Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer

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Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke - Ida Pfeiffer

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sich Alle so gut und gefällig, daß sie vielen unserer civilisirten Europäer als Muster hätten dienen können. Freilich forderten sie auch von mir manche Gefälligkeit, und mit Erröthen muß ich gestehen, mich kostete es eine große Überwindung, ihre Wünsche zu befriedigen. So z. B. ersuchten sie mich, daß ich der ältesten aus ihnen erlauben möchte, in meinem Gemach schlafen zu dürfen, da ich einzelne Person das große Kabinet, und sie dagegen das kleine bewohnten. Ferner verrichteten sie ihre Gebete und endlich sogar ihre Gesicht- und Fußwaschungen vor dem Gebete in meiner Kajüte. Ich ließ es angehen, da ich ohnehin mehr außerhalb des Kämmerchens war. Diese Weiber riefen mich anfänglich „Marie“, vermuthlich glaubten sie, als eine Christin müsse ich den Namen der heil. Jungfrau führen. Ich sagte ihnen meinen Taufnahmen, den sie sich genau merkten; sie nannten mir ebenfalls ihre Namen, die ich aber bald wieder vergaß. Ich bemerke diese Kleinigkeit darum, weil mich das Gedächtniß dieser guten Menschen auf meiner ferneren Reise durch die Wüste an das rothe Meer in große Verwunderung fetzte.

      20. und 21. August 1842.

      Diese zwei Tage vergingen mir, obwohl ich unter den vielen Menschen, die sich auf der Barke befanden, ganz einsam war, angenehm und schnell. Der Strom breitete sich immer stattlicher aus, je mehr sich das Land verflachte. Die Dörfer wurden größer; die Hütten, von denen manche ganz die Form eines Zuckerhutes hatten, und auf deren Spitzen eine Menge Tauben, ein in diesen Gegenden sehr häufiges Geflügel, nisteten, hatten schon ein etwas besseres Ansehen. Moscheen und größere Landhäuser zeigten sich; kurz, je näher wir Kairo kamen, um so deutlicher zeigte Alles von größerem Wohlstande. Die Sandhügel wurden seltener, doch sah ich auf der Fahrt von Atfé nach Kairo vier oder fünf große öde Strecken, welche ganz das Ansehen von Wüsten hatten. Einmal blies der Wind gerade von so einer glühenden Wüste zu uns herüber, so drückend heiß und beängstigend, daß ich mir eine deutliche Vorstellung von den Leiden der heißen Winde (Chamsin) machen, und die häufige Blindheit der armen Bewohner sehr leicht erklären konnte. Die Hitze ist außerordentlich und der feine Staub und heiße Sand, welcher durch diese Winde in die Höhe getrieben wird, muß Augenentzündungen verursachen.

      Kleine gemauerte Thürme, auf deren Höhe Telegraphen angebracht sind, stehen in größeren Entfernungen von Alexandrien bis Kairo.

      Unsere Barke hatte das Unglück, einige Male auf Sandbänken aufzusitzen, oder in seichte Stellen zu gerathen, — Fälle, die sich während des veränderten Wasserstandes sehr oft ereignen. Bei dergleichen Ereignissen kann man die Behendigkeit, Kraft, Ausdauer und Unverdrossenheit der Nil-Matrosen nicht genug bewundern. Alle müssen nackt über Bord springen, das Schiff mit Stangen losmachen, und oft eine halbe Stunde an Seilen durch seichte Stellen fortschleppen. Im Klettern find diese Leute ebenfalls sehr geschickt. Auf den äußersten Spitzen der schief stehenden Masten klimmen sie ohne Strickleiter und befestigen oder lösen die Segel. Mich ergriff ein wahrer Schauder, wenn ich diese armen Menschen hoch oben auf einer so dünnen Stange zwischen Himmel und Wasser schweben sah, so hoch, daß sie mir wie Kinder erschienen. Mit der einen Hand arbeiten sie, und mit der andern umschlingen sie den Mast. Ich glaube gewiß, daß es nirgends bessere, beweglichere, fleißigere und dabei so mäßige Matrosen geben mag, wie diese hier. Des Morgens erhalten sie Brot oder Schiffszwieback, manchmal rohe Gurken, oder ein Stückchen Käse oder eine Handvoll Datteln dazu, des Mittags dasselbe, und Abends ein warmes Gericht von Bohnen, oder eine Gattung Brei oder Pilav, höchst selten ein gekochtes Hammelfleisch. Ihr Trank ist nichts als Nilwasser.

      Der Strom ist in der Zeit der Überschwemmung doppelt belebt, den von einem Dorfe zum andern ist das Schiff oder der Kahn das einzige Kommunikationsmittel.

      Der letzte Tag der Fahrt bot mir das schönste Schauspiel — ich sah das Delta! Hier theilt sich der mächtige Nil, der das ganze Land bewässert, von dem hundert und hundert Kanäle in alle Felder und Gegenden geleitet sind, in zwei Hauptströme, deren einer bei Rosette, der andere bei Damiette sich in's Meer ergießt. Glich der Strom schon nach der Theilung einem Meere, um so viel mehr verdient er von nun an diese Benennung.

