Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch Sachbücher bei Null Papier

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mit dem Müns­ter ver­bun­de­nen Säu­len­gan­ge auf den Thron ge­ho­ben wor­den war, im In­ne­ren der Kir­che von den Erz­bi­schö­fen von Mainz und Köln nach der al­ten Ord­nung mit dem Schwert um­gür­ten und dem Man­tel be­klei­den, sal­ben und krö­nen. Von den Her­zo­gen, die bei der nach­her statt­fin­den­den Ta­fel die her­kömm­li­chen Äm­ter als Mund­schenk, Truch­seß, Mar­schall und Käm­me­rer aus­üb­ten, fie­len drei bald nach­her von ihm ab. Von den Bi­schö­fen wur­de nur ei­ner spä­ter sein Geg­ner, der Erz­bi­schof Fried­rich von Mainz, der die von Otto an­ge­bahn­te Ver­bin­dung des geist­li­chen Amts mit welt­li­chen Ge­schäf­ten miss­bil­lig­te.

      Die Her­an­zie­hung der Bi­schö­fe zu den Reichs­ge­schäf­ten be­wirk­te Otto da­durch, dass er ih­nen Graf­schafts­rech­te ver­lieh und durch Er­tei­lung von Im­mu­ni­tä­ten Bi­schö­fe und Äbte von den kö­nig­li­chen Ge­rich­ten un­ab­hän­gig mach­te. Er lei­te­te die­se fol­gen­rei­che Um­wand­lung der Ver­fas­sung be­hut­sam ein, sei­ne Söh­ne setz­ten sie un­be­denk­li­cher fort. Bald ka­men gan­ze Graf­schaf­ten an die Bi­schö­fe, die da­durch zu welt­li­chen Fürs­ten wur­den. Der Ge­winn für den Kö­nig war un­über­seh­bar: er konn­te nun auf die An­häng­lich­keit ei­ner An­zahl großer Her­ren rech­nen, die ihn nicht nur durch ih­ren Rat und Ein­fluss, son­dern auch durch das Auf­ge­bot ih­rer Mann­schaft un­ter­stütz­ten. Al­ler­dings wur­de die kirch­li­che Tä­tig­keit der Bi­schö­fe durch den neu­en Auf­ga­ben­kreis, der ih­nen er­wuchs, we­sent­lich ein­ge­schränkt. Pre­digt und Ar­men­pfle­ge, ur­sprüng­lich eine hei­li­ge Pf­licht ih­res Am­tes, muss­ten den Pfar­rern über­las­sen wer­den, die Bi­schö­fe, die die Kö­ni­ge auf ih­ren Rei­sen und Heer­zü­gen be­glei­te­ten, wa­ren nicht sel­ten jah­re­lang von ih­ren Di­öze­sen ab­we­send. In­des­sen die­se dem ho­hen Adel ent­stam­men­den Män­ner wa­ren mit der Ver­welt­li­chung mehr als ein­ver­stan­den. Nur aus­nahms­wei­se war ei­ner von der Wich­tig­keit der geist­li­chen Sei­te sei­nes Am­tes so durch­drun­gen, dass er die Ver­flech­tung in welt­li­che Ge­schäf­te als un­ge­hö­rig und be­läs­ti­gend emp­fand.

      Otto I. hat­te wie Karl der Gro­ße die Gabe nie er­mü­den­der Tä­tig­keit. Er be­durf­te nicht viel Schlafs, und da er im Schla­fe sprach, mein­te man, dass er selbst schla­fend wa­che. Die Nie­der­wer­fung der Auf­stän­de in den Her­zog­tü­mern, die Be­kämp­fung der Sla­wen und Un­garn nah­men die ers­ten Jahr­zehn­te sei­ner Re­gie­rung in An­spruch, dann konn­te er end­lich den Blick auf Ita­li­en rich­ten. Ge­gen den Papst, der den Ka­ro­lin­ger Ar­nulf krön­te, hat­te sich der rö­mi­sche Stadt­a­del er­ho­ben; jetzt tra­ten Um­stän­de ein, die an die­je­ni­gen er­in­nern, wel­che einst Pi­pin und Karl mit Rom ver­knüpf­ten.

