Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
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Am neunten Tage mußten sich die Männer in eine Reihe stellen, um sich der Musterung des Arztes zu unterwerfen. Da kam der alte Herr, eine Lorgnette in der einen, und einen Stock in der andern Hand haltend, und musterte die Truppe. Jeder mußte sich mit der Faust auf die Brust und in die Seite schlagen; fühlte er dabei keine Schmerzen, so war dies ein Zeichen der Gesundheit, indem sich an diesen Theilen des Körpers die ersten Pestbeulen bilden. An demselben Tage wurden auch wir Frauen in ein großes Zimmer geführt, wo ein wahrer Dragoner von einem Frauenzimmer unser harrte, und dieselbe Untersuchung mit uns anstellte. Doch dürfen sich weder Männer noch Frauen dabei entkleiden.
Einige Stunden später wurden wir an das hölzerne Gitter beschieden, das uns Verpestete von den Gesunden trennte, außerhalb desselben saßen einige Beamte, denen man den Betrag für Zimmer und Quardian zu entrichten hat, eine wahre Kleinigkeit. Mein Zimmer sammt der Bedienung kostete täglich nur drei Piaster. Doch wie gerne wurde jeder Reisende mehr geben, wenn er in dem Zimmer wenigstens einen Tisch und einige Stühle fände, und einen Quardian, der doch verstände, was man ihm sagt.
Die Reinlichkeit anbelangend, konnte man zufrieden seyn, sowohl Zimmer, als auch Stiegen und Hof wurden äußerst nett gehalten, ja der Letztere sogar täglich zweimal reichlich mit Wasser begossen. Von Insekten hatten wir gar nichts, von der Hitze nur wenig zu leiden. In der Sonne hatten wir nie über 33 Grad, und im Schatten nie über 22 Grad R.
17. August 1842.
Früh um 7 Uhr wurde endlich unser Käfig geöffnet. Nun stürmte alles herein; da kamen die Verwandten und Bekannten, die Abgesandten der Wirthe, die Träger und Eseltreiber, Alles war fröhlich und heiter, und Jedes fand eine befreundete oder bekannte Seele, nur ich allein stand freundlos und verlassen, Niemand drängte sich an mich, Niemand nahm Antheil an mir — nur die Abgesandten der Wirthe, die Träger und Eseltreiber, dieses blutige Geschlecht, das man überall findet, stieß und zankte sich um die arme Verlassene.
Ich packte meine Sachen zusammen, bestieg einen Esel und ritt zu ,,Colombier", einem der besten Gasthöfe in Alexandrien. Durch einen kleinen Umweg kam ich an den ,,Nadeln der Kleopatra" vorüber, zwei Obelisken von Granit, deren einer noch aufrecht steht, der andere in einer kleinen Entfernung im Sande liegt. Wir ritten durch ein elendes jämmerlich aussehendes Dorf; die Hütten waren aus Steinen zusammengefügt, aber so klein und niedrig, daß man kaum glauben sollte, ein Mensch könne darin aufrecht stehen. Die Thüren waren so niedrig, daß sich jeder bücken mußte, um hinein zu kommen. Von Fenstern konnte ich gar nichts entdecken. Und dieses elende Dorf lag in dem Stadtgebiethe, ja sogar inner den Stadtmauern, die einen so ungeheuern Kreis beschreiben, daß sie nicht nur die Stadt Alexandrien selbst, sondern noch mehrere solche kleine Dörfer, viele Landhäuser, einige Boskette und Friedhöfe umfangen.
In diesem Dorfe sah ich eine Menge Weiber mit dunkel-gelbbraunen Gesichtern, ärmlich und schmutzig, Alle in lange blaue Hemden gekleidet, vor den Häusern sitzen und arbeiten, oder sich mit den Kindern abgeben. Die Arbeit der Weiber bestand im Flechten von Binsenkörben und in Getreide aussuchen. Männer bemerkte ich nicht, sie waren vermutlich auswärts beschäftigt.
Ich ritt nun auf der sandigen Ebene, auf welcher ganz Alexandrien gebaut ist, fort, und befand mich plötzlich, ohne früher durch eine Gasse zu kommen, auf dem großen Platze.
Wie mich dieser Anblick überraschte, vermag ich nicht zu beschreiben; da standen lauter große, wunderschöne Häuser mit hohen Pforten, mit regelmäßigen Fenstern und Balkonen, wie in Europa, da rollten Equipagen, so schöne und zierliche, wie man sie nur immer in großen europäischen Städten sehen kann, und dazu dieses Treiben, diese Geschäftigkeit und Verschiedenartigkeit der Menschenmenge. Da gingen die Franken in ihrer heimathlichen Tracht, während man gleich neben ihnen den Turban und Feß des Orientalen entdeckte; unter halb nackten Beduinen und Arabern sah man die langen Frauengestalten in ihre blauen Hemden gehüllt. Da lief ein Neger mit dem Argilé hinter seinem Herrn, der auf stattlichem Roße dahin trabte; dort sah man Franken oder vermummte egyptische Damen auf Eseln reiten. Auf mich, die eben aus dem langweiligen Stillleben der Quarantaine kam, machte dieß alles einen gar mächtigen Eindruck.
