Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
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Oft und mit großem Vergnügen bestieg ich diesen Thurm, und stundenlang saß ich an den Fenstern, Gott und der Menschen Werke zu bewundern. Ermüdet und ermattet vom vielen Schauen, kehrte ist stets in meine Wohnung zurück. Ich glaube behaupten zu können, daß kein Punkt in der Welt ein ähnliches Bild darbietet oder sich mit ihm vergleichen kann. Wie sehr hatte ich recht, diese Reise jeder andern vorzuziehen. Hier ist eine andere Welt vor meinen Augen entfaltet. Alles ist anders: Natur, Kunst, Menschen, Sitten, Gebräuche und Lebensart. Hierher muß man kommen, wenn man etwas Anderes als das Alltägliche der europäischen Städte und ihrer Bewohner sehen will.
Der Bazar.
In die eigentliche Stadt Konstantinopel gelangt man auf einer großen, langen und breiten hölzernen Brücke, die über das goldene Horn führt. Die Stadt hat etwas bessere Gassen und Pflasterung, wie Pera. Reges Leben herrscht nur auf und in den Bazaren und am Meeresgestade. In den übrigen Gassen ist es ziemlich todt.
Der Bazar ist von unendlichem Umfange, mit bunten, gedeckten, sich durchkreuzenden Gassen, die das Licht von oben erhalten. Jeder Handelsartikel hat seine eigene Straße. In der einen sitzen lauter Goldarbeiter, in der andern die Schuhmacher, hier sieht man nichts als Seidenstoffe, dort wieder ächte Shawls u.s.w.
Jeder Kaufmann hat einen kleinen, offenen Kramladen, vor welchem er sitzt und die Vorübergehenden beständig zum Kaufen einladet. Wer etwas kaufen oder ansehen will, setzt sich auch vorne auf die Bude. Die Kaufleute sind sehr gutmüthig und gefällig; willig entfalten und zeigen sie ihre Schätze selbst wenn sie merken, daß man nicht im Sinne hat, Etwas zu kaufen. Ich stellte mir jedoch die Auswahl und Pracht der Waaren viel großartiger vor, als ich sie fand; das kommt aber daher, weil man die wahren Schätze der Kunst und Natur, als: ächte Shawls, Edelsteine, Perlen, kostbare Waffen, Goldstickereien u.s.w., nicht hier suchen darf; diese sind in Wohnungen oder Magazinen der Eigenthümer hinter Schloß und Riegel wohl verwahrt. Dorthin muß man wandern, wenn man das Vorzüglichste sehen will.
Am zahlreichsten sind die Gässen der Schuh- oder Pantoffelmacher. Da sieht man eine Pracht und einen Reichthum, den man sich nicht leicht vorstellen kann. Es gibt Pantoffeln, von denen das Paar 1000 Piaster [Ein Piaster gilt in der Türkei 5 Kreuzer C. M.], ja wohl noch mehr, kostet. Sie sind mit Gold gestickt und mit Perlen und Edelsteinen geziert.
Auf dem Bazar ist beständig eine so große Lebhaftigkeit, daß man Mühe hat, sich durchzudrängen, obwohl der Mittelraum sehr breit ist, und man nur selten Reitenden oder Fahrenden auszuweichen braucht. Allein die Bazare und Bäder sind die Versammlungs- und Unterhaltungsorte der türkischen Frauenwelt. Unter dem Vorwande des Kaufens oder Badens schlendern sie oft halbe Tage herum, und unterhalten sich mit Plaudern, mit Liebesabenteuern oder mit Waarenansehen.
Die Moscheen.
Der Eintritt in die Moscheen ist ohne bedeutende Kosten sehr schwer zu erhalten. Man muß sich einen Ferman lösen, der auf 1000 bis 1200 Piaster zu stehen kommt. Gewöhnlich ist ein spekulirender Lohndiener so vernünftig, in den größeren Gasthöfen sich nach Reisenden zu erkundigen, die die Moscheen zu besuchen wünschen. Er läßt sich von jeder Person vier bis fünf Colonati [Ein Colonati ist ein spanischer Thaler à 2 fl. C.M. ] bezahlen, verschafft sich den Ferman, und gewinnt oft bei diesem Geschäft vierzig bis fünfzig Gulden C.M. Die Gelegenheit, auf diese Art in die Moscheen zu kommen, bietet sich gewöhnlich einige Male im Laufe eines jeden Monats.
Auch ich hatte gedacht, Konstantinopel unmöglich verlassen zu können, ohne die vier Wunder-Moscheen Aja-Sofia, Sultan Achmed, Osmanije und Soleimanije gesehen zu haben.
Ich war so glücklich, gegen eine ganz kleine Gabe hinein zu kommen, und heute noch würde es mich reuen, wenn ich fünf Colonati dafür gezahlt hätte.
