüber zu schreiten, so daß wir absteigen und sie hinüber führen mußten. Kaum hatten wir diese Stelle passirt und uns gelagert, kam eine Caravane von 15 Pferden, die mit Brettern, trocknen Fischen, u.s.w. beladen waren. Die armen Thiere bemerkten natürlich auch die gefährlichen Stellen, und konnten nur durch derbe Peitschenhiebe gezwungen werden darüber zu setzen. Kaum zwanzig Schritte entfernt lagen Steine in Menge. Ehe aber diese trägen Menschen einige Minuten darauf verwendet hätten, die Löcher damit auszufüllen, prügelten sie lieber die Pferde durch, und setzten sie der Gefahr aus, den Fuß zu brechen. — Mich dauerten die armen Thiere, die künftig noch über diese Brücke ziehen werden, so sehr, daß ich, als die Leute schon weit entfernt waren, einige Zeit meiner Rast dazu verwendete, Steine zu holen, und die Löcher damit auszufüllen, — eine Arbeit, die kaum fünfzehn Minuten währte.
Interessant ist es zu beobachten , wie die Pferde jede gefährliche Stelle im Steingerölle, im Moore und in Sümpfen durch den Instinkt errathen. Kommen sie an dergleichen Stellen, so senken sie den Kopf zur Erde und spüren nach allen Seiten umher. Finden sie keinen sichern Halt für den Fuß, bleiben sie gleich stehen, und sind dann nur mittelst vieler Schläge vorwärts zu bringen.
Nach einer Rast von zwei Stunden setzten wir die Reise fort, und zwar abermals über lauter Lavafelder. Nach neun Uhr Abends kamen wir auf eine Hochebene und nachdem wir sie in einer halben Stunde durchritten hatten, sahen wir in das große zu unsern Füssen liegende Thal Reikholt oder Reikiadal, Es ist drei, vier Meilen lang, ziemlich breit und von einer Reihe Gebirge umfaßt, worunter auch mehrere Jokuls in ihrem eisigen Gewande prangen.
Ein ganz eigener, bezaubernd schöner Anblick ist in der wilderhabenen Natur Islands der Sonnenuntergang. — Ueber diese großen Thäler, ohne Baum und Strauch, die mit dunkler Lava überdeckt und mit beinahe schwarzen Bergen umgeben sind, verbreitet die scheidende Sonne eine wahrhaft magische Beleuchtung. Die Spitzen der Berge erglänzen in ihrem letzten hellschimmernden Lichte, die Jokuls sind mit dem zartesten Rosaschleier umhüllt, während die untern Theile der Berge im tiefen Schatten stehen und düster in die Thäler blicken, die einem weiten dunkelblauen Wasserspiegel gleichen, über welchem eine bläulich-röthliche Atmosphäre schwebt. Am ergreifendsten aber ist die Stille, die Einsamkeit, da hört man keinen Laut, da sieht man kein lebendes Wesen. Alles ist todt. — —
In den weiten Thälern sieht man kein Städtchen, kein Dörfchen, ja nicht einmal ein Häuschen, oder einen Baum, oder einen Strauch. Das Auge verliert sich in der unermeßlichen Einförmigkeit, und findet nicht den geringsten Gegenstand, an dem es haften könnte.
Heute Nacht, als wir nach eilf Uhr an den Rand der Hochebene gelangten, sah ich solch einen unvergeßlichen Sonnenuntergang. Die Sonne entschwand hinter den Bergen und an ihre Stelle trat eine glänzende Abendröthe, die Berg und Thal und Gletscher wundervoll beleuchtete. — Lange konnte ich mein Auge nicht ablenken von den herrlichen mit Glanz erfüllten Höhen und doch bot auch das Thal recht viel des Schönen und Merkwürdigen.
Das ganze lange Thal war beinah nur eine Wiese, an deren beiden äußersten Endpunkten Rauchsäulen aus kochenden Quellen empor qualmten. — Die Dünste waren so ziemlich verflogen und die Atmosphäre war so rein und klar, ja viel reiner und durchsichtiger, als sie