Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch Sachbücher bei Null Papier

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Von Otto des Gro­ßen Schwie­ger­sohn, Kon­rad dem Ro­ten, er­wähnt der Ge­schichts­schrei­ber rüh­mend, er sei nicht nur ein un­wi­der­steh­li­cher Re­cke in der Schlacht, son­dern auch klug im Rat ge­we­sen, was bei tap­fe­ren Män­nern sel­ten sei. Schon Karl der Gro­ße ta­del­te die Ge­ring­schät­zung des Wis­sens und der geis­ti­gen Aus­bil­dung am Adel auf das ernst­lichs­te, und ähn­li­che Kla­gen wie­der­hol­ten sich häu­fig. Wenn der Adel In­ter­es­sen hat­te, die über Pfer­de, Waf­fen und Kampf hin­aus­gin­gen, so be­tra­fen sie die Land­wirt­schaft; denn Bau­ern wa­ren sie ja alle, ob sie nun Groß­grund­be­sit­zer oder Päch­ter oder Klein­bau­ern wa­ren. Von ei­nem loth­rin­gi­schen Gra­fen Immo wird er­zählt, wie er den Her­zog Gi­sel­bert von Loth­rin­gen da­durch är­ger­te, dass er ihm eine Schwei­ne­her­de ent­wen­de­te, in­dem er durch ein Fer­kel, das er vor sei­ner Burg her­um­füh­ren ließ, das her­zog­li­che Vieh von sei­nem Wege ab und in die Burg hin­ein­lock­te. Aus ei­nem Fens­ter sei­ner Burg be­ob­ach­te­te er scha­den­froh die An­kunft des feind­li­chen Schwei­ne­hir­ten und das Ge­lin­gen sei­nes Pla­nes. Doch wür­de es einen falschen Be­griff von dem Wor­te Geist ge­ben, wenn man die­se Bau­ern un­geis­tig nen­nen woll­te, weil sie nicht le­sen konn­ten und von Gram­ma­tik und Theo­lo­gie nichts wis­sen woll­ten. Ihr Kopf brauch­te des­halb nicht leer zu sein: sie hat­ten Er­fah­rung in al­len Ver­wi­cke­lun­gen des Le­bens, konn­ten sich Men­schen­kennt­nis er­wer­ben, muss­ten in Rechts­fäl­len ur­tei­len kön­nen, wa­ren in Feld und Wald und Wie­se zwi­schen den Tie­ren ih­res Ho­fes und den Tie­ren des Wal­des zu Hau­se; sie hör­ten die Pre­digt von den gött­li­chen Din­gen, von Gut und Böse, hör­ten die Lie­der von den Ta­ten der Vor­fah­ren, Him­mel und Erde ga­ben de­nen Stoff ge­nug zum Nach­den­ken, die nach­den­ken woll­ten. Otto I. lern­te in hö­he­rem Al­ter La­tein, und spre­chen konn­te er es nie; den­noch, wie viel grö­ßer war er als sein ge­lehr­ter En­kel, den man das Wun­der der Welt nann­te. Die Gro­ßen und Be­gab­ten be­dür­fen der Wis­sen­schaft nicht, viel­mehr, sie eig­nen sich da­von an, was sie brau­chen; aber für die Mit­tel­mä­ßi­gen, Un­be­gab­ten, Stumpf­sin­ni­gen ist Er­wei­te­rung des Ge­sichts­krei­ses durch Ler­nen not­wen­dig, und die­se, nicht die Be­gab­ten sind über­all in der Mehr­zahl. Die Ro­heit und Un­wis­sen­heit des Adels, die ihn nach­tei­lig un­ter­schie­den von Ita­li­e­nern, Fran­zo­sen und Eng­län­dern, wirk­ten mit dazu, dass die Kai­ser sich ihre Mit­ar­bei­ter und Rat­ge­ber haupt­säch­lich im Kle­rus su­chen muss­ten. Al­ler­dings, auch der Kle­rus war Adel; man kann ihn im frü­hen Mit­tel­al­ter als eine Aus­le­se der Be­gab­ten des Adels be­trach­ten.