      Wenn ich so hingerissen ward von der Größe und Schönheit der Natur, wenn ich mich in ein so ganz neues, interessantes Leben und Treiben versetzt sah, da schien es mir beinahe unbegreiflich, wie es so viele Menschen geben kann, die Gesundheit, Geld und Zeit im Überflusse besitzen und keinen Sinn für bedeutende Reisen haben. Die armseligen Bequemlichkeiten des Lebens, die Genüsse des Luxus gelten ihnen mehr als die erhabensten Schönheiten der Natur, mehr als die Monumente der Geschichte und die Kenntnisse von Sitten und Gebräuchen fremder Völker. Wenn es mir oft recht schlecht ging und ich, eine Frau, mit noch viel mehr Unannehmlichkeiten und Entbehrungen zu kämpfen hatte als ein Mann — — bei solchen Anblicken war jede Mühseligkeit vergessen, und ich pries Gott, daß er mir einen so festen Willen verliehen hatte, meine Wanderung fortzusetzen. Was sind alle Unterhaltungen in den großen Städten gegen ein Bild, wie hier am Delta und an so vielen andern Orten? Ein so reines seliges Vergnügen, wie mir die Schönheit der Natur bietet, finde ich in keiner Gesellschaft, in keinem Spiele, in keinem Theater, und kein Putz oder Wohlleben ersetzt mir den Nachgenuß einer solchen Reise!

      Unweit des Delta erblickt man die libysche Wüste, die man auch nicht mehr aus dem Gesichte verliert, höchstens, daß man ihr einmal näher, dann wieder ferner ist. In weiter Ferne entdeckt man auf ihr einige dunkle Körper, die sich immer mehr und mehr entwickeln, bis man in ihnen die Wuinderbauten der Vorzeit, die Pyramiden erkennt; weit hinter denselben erhebt sich das Gebirge oder eigentlich die Hügelkette des Mokattam.

      Mit der Abenddämmerung langten wir endlich in Bulak, dem Hafen von Kairo, an. Hätten wir gleich landen können, so würde ich vielleicht noch denselben Abend nach der Stadt gekommen seyn, so aber braucht der Schiffer, da der Hafen stets mit Barken überladen ist, oft über eine Stunde, bis er einen Platz findet, wo er anlegen kann, und es war, als ich hätte aussteigen können, bereits ganz finster, und daher die Thore der Stadt schon geschlossen. Ich mußte diese Nacht noch auf der Barke zubringen.

      Von Atfé bis Kairo waren wir dritthalb Tage gefahren. Ich nenne diese Reise eine der angenehmsten, obwohl die Hitze immer lästiger wurde, und die glühend heißen Winde von der Wüste manchmal zu uns herüber strichen. Die höchste Hitze betrug um die Mittagszeit 36 Grad, und im Schatten 24-25 Grad R. Der Himmel war lange nicht so schon blau und rein, wie in Syrien, und häufig von weißen Wolken durchzogen.

      Kairo.

      22. August 1842.

      Der Anblick dieser großen Hauptstadt Egyptens ist lange nickt so imposant, als ich ihn mir vorgestellt hatte; sie liegt zu flach, und man sieht von ihren ausgedehnten Umgebungen, von der Barke aus, nur immer einzelne Theile. Die am Ufer liegenden Gärten sind üppig und schön.

      Bei der Ausschiffung und auf dem Wege zum Konsulate hatte ich ein Abenteuer nach dem andern zu bestehen. Ich übergehe keines davon, so unbedeutend sie auch scheinen mögen, man kann wenigstens daraus entnehmen, wie man hier zu Lande mit den Leuten verfahren muß.

      Gleich Anfangs bekam ich Streit mit meinem Schiffspatron. Ich hatte ihm noch 3½ Thaler zu zahlen, und gab ihm vier Stücke hin, in der Meinung, daß er mir den Rest herausgeben sollte; dieß that er nicht, sondern wollte den halben Thaler behalten, um ihn, wie er sagte, als „Backschisch" unter die Matrosen zu vertheilen, was er aber gewiß nicht gethan hätte. Zum Glücke war er so dumm, das Geld nicht einzustecken, sondern offen in der Hand zu halten. Ich riß ihm schnell ein Stück aus der Hand und schob es in die Tasche, mit der Erklärung, daß er es nicht früher erhalten würde, als bis er mir den Rest in die Hand gegeben hatte; das Trinkgeld würde ich den Leuten schon selbst geben. Er schrie und lärmte, und forderte beständig das Geld. Ich kümmerte mich aber nicht darum, und packte ganz gelassen meine Sachen zusammen. Da er endlich einsah, daß mit mir nichts auszurichten sei, gab er mir den halben Thaler, und wir schieden als gute Freunde. Dieß Geschäft abgethan, mußte ich mich um ein Paar Esel umsehen, nämlich einen für mich, und einen für mein Gepäck. Wäre

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