Kaum im Gasthofe angelangt, eilte ich auf das österreichische Konsulat, wo mich der Herr Gubernialrath v. L. sehr gütig aufnahm. Ich ersuchte diesen Herrn, mir zu rathen, auf welche Art ich am ehesten meine Reise nach Kairo antreten könne, da ich mit dem englischen Dampfboote nicht fahren wolle, weil es für diese kleine Entfernung von ungefähr 100 Seemeilen fünf Pfund Sterling (beinahe 50 fl. C.M.) kostet. Der Herr Gubernialrath war so gütig, mir einen Platz auf einer arabischen Barke, welche noch denselben Abend nach Atfé abfahren sollte, besorgen zu lassen.
Auf dem Konsulate erfuhr ich auch, daß der Maler Herr Sattler vor einigen Tagen mit dem englischen Paketboot von Beirut angekommen und in der alten Quarantaine abgestiegen sei. Ich ritt in Gesellschaft eines Herrn hinaus und war sehr erfreut, ihn recht wohl aussehend zu treffen. Er kehrte so eben von seiner Reise nach Palästina zurück.
Die Anstalten der alten Quarantaine fand ich etwas besser; auch ist sie der Stadt näher, wodurch man leichter alle Bedürfnisse aus derselben erhalten kann. Auf der Rückkehr war mein Begleiter so gütig, mich durch einen bedeutenden Theil der Türkenstadt zu führen, die mir reinlicher und besser gebaut und gehalten vorkam, als alle bisher gesehenen Türkenstädte. Der Bazar ist nicht schön, und besteht aus hölzernen Buden, deren Inhalt ganz gewöhnliche Handelsartikel ausmachen.
An demselben Tage, als ich die Quarantaine verließ, ritt ich um 5 Uhr Abends an den Kanal des Nils, der vier und zwanzig Fuß breit und zwölf Stunden lang ist. Eine Menge Barken lagen da, auf deren einer für mich die kleinere Abtheilung der Kajüte bis Atfé um den Preis von fünfzehn Piastern gemiethet war. Ich nahm gleich von meinem Kämmerchen Besitz, richtete mich für die Nacht und den folgenden Tag ein, und wartete eine Stunde um die andere auf die Abfahrt. Spät Abends hieß es endlich, es würde heute gar nicht gefahren. Meine Sachen neuerdings wieder zusammen zu packen, den weiten Weg von beinahe einer Stunde nach dem Gasthofe zu machen, und dann des andern Morgens wieder zu kommen, war mir zu lästig; ich entschloß mich daher auf dem Schiffe zu bleiben, und verzehrte unter Beduinen und Arabern mein frugales, aus kalten Speisen bestehendes Abendmahl.
Des andern Tages sagte man mir von einer halben Stunde zur andern, es würde abgefahren, es kam aber noch immer nicht dazu.
Herr von L. hatte mir Nahrungsmittel und Wein mitgeben wollen, ich dachte aber schon diesen Mittag in Atfé zu seyn, und dankte ihm herzlich dafür. Nun hatte ich keine Lebensmittel, nach der Stadt getraute ich mich wegen der zu großen Entfernung nicht mehr zu gehen, und den Schiffleuten konnte ich mich nicht verständlich machen, daß sie mir etwas Brot und gebackenes Fleisch vom nahen Bazar bringen sollten. Endlich zwang mich der Hunger, ganz allein dahin zu wandern, ich drang durch das Volk, das mich zwar neugierig ansah, aber ungestört meinen Weg gehen ließ, und kaufte mir einige Eßwaaren.
In Alexandrien genoß ich seit meiner Abreise von Smyrna die erste Rindsuppe, so wie auch das erste Stückchen Rindfleisch. Das Weißbrot ist in Alexandrien und Egypten ausgezeichnet gut und schmackhaft.
Endlich um 4 Uhr Nachmittags fuhren wir ab. Die Zeit war mir ziemlich schnell vergangen, da es an diesem Kanale sehr lebhaft zuging. Barken kamen an und fuhren ab, wurden geladen und ausgeladen, ganze Züge von Kameelen bewegten sich mit ihren Führern hin und her, um die Waaren zu holen oder zu bringen, Militär zog vorüber mit Spiel und Klang, um auf dem nahen Platze seine Übungen zu halten; — immer gab es etwas zu sehen, und so war es 4 Uhr, ohne daß ich eigentlich wußte, wohin die Zeit gekommen sei.
Auf der Barke befand sich außer mir und den Schiffsleuten Niemand. Die Barken selbst sind lange, etwas schmale Schiffe, in deren Hintertheile sich eine Kajüte mit