Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer

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Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke - Ida Pfeiffer

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dem Meere, schadete mir nichts. Aber nach mehreren Stunden fing ich an, das Unbequeme und höchst Beschwerliche einer solchen Reise zu fühlen. Das Schaukeln ward mir peinlich und ermüdend, da ich mich nirgends stützen oder anlehnen konnte. Das Bedürfniß des Schlafes gesellte sich auch dazu, und man kann sich vorstellen, welchen Strapazen ich mich unterzog. Allein ich wollte nach Suez, und wäre alles noch ärger gewesen, ich wäre dennoch nicht umgekehrt. Ich nahm alle meine Geduld zusammen und ritt unausgesetzt fünfzehn Stunden, von 4 Uhr Nachmittag bis 7 Uhr früh des andern Tages.

      Wir kamen in der Nacht an vielen, theils gehenden theils ruhenden Kameelzügen, die oft hundert Stücke zählten, vorüber. Es stieß uns nicht die geringste Unannehmlichkeit zu, obwohl wir uns an keine Karavane schlossen und unsern Weg ganz allein verfolgten.

      Von Kairo bis Suez sind von sechs zu sechs Stunden Wachtposten ausgestellt; bei jedem solchen Posten steht ein kleines Häuschen mit zwei Zimmerchen für Reisende. Diese Häuschen ließ ein englischer Wirth, der in Kairo etablirt ist, erbauen. Doch können da nur sehr reiche Reisende eintreten, denn Alles hat einen ungemessenen Preis. So z. B. zahlt man für ein Bett über Nacht 100 Piaster, für ein Hühnchen 20 Piaster, für eine Flasche Wasser 2 Piaster. Die meisten Reisenden kampiren vor dem Hause. Auch ich machte es so, und legte mich, während die Kameele ihr mageres Frühstück verzehrten, auf eine Stunde in den Sand. Meine Gesundheit und Körperkraft sind, Gott sei Dank, wirklich so vortrefflich, daß ich nur wenig Ruhe brauche, um neu gestärkt aufzustehen. Nach dieser Stunde der Erholung bestieg ich mein Kameel wieder und setzte meine Reise fort.

      27. August 1842.

      Man kann sich leicht einen Begriff machen von der Stille, Ruhe und Ausgestorbenheit der ganzen Natur, von der man hier umgeben ist. Das Meer, wo man doch nichts als Wasser um sich hat, bietet ungleich mehr Abwechslung und Leben. Schon das Rauschen und Durchgreifen der Räder, die heran nahenden Wogen das Aufhissen und Herablassen der Segel, das Gedränge und Leben auf dem Schiffe u.s.w. bringt doch immer wechselnde Bilder in das im Ganzen einförmige Leben. Selbst der Ritt durch Steinwüsten, wie ich deren doch mehrere in Syrien gemacht hatte, ist nicht so einförmig; man hört doch wenigstens den Tritt des Pferdes, den Laut manches rollenden Steines, und die Aufmerksamkeit des Reisenden wird wenigstens in so fern in Anspruch genommen, daß er jeden Schritt des Pferdes gehörig leiten muß, um den Gefahren des Stürzens zu entgehen. Doch nichts von all' dem findet man auf einer Reise in einer Sandwüste. Kein Vogel durchkreiset die Luft, kein Schmetterling erfreut unser Auge, kein Insekt, kein Wurm kriecht auf dem Boden, man sieht kein lebendes Geschöpf, als die kleinen Aasgeier auf den Kadavern der gefallenen Kameele. Selbst die Tritte der schwerfüßigen Kameele ersterben im tiefen Sande, und nie hört man etwas Anderes, als höchstens das Gebrüll dieser Thiere, welches sie gewöhnlich anstimmen, wenn sie der Führer zum Niederlegen zwingt, um sie ihrer Last zu entladen; diese Bewegung muß den armen Thieren vermuthlich wehe thun. Der Führer schlägt das Kameel auf die Knie und zieht es mit dem Strick, welcher um den Kopf befestiget ist, zu Boden. Bei dieser Operation muß man sich sehr fest halten, um nicht herabzustürzen, den plötzlich läßt sich das Thier auf die Vorderknie, dann auf die Hinterbeine und setzt sich endlich gänzlich auf den Boden. Wenn man auf dies Thier hinauf klettert, muß man ebenfalls Acht geben und sehr flink seyn, denn wie es nur merkt, daß man den Fuß auf seinen Hals setzt, will es auch schon aufspringen.

      Wie gesagt, sieht man auf dieser Reise nichts, als viele und lange Züge von Kameelen, von denen Eines hinter dem Andern schreitet, und deren Treiber sich den Weg mit eintönigen, unharmonischen Liedern verkürzen. Überall liegen ganze oder halb aufgezehrte Kadaver dieser „Schiffe der Wüste" zerstreut umher, und Schakale oder Aasgeier nagen daran. Selbst noch lebende Kameele sieht man manchmal umher schwanken, die, zum Dienste schon unfähig, von ihren gefühllosen Herren dem Hungertode Preis gegeben werden. Wohl nie wird das Bild eines solchen armen Thieres aus meinem Gedächtnisse schwinden, das ich in der Wüste sich hinschleppen und ängstlich nach Nahrung und Wasser suchen sah. Wie grausam ist doch der Mensch! Könnte er den Leiden eines solchen Wesens nicht mit einem Messerstiche ein Ziel setzen?

