Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer

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Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke - Ida Pfeiffer

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Feuer ausbricht, seine Habseligkeiten schnell hineinwerfen und fortschaffen kann. Zu diesem Zwecke macht man mit zwei oder drei Türken einen Vertrag, zahlt ihnen alle Monat eine Kleinigkeit, und dafür müssen sie zur Stunde der Noth erscheinen, um die gepackten Kisten und Koffer an sichere Orte zu schaffen und überall helfend zur Hand zu sein. Auf die Ehrlichkeit der Türken kann man sicherer bauen, als auf die der Christen und Griechen. Höchst selten soll ein Beispiel vorkommen, daß der Türke von dem ihm anvertrauten Gute Etwas entwendet. Die ersten Nächte erschrack ich vor jedem Lärm, besonders wenn der Wächter durch die Straße zog und mit dem Stocke auf die Steine stieß. Im Falle einer Feuersgefahr schlägt er an jedes Hausthor und schreit: „Feuer! Feuer!" — Gott sei Lob und Dank! ich erlebte keines.

      Scutari.

      Ich wählte zu dem Ausfluge nach diesem berühmten Begräbnißorte der Türken einen Freitag, um zugleich die schreienden Derwische besuchen zu können.

      Auf einem leichten Kaik [Fahrzeuge, die außerordentlich leicht gebaut sind und sehr gerne umschlagen, weßhalb man wie eine Statue darin sitzen muß; bei der leisesten Bewegung des Körpers, ja nur des Kopfes oder Armes, wird man von dem Fährmanne schon zurecht gewiesen.] durchschnitt ich, in Gesellschaft eines französischen Arztes, den Bosphorus. Wir fuhren an dem, einige hundert Schritte von der Küste Asiens im Meere stehenden, so viel besungenen Leander-Thurm vorüber und gelangten sehr bald an unser Ziel.

      Ein eigenes Gefühl ergriff mich, als ich zum ersten Male in meinem Leben einen andern Welttheil betrat. Es war mir, als ob ich jetzt erst getrennt — unendlich weit von meiner Heimath wäre. Später, als ich an Afrika's Küste landete, machte es nicht halb so viel Eindruck mehr auf mich.

      Nun stand ich also in dem Welttheile, aus dem der Mensch seinen Ursprung herleitet, in dem er hoch gestiegen und auch wieder so tief gefallen, daß ihn Gott in seinem gerechten Zorne bald für immer vertilgt hätte. Und hier in Asien war es wieder, wo Gottes Sohn erschien, um den gefallenen Menschen die Palme der Rettung zu reichen. Mein lang genährter, heißer Wunsch, diesen merkwürdigsten der Welttheile zu betreten, war nun erfüllt, und unter Gottes Hilfe hoffe ich mit froher Zuversicht auch jene Stellen zu erreichen, von welchen das wahre Licht der Menschheit ausging! —

      Scutari ist der Ort, nach dem der Muselmann mit dem Verlangen sieht, dort einst begraben zu werden. Kein anderer Glaubensgenosse darf da unter ihnen aufgenommen werden. Hier fühlen sie sich heimisch und ihres Propheten würdig. Es ist daher auch der großartigste Begräbnißort der Welt. Stunden lang kann man in diesem Cypressenwalde von Grab zu Grab wandeln, ohne das Ende zu erreichen.

      Auf den Grabsteinen der Männer sind Turbane, auf jenen der Frauen und Kinder sind Blumen und Früchte ausgemeißelt, meistens eine erbärmliche Arbeit.

      Die Hauptstraße und die Nebengassen sind in Scutari nicht eben, aber doch etwas besser gepflastert und nicht gar so enge, wie in Pera. — Ganz besonders schön nimmt sich die große Kaserne auf der Spitze im Vordergrunde aus, mit der wundervollen Aussicht nach dem Meere von Marmora und nach dem einzig schönen Bosphorus. Sie soll 10,000 Mann fassen.

      Die schreienden Derwische.

      Um 2 Uhr betraten wir den Tempel, ein elendes Hölzernes Haus. An der Andachtsübung kann jeder Muselmann Theil nehmen, er darf sich nicht erst zur Würde eines Derwisches emporgeschwungen haben. Ja Kinder von acht bis zehn Jahren reihten sich schon außerhalb des Kreises der Männer an, um sich bei Zeiten zu diesen Übungen geschickt zu machen.

