Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
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Ich mußte noch zwei Tage auf die Abfahrt des französischen Dampfschiffes warten, und benützte diese Zeit, die Stadt sammt den Umgebungen etwas näher zu betrachten.
Bei meiner Ankunft in Alexandrien begegnete ich zwei egyptischen Begräbnissen. Das erste war das eines Armen, — da ging keine Seele mit. Die Leiche lag in einem hölzernen Breterverschlage ohne Deckel, ein grober Kotzen war über den Tobten gebreitet, und vier Männer trugen den Sarg. Das zweite Begräbniß war schon hübscher. Der Sarg war zwar auch nicht zierlicher, jedoch war der Todte mit einem schönen Shawl überdeckt, und vier Klageweiber schritten hinten nach, und erhoben von Zeit zu Zeit ein furchtbares Geheul. Eine Menge anderer Leute folgten dem Sarge in bunter Ordnung. Der Verstorbene wurde ohne Sarg in die Grube gelegt.
Die Katakomben in Alexandrien sind sehenswerth und von bedeutender Ausdehnung. Eine halbe Stunde davon entfernt findet man die berühmte große Ebene, auf welcher einst das Heer Julius Cäsars aufgestellt war. Die Cisterne und das Bad der Cleopatra waren beide voll Wasser, ich konnte daher nichts als den Ort, wo sie standen, sehen.
Der Pallast des Vicekönigs, ein großes Gebäude, mehr nach europäischer Form, nimmt sich recht hübsch aus. Seine innere Einrichtung ist größtentheils europäischer Art.
Der Bazar enthält nichts Ausgezeichnetes. Das Arsenal sieht von außen sehr großartig aus. Hinein zu kommen ist schwer, man setzt sich der Gefahr aus, von den Arbeitern beleidigt zu werden. Das Spital gleicht einem großen Privathause.
Auffallend erschien mir das hohe Agio, welches man in Egypten bei kleinen Geldwechslungen bezahlen muß. Bei Wechslung eines Collonato, einer in diesem Lande sehr beliebten Münze, im Werthe von zwei Gulden Conventions-Münze, muß man einen halben bis zwei Piaster verlieren, je nach der Sorte der Scheidemünze, die man dafür haben will. Tauscht man Beschliks [Ein Beschlik gilt in der Türkei ö Piaster und in Egxpten nur vier Piaster.] dagegen ein, zahlt man einen halben Piaster Agio, tauscht man für den ganzen Collonat einzelne Piaster ein, so verliert man zwei Piaster. Bei der Regierung wird der Collonat zu zwanzig Piaster gerechnet, im gewöhnlichen Umtausche zu zwei und zwanzig, und auf den Konsulaten zu ein und zwanzig.
Abreise von Alexandrien.
7. September 1842.
Um acht Uhr Morgens begab ich mich an Bord des französischen Packet-Dampfbootes „Eurotas", eines wunderschönen großen Schiffes von 160 Pferdekraft. Um neun Uhr wurden die Anker gelichtet.
Das Wetter war höchst ungünstig. Es regnete zwar nicht, allein wir hatten beständig Gegenwinde uno meist hohes Meer. Dieß war auch Ursache, daß wir die Insel Candia erst am Abende des dritten Tages erblickten, um vierundzwanzig Stunden später als bei günstiger Witterung.
Zwei Frauen, die von Alexandrien die Fahrt bis Syra mitmachten, wurden so heftig von der Seekrankheit ergriffen, daß sie gleich in den ersten Stunden nach der Abfahrt verschwanden und nicht eher zum Vorschein kamen, als bis in Syra gelandet wurde. Eine höchst bequeme Einrichtung auf dem französischen Schiffe ist die Anwesenheit einer Dienerin, welche in solchen Fällen wirklich äußerst nothwendig wird. Gott Lob! ich hatte von der Seekrankheit nicht leicht etwas zu befürchten. Da mußte es schon gar arg stürmen, so wie z. B. auf dem schwarzen Meere, bis meine Natur erschüttert wurde, und selbst dann war ich gleich wieder hergestellt. Ich lebte während der ganzen Fahrt, selbst bei Sturm und Wetter, stets auf dem Verdecke, so daß mir bei Tage auch nicht das kleinste Inselchen entging.
Am 10. September 1842 spät Abends entdeckten wir die Insel Candia (Kreta), am andern Morgen kamen wir ihr ziemlich nahe. Wir sahen aber nichts, als unfruchtbare, kahle Berge, der höchste darunter, mein Namensträger „Ida", sah ebenfalls nicht reizender aus, als die übrigen. Rechts erblickten wir die Insel Scarpanto. Wir ließen sie bald hinter uns, eben so die Inseln der Brüder und noch mehrere andere, darunter manche kleine unbewohnte Eilande und einzeln stehende pittoreske Felsen-Kolosse, die hoch und majestätisch über das Meer ragten. Später kamen wir an den Inseln Santorin und Anaph vorüber.