      Von zwei Sei­ten wur­de die Grün­dung ei­nes ita­lie­ni­schen Kö­nig­rei­ches er­strebt: von den lan­go­bar­di­schen Teil­fürs­ten, die sich un­ter den letz­ten Ka­ro­lin­gern un­ab­hän­gig ge­macht hat­ten, und von dem rö­mi­schen Stadt­a­del, den Or­si­ni, Fran­gi­pa­ni, den Cres­zen­ti­ern. Stolz auf ihre Ab­kunft, stolz auf ihre schick­sals­vol­le Stadt, er­ho­ben sie den An­spruch auf Herr­schaft, und das Mit­tel, durch das sie ihn zu ver­wirk­li­chen hoff­ten, war das Papst­tum. Da sie es nicht ver­nich­ten konn­ten, dach­ten sie es zu be­nüt­zen und setz­ten Päps­te ein, die Werk­zeu­ge ih­res Wil­lens wa­ren. Da­mals war es Ok­ta­vi­an, der noch ju­gend­li­che Sohn des be­rühm­ten Al­be­rich, der groß­ar­ti­ge rö­misch-na­tio­na­le Plä­ne kühn ver­tre­ten hat­te. Für die­se Rö­mer war der Papst nicht der Nach­fol­ger und Stell­ver­tre­ter Chris­ti, son­dern der Herr Roms und da­mit der Herr Ita­li­ens. Man möch­te sich aus­ma­len, wel­che Fol­gen es ge­habt hät­te, wenn sie die rö­mi­sche Kir­che sä­ku­la­ri­siert und von dem welt­lich ge­wor­de­nen Kir­chen­staat aus Ita­li­en er­obert und ge­ei­nigt hät­ten. Al­lein die Wirk­lich­keit wi­der­sprach die­sem Plan durch­aus, mach­te ihn zu ei­nem Aben­teu­er. Der Papst­ge­dan­ke als Ge­dan­ke des christ­li­chen Wel­trei­ches war viel zu mäch­tig, als dass ir­gend­ein an­de­rer ihn hät­te über­win­den kön­nen, ge­schwei­ge denn der Ge­dan­ke Ita­li­ens als ei­nes selbst­stän­di­gen, na­tio­na­len Lan­des. Mehr tat­säch­li­che Macht und Ein­fluss als die rö­mi­schen Adels­fa­mi­li­en hat­te Kö­nig Be­ren­gar; um sich ge­gen ihn hal­ten zu kön­nen, muss­te Jo­hann XII., so nann­te sich Ok­ta­vi­an, eine kriegs­ge­wal­ti­ge Hil­fe su­chen und wähl­te dazu den Kö­nig des ost­frän­ki­schen Rei­ches. Für Otto war die­ser Ruf des Paps­tes der Wink sei­nes Got­tes, der ihm die rech­te Stun­de an­zeig­te. Er konn­te ein­grei­fen, er konn­te, in­dem er die von Be­ren­gar ver­folg­te Bur­gun­de­rin Adel­heid, die Wit­we ei­nes Prä­ten­den­ten auf die ita­lie­ni­sche Kö­nigs­kro­ne, hei­ra­te­te, sei­nen An­sprü­chen auf Ita­li­en einen neu­en hin­zu­fü­gen. Den we­sent­li­chen An­spruch gab ihm, dass er sich als Nach­fol­ger Karls des Gro­ßen be­trach­te­te. Weit ent­fernt, dass die Sach­sen ih­ren ehe­ma­li­gen Feind und Be­sie­ger ge­hasst hät­ten, er war ihr Vor­bild ge­wor­den, der Quell ih­rer Macht und ih­rer Rech­te, und nicht nur den Sach­sen, son­dern eben­so den Frie­sen, den Loth­rin­gern, den Bay­ern. Alle woll­ten von Karl ab­stam­men, ihre Rech­te, ihr Da­sein von ihm ab­lei­ten.

      Im Jah­re 962 emp­fing Otto in Rom die Kai­ser­kro­ne. Es ist Über­lie­fe­rung, dass ein jun­ger Ge­folgs­mann Ot­tos, Graf Arn­fried von Lö­wen, wäh­rend er in St. Pe­ter be­te­te, das Schwert über sei­nem Haup­te ge­hal­ten habe, um ihn vor Über­fäl­len zu schüt­zen. So war er von Hass und Feind­schaft um­ge­ben. Der rö­mi­sche Papst, der ihn ge­ru­fen hat­te, be­reu­te es bald, als er be­griff, dass der säch­si­sche Be­schüt­zer sein Herr wer­de. Nur mit Ge­walt konn­te der Kö­nig sei­ne Aner­ken­nung durch­set­zen. Es war nicht so, dass in Ita­li­en eine grund­sätz­li­che Ab­nei­gung ge­gen die Deut­schen be­stan­den hät­te, denn ein Na­tio­nal­be­wusst­sein hat­te sich noch nicht bil­den kön­nen, viel­mehr be­geg­ne­ten sie zu­wei­len freu­di­ger Er­war­tung, weil im­mer ir­gend­ein Übel ge­gen­wär­tig war, das man bei der Ver­än­de­rung los­zu­wer­den hoff­te; aber bei län­ge­rer An­we­sen­heit der über­wie­gend ro­hen Krie­ger, bei der Schwie­rig­keit, sich zu ver­stän­di­gen, kam es leicht zu Streit und Hand­greif­lich­kei­ten und er­wach­te in den ge­bil­de­te­ren, aber kriegs­mä­ßig schwä­che­ren Ita­li­e­nern ein emp­find­li­ches Über­le­gen­heits­ge­fühl.

      Mit wel­chen Ge­füh­len der Kö­nig in Rom weil­te, da­von ist uns nichts be­rich­tet. Be­wun­der­te er die reich­ge­schmück­ten Ba­si­li­ken von St. Pe­ter und St. Paul, stand er stau­nend vor den un­ge­heu­ren Rui­nen des Al­ter­tums, in de­nen und über die sich die Adels­bur­gen mit ih­ren Tür­men und Zin­nen er­ho­ben? Das Gleich­ge­wicht sei­ner See­le wur­de nicht da­durch er­schüt­tert, er wird ge­dacht ha­ben, wie spä­ter Bi­schof Thiet­mar von Mer­se­burg, dass sein Sach­sen ein blu­men­rei­cher Pa­ra­dies­gar­ten und dass der Reich­tum an Män­nern und Waf­fen mehr wert sei als Roms Mar­mor­bil­der, dass er stark und glück­lich nur da­heim sein kön­ne, wo die Ei­chen sei­ner Wäl­der ihn um­rausch­ten und wo die Grä­ber sei­ner ho­hen Ah­nen ihn mit ei­ner ge­seg­ne­ten Ver­gan­gen­heit ver­ban­den. Ob­wohl er die ge­lehr­ten Män­ner, de­nen er in Ita­li­en be­geg­ne­te, zu schät­zen wuss­te und an sich zu fes­seln such­te, so flö­ßten ihm doch die all­ge­mei­nen Ver­hält­nis­se kei­ne Ach­tung ein:

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