      Der Anfang dieser Ceremonie ist eben so, wie bei den tanzenden Derwischen; sie haben Teppiche oder Thierfelle vor sich ausgebreitet und beginnen mit Bücklingen und Bodenküssen, dann stehen sie auf, und bilden mit den Laien gemischt, einen Kreis, worauf der Vorbether mit gellender Stimme die Gebete aus dem Koran vorschreit, und nach und nach die im Kreise Stehenden einfallen und mitschreien. In der ersten Stunde geht es noch etwas gelassen her, sie setzen öfters aus, um ihre Kraft nicht zu erschöpfen, die erst gegen das Ende im höchsten Anspruch genommen wird. Dann aber erscheint das Gräßlichste, was man nur sehen kann. Sie suchen einander im Schreien und Heulen zu übertreffen, und machen dabei alle nur denkbaren Bewegungen und Grimassen mit dem Körper, Kopf und Gesicht. Dieses Gebrüll, wie von wilden Thieren, diese gräßlichen Verzückungen und Verzerrungen machen diese Andachtsübung zu einem schaudererregenden Schauspiele.

      Sie stoßen mit den Füßen in den Boden, werfen den Kopf mit Blitzesschnelle vor- und rückwärts, und geberden sich gewiß ärger, als einst die vom Teufel Besessenen. Während dieser Übung legen sie die Kopfbedeckung, so wie auch nach und nach alle Kleidungsstücke, bis auf das Beinkleid und Hemd ab. Die beiden Oberpriester, welche im Kreise stehen, empfangen ein Stück nach dem andern, küssen es, und legen Alles zusammen an einen Ort. Die Priester geben mit den Händen den Takt, der nach der Entkleidung in ein immer schnelleres Tempo übergeht. Allen läuft der Angstschweiß in schweren Tropfen vom Gesichte, Einigen kommt sogar Schaum aus dem Munde. Am Ende ist das Gebrüll und Geheul so fürchterlich, daß es Ohren und Sinne betäubt.

      Einer dieser Wahnsinnigen stürzte leblos zu Boden. Die Oberpriester und einige aus dem Kreise eilten auf ihn zu, streckten seinen Körper aus, legten Füße und Hände kreuzweis über einander und bedeckten ihn mit einem Tuche.

      Der Herr Doktor und ich erschracken sehr, weil wir dachten, er sei vom Schlage getroffen. Doch freudig wurden wir überrascht, als er nach sechs bis acht Minuten plötzlich das Tuch von sich warf, aufsprang, und sich neuerdings in den Kreis stellte, um mitzuwüthen.

      Um 3 Uhr war alles geendet. Ich würde keinem nervenschwachen Menschen rathen, dieß Schauspiel anzusehen, er könnte es nicht aushalten. Ich dachte nicht unter vernünftigen Menschen, sondern unter lauter Rasenden und Besessenen zu seyn. Lange konnte ich nicht zu mir selber kommen und begreifen, daß der Wahnsinn des Menschen so weit gehen könne. Man sagt, daß sie vor dieser Übung Opium genössen, um sich recht zu exaltiren??! —

      Der Achmaidon.

      Der Achmaidon (Pfeilplatz) verdient, wenn man in der Zeit des Aufenthaltes nicht gar zu beschränkt ist, der schönen Aussicht wegen besucht zu werden. Dieß ist auch der Ort, den der Sultan manchmal mit seiner Gegenwart beehrt, um sich im Pfeilschießen zu üben.

      Auf einem leeren Platze ist eine einfache, gemauerte Tribüne errichtet, von welcher aus er Pfeile ohne Ziel und Sinn in die Weite schießt. Wo der Pfeil niederfällt, wird zur Verewigung dieser ausgezeichneten That eine Säule oder Pyramide gesetzt. Man sieht deßhalb auf diesem Platze nichts, als eine Menge solcher in höchster Unordnung dastehender verwitterter Monumente. — Unweit von diesem Orte ist ein kaiserl. Kiosk sammt Garten. Beide versprechen, von außen betrachtet, viel, und heißen, im Innern besehen, gar nichts.

      Der Thurm in Galata.

      Wer die reizende Lage von Konstantinopel im vollen Maße genießen will, besteige den Thurm in Galata nächst Pera, oder den Serasker in Konstantinopel. Ersterer verdient, nach meiner Meinung, den Vorzug. In diesem Thurme befindet sich ein Saal mit zwölf Fenstern in der Rundung, und von diesen Fenstern aus erblickt man Bilder, welche die kühnste Einbildungskraft nicht schöner zu schaffen vermag.

      Zwei Welttheile liegen vor uns an zwei Meeren ausgebreitet, die der Bosphorus verbindet. Die herrlichen Hügel mit ihren Städten und Dörfern, die Menge von Pallästen, Gärten, Kiosk's und Moscheen; Chalcedon, die Prinzen-Inseln, das goldene Horn, das ewige Leben auf dem Meere, die ungeheure Flotte nebst den vielen Schiffen anderer Nationen, das Gewühl der Menschen in Pera, Galata und Topana. — Alles dieß vereint, gewährt einen entzückenden Anblick. Die reichste Fantasie ist nicht im Stande, ein solches Gemälde hervorzubringen,

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