Für einen Architekten mögen diese Moscheen recht interessant seyn, aber für profane Menschen, gleich mir, ist nicht viel Anziehendes daran. Die Schönheit besteht gewöhnlich allein in den kühnen Wölbungen der Kuppeln. Im Innern sind sie leer, nur einige große Luster mit sehr vielen, ganz einfachen Glaslampen sind hin und wieder angebracht. Die Marmorböden sind mit Strohmatten bedeckt. In der Sofia stehen einige Säulen, welche von Balbek und Ephesus hieher gebracht wurden, und in einer Nebenabtheilung sieht man mehrere Sarkophage.
Wenn man in die Moschee geht, muß man entweder die Schuhe ausziehen, oder Pantoffel darüber nehmen. Die Vorhöfe, in welche Jedermann gehen darf, sind sehr groß, mit Marmorplatten gepflastert, und äußerst rein gehalten. In der Mitte steht ein Brunnen, wo sich der Muselmann Hände, Füße und Gesicht wäscht, ehe er die Moschee betritt. Rings um die Moschee läuft meistens eine offene Vorhalle, auf Säulen gestützt. Herrliche Platanen und Ahornbäume verbreiten vor denselben den angenehmsten Schatten.
Die Moschee Sultan Achmeds auf dem Hippodrom, ist von sechs Minarets umgeben. Die andern haben oft nur zwei, drei, höchstens vier an den Seiten.
Eine schöne lobenswerthe Einrichtung sind die Garküchen für Bedürftige, die ganz nahe an den Moscheen errichtet sind. Hier wird der arme Muselmann mit einfachen Gerichten als: Reis, Bohnen, Gurken u.s.w. auf Kosten des Staates gespeist. Sehr wunderte es mich, an dergleichen Orten kein Gedränge zu finden. Eine eben so zweckmäßige Einrichtung sind, da die Religion jedes hitzige Getränk verbietet, die überall befindlichen Brunnen mit reinem, gutem Wasser. An vielen solchen Brunnen sind eigens Diener angestellt, die nichts anderes zu thun haben, als zehn oder zwölf glänzend reine, messingne Trinkschalen stets mit diesem erfrischenden Nektar zu füllen, und jedem Vorübergehenden, er mag Türke oder Franke seyn, zu reichen. Bier- und Weinhallen findet man hier nicht. Wollte Gott, dieß wäre überall so. Wie mancher Teufel würde wenigstens kein armer seyn und wie viele blieben bei ihrer hellen Vernunft. Unweit der Osmanije-Moschee ist der
Sklaven-Markt.
Ich betrat ihn mit Herzklopfen, und bedauerte schon im voraus diese armen Geschöpfe. Wie erfreut war ich daher, sie nicht halb so traurig und verwahrlost zu finden, wie wir Europäer uns gewöhnlich vorstellen. Überall sah ich freundlich lächelnde Gesichter, aus deren Grimassen und Bewegungen man deutlich schließen konnte, daß sie über jeden Fremden ihre Glossen und Bemerkungen machten.
In einem großen Hofe laufen ringsherum kleine Kammern, in welchen die Sklaven wohnen. Bei Tage können sie im Hofe herumspazieren, sich gegenseitig besuchen und schwätzen nach Belieben.
Auf so einem Markte sieht man natürlich alle Farben-Abstufungen, von Lichtbraun bis ins Rabenschwarze. Die Weißen und ausgezeichnet schönen Schwarzen sind nicht dem Auge jedes Fremden preisgegeben. Sie werden besonders in den Wohnungen der Seelenverkäufer verwahrt. Die Bekleidung dieser Leute ist höchst einfach. Entweder haben sie nur ein großes Tuch, in welches sie sich einhüllen, oder sonst ein Stück von einer einfachen Kleidung, das den Körper nothdürftig bedeckt, und selbst dieses müssen sie ablegen, wenn ein Käufer erscheint. So lange sie in den Händen der Mäckler sind, werden sie freilich nicht am besten gehalten, sie sehen daher auch mit wahrer Freude dem Augenblicke entgegen, wo ihnen das Loos einen Herrn bestimmt. Dann ist ihr Schicksal gewöhnlich erträglich. Sie nehmen immer die Religion ihrer Herrschaft an, werden mit Arbeit nicht überhäuft, sind gut gekleidet und genährt, und werden nicht mißhandelt. — Auch Europäer kaufen Sklaven, dürfen sie aber nicht als solche betrachten und behandeln; von dem Augenblicke, als ein Sklave von einem Franken gekauft ist, erhält er seine Freyheit. Sie bleiben aber gewöhnlich bei ihrem Kaufherrn.
Das alte Serail ist natürlich für uns Europäer ein höchst anziehender Punkt. Mit der gespanntesten Neugierde begab ich mich dahin, um — abermal wieder viel weniger zu sehen und zu finden, als ich gehofft hatte.