Letztere ist besonders schön. Im Vordergrunde derselben liegt ein Dorf am Fuße eines hohen Berges, auf dessen felsiger Spitze ein Kirchlein steht. Auf der einen Seite, dem Meere zu, fällt dieser Felsenberg so senkrecht ab, als ob er mit einer Säge geschnitten wäre.
Seit wir Candia erblickt hatten, waren wir nicht mehr in's hohe Meer gekommen. Kaum verschwand uns die eine Insel, so zeigte sich schon wieder eine andere.
Am 11. September 1842.
Morgens zwischen 3 und 4 Uhr erreichten wir Syra. Wegen der schrecklichen Gegenwinde, welche uns beinahe auf der ganzen Fahrt nicht verlassen hatten, waren wir um einen Tag später angekommen, und blieben dafür statt anderthalb Tage nur einen halben Tag. Uns Weiterreisenden war dieß sehr gleichgiltig, denn ans Land durften wir ohnehin nicht, weil wir aus Egypten kamen. Die hier Landenden wurden in die Quarantaine expedirt.
Syra hat einen schönen Hafen. Vom Bord aus übersieht man die ganze Stadt und deren Umgebung. Gleich vom Fuße des Gestades erhebt sich ein spitziger, ganz isolirt stehender Berg, auf dessen Gipfel eine Kirche sammt Kloster ruht, der Sitz des Bischofs. Die Stadt zieht sich gleich mehreren Kränzen rund um den Berg, bis beinahe an die kirchlichen Gebäude. Der Hintergrund bietet ein trauriges Bild — ein kahles Gebirge. Der Leuchtthurm steht auf einer kleinen Insel; die Quarantaine, die von außen recht freundlich aussieht, liegt von Syra etwas entfernt, am Meeresufer.
Es war gerade ein Sonntag, als wir hier anlangten, und da Syra zu Griechenland gehört, so hörte ich hier, wie am Libanon, Glockengeläute, welches mich abermals mit unnennbarer Wehmuth erfüllte. Weiß man doch die Heimath nie so zu schätzen, als wenn man einsam und allein, nur auf Fremde angewiesen, so weit von seinem väterlichen Boden entfernt ist.
Gerne hätte ich hier einen kleinen Abstecher nach Athen gemacht, denn die Entfernung beträgt höchstens zwölf Stunden, allein ich hätte hier wieder Quarantaine halten müssen, und wenn ich dann Griechenland verlassen hätte, vielleicht irgend wo anders zum drittenmale, das wäre mir zu viel gewesen; daher zog ich es vor, in die Quarantaine nach Malta zu gehen, wo es mit einem Male abgethan war.
Noch denselben Tag um 2 Uhr gingen wir wieder unter Segel. Ich blieb auch heute, wie an den folgenden Tagen so lange als möglich auf dem Verdecke, und achtete weder Sturm noch Wind, um eine Insel nach der andern an mir vorüberziehen zu lassen. Eine erschien und verschwand, nur um einer andern wieder Platz zu machen. Auch einzelne Felspartien erhoben sich gigantisch aus dem Meeresgrunde und mischten sich in dieß wechselnde Panorama.
Wir sahen rechts in weiter Ferne Paros und Antiparos, links die bedeutendern Inseln Chermia, und kamen endlich ganz nahe an Cervo (Hirscheninsel) vorüber, welche sich besonders durch die schönen Formen ihrer Gebirge auszeichnet. Ebenfalls ganz abgesondert, wie in Syra, steht da ein spitziger, einzeln stehender Berg, um welchen sich rund herum bis zur Spitze ein Städtchen windet.
12. September 1842.
Als ich mich heute Morgens mit der Sonne zugleich auf dem Verdecke einfand, hatten wir rechts das Festland Morea im Angesicht, — eine große Ebene, auf welcher mehrere Ortschaften zerstreut liegen; den Hintergrund bilden kahle Gebirge. Von Morea weg schifften wir wieder auf hohem Meere.
Der heutige Tag hätte für uns bald ein trauriges Ende nehmen können. Ich saß wie gewöhnlich auf dem Verdecke, als plötzlich auf dem Schiffe eine ungewöhnliche Bewegung unter den Matrosen und deren Vorgesetzten entstand, und selbst der Kommandant