      Man sollte glauben, die Luft in der Nähe dieser gefallenen Thiere müsse verpestet seyn, allein dieß ist hier viel weniger der Fall, als in minder heißen Gegenden, da die Kadaver hier durch die reine Luft und den heißen Wind mehr austrocknen als verfaulen.

      Auch unser Stück gebratenes Fleisch hatte selbst am fünften Tage noch keinen Geruch. Die hartgesottenen Eier, die mein Diener so ungeschickt eingepackt hatte, daß sie in der ersten Stunde gleich zerquetscht wurden, geriethen nicht in Fäulniß. Fleisch und Eier waren zusammengeschrumpft und ganz ausgetrocknet. Das Weißbrot war am dritten Tage hart wie Schiffszwieback, so daß wir es zerschlagen und in Wasser tauchen mußten. Unser Trinkwasser wurde täglich schlechter und von den ledernen Schläuchen, in welchen wir es bei uns führten, täglich übelriechender. Die armen Thiere bekamen bis Suez keinen Tropfen zu trinken; zur Nahrung gab man ihnen nur einmal des Tages eine Gattung schlechter Hülsenfrüchte.

      Von 8 Uhr Morgens zogen wir wieder fort, bis ungefähr 5 Uhr Nachmittags. Eine Stunde früher erblickte ich auf einmal das rothe Meer und dessen Umgebung. Ich war über diesen Anblick sehr erfreut, denn in höchstens einer Stunde, schien es mir, könnten wir es erreichen, und da wäre denn die beschwerliche Reise nach Suez geendet. Ich rief meinen Diener, wies ihm das Meer, und äußerte meine Verwunderung, daß wir schon so schnell in die Nähe von Suez gekommen seyen. Er behauptete, dieß sei nicht das Meer, sondern eine Fata Morgana. Ich wollte ihm nicht glauben, weil ich es gar zu natürlich und zu nahe sah. Aber nach einer Stunde waren wir noch eben so weit davon entfernt, und endlich verschwand dieses Trugbild ganz und ich sah erst des folgenden Tages gegen 6 Uhr früh das wirkliche Meer, gerade so und mit denselben Umgebungen, wie ich es Abends zuvor gesehen hatte.

      Um 5 Uhr Nachmittags machten wir endlich Halt. Ich legte mich beinahe ganz erschöpft auf den Sand, wo ich über drei Stunden herrlich schlief. Da weckte mich mein Diener und sagte, es sei eine Karavane vor uns, an welche wir uns anschließen müßten, da die noch folgende Wegesstrecke nicht so sicher sei, wie jene, die wir die vorige Nacht durchzogen hätten. Ich war gleich bereit, bestieg mein Kameel, und um 8 Uhr Abends ging es wieder weiter.

      In kurzer Zeit hatten wir die Karavane eingeholt, und unsere Thiere wurden den vorangehenden angereiht, so daß jedes an seinen Vorgänger mit einem Stricke gebunden war. Es war schon ganz dunkel, und ich konnte von den Leuten, die vor mir auf einigen Kameelen saßen, nur so viel erkennen, daß es eine arabische Familie war. Sie reisten in Verschlagen, die gleich Hühnersteigen ungefähr 1½ Fuß hoch, 4 Fuß breit und eben so lang waren. In einem solchen Kasten saßen zwei, drei Menschen mit kreuzweis unterschlagenen Beinen. Manche hatten sogar ein leichtes Zelt über den Verschlag gespannt. Plötzlich rief eine Weiberstimme meinen Namen.

      Ich stutzte und meinte nicht recht gehört zu haben, denn wer in der Welt sollte hier mit mir zusammentreffen, der noch dazu meinen Taufnamen wußte? Doch abermals rief es sehr verständlich „Ida! Ida!" Da kam ein Diener herbei und sagte mir, auf dem vordern Kameele säßen einige Araberinnen, welche mit mir die Reise auf der Nilbarke von Atfé nach Kairo gemacht hätten. Sie ließen mir sagen, sie seien jetzt auf dem Wege nach Mekka, und hätten eine große Freude mich nochmals zu sehen. Ich war wirklich äußerst überrascht, so fest im Gedächtniß dieser guten Menschen zu leben, daß sie sogar meinen Namen noch nicht vergessen hatten.

      In dieser Nacht sah ich eine herrliche Naturerscheinung, die mich so überraschte, daß ich im ersten Augenblick unwillkührlich einen leisen Schrei ausstieß. Es mochte ungefähr gegen eilf Uhr gewesen seyn, da erhellte sich plötzlich links vor mir der Himmel, als ob Alles in Feuer stünde; eine große feurige Kugel durchfuhr mit Blitzesschnelle die Luft, senkte sich zur Erde, im selben Augenblicke erlosch das Leuchten der Atmosphäre und das vorige Nachtdunkel war wieder über die Gegend gebreitet. — Ich ritt heute abermals die ganze Nacht durch.

      28. August 1842.

      Um 6 Uhr Morgens erblickte ich das rothe Meer. Schon früher zeigt sich rechts die Gebirgskette

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