      Wenn der Ab­fall der großen Va­sal­len auch so häu­fi­ge Er­schei­nung war, dass man sa­gen kann, die Ge­schich­te der meis­ten Kö­ni­ge spiel­te sich am Ran­de ei­nes Ab­grun­des ab, so wäre es doch ge­wagt, dar­aus zu fol­gern, die Treue sei bei den Deut­schen we­gen ih­rer Sel­ten­heit so hoch ge­schätzt wor­den. Bei den Rei­chen und Mäch­ti­gen wird man im All­ge­mei­nen die­je­ni­gen Ei­gen­schaf­ten su­chen müs­sen, die im Kampf ums Da­sein Vor­teil schaf­fen, vor­wärts­brin­gen, nicht die ed­le­ren, die den Nut­zen der Ehre nach­stel­len. Nicht auf den Hö­hen, son­dern in den un­te­ren und mitt­le­ren Schich­ten sind die­je­ni­gen Tu­gen­den hei­misch, die den Bau der Ge­sell­schaft zu­sam­men­hal­ten. Die Treue und das Pf­licht­ge­fühl un­zäh­li­ger, de­ren Na­men nie­mand über­lie­fert, er­hält die Ord­nung, die auf der Gel­tung des Rech­tes und der Hei­lig­keit des ge­ge­be­nen Wor­tes be­ruht, wenn Macht­gier und Hab­gier ei­ni­ger Gro­ßer die Welt in ein Cha­os zu stür­zen dro­hen. Da, wo sich eine Macht ge­bil­det hat, die die Gren­ze pri­va­ter Sphä­ren über­schrei­tet, ver­lie­ren die pri­va­ten Tu­gen­den ihre Gel­tung; in der Po­li­tik setzt sich auch der red­li­che Mensch über die Ge­bo­te der Red­lich­keit hin­weg, und es müss­te ein sol­ches Sich­hin­weg­set­zen über das Recht zu gänz­li­cher Auf­lö­sung füh­ren, wenn nicht Ge­gen­wir­kun­gen vor­han­den wä­ren oder sich bil­de­ten. So braucht man denn aus dem Ver­hal­ten des ho­hen Adels ge­gen die Kö­ni­ge nicht auf Treu­lo­sig­keit des deut­schen Adels über­haupt zu schlie­ßen. Wohl wa­ren aus den Ge­folgs­leu­ten des Kö­nigs durch die Land­ver­lei­hung Fürs­ten und Ne­ben­buh­ler des Kö­nigs ge­wor­den; aber es fehl­te doch nie an ei­nem ech­ten Ge­fol­ge, das sich für sei­nen Her­ren in Stücke hau­en ließ. Be­denkt man, wie we­nig Mit­tel vor­han­den wa­ren, um das Recht zu stüt­zen, muss man es er­staun­lich fin­den, wie das Recht ge­ach­tet wur­de. Ein Volk, das fast durch­weg be­waff­net und in den Waf­fen ge­übt war, in dem je­der Freie dem an­de­ren Feh­de an­sa­gen konn­te, beug­te sich frei­wil­lig vor al­ten Per­ga­men­ten, auf de­nen alte Pri­vi­le­gi­en ver­zeich­net wa­ren, wag­te selbst ab­hän­gi­gen Bau­ern die Ab­ga­ben nicht über das Her­kömm­li­che zu stei­gern, wenn auch die wirt­schaft­li­chen Voraus­set­zun­gen an­de­re ge­wor­den wa­ren. Das Hei­lig­hal­ten des Rech­tes hängt zu­sam­men mit der Ehr­furcht vor den Göt­tern; die­se be­seel­te den Deut­schen, wenn er auch die christ­li­chen Ge­bo­te häu­fig ver­letz­te. Nicht nur, dass er die äu­ßer­li­chen For­men des re­li­gi­ösen Le­bens mit­mach­te, die Kir­che be­such­te, die Mes­se hör­te, die Knie vor dem Al­ler­hei­ligs­ten beug­te; Welt­li­che wie Geist­li­che fühl­ten sich ein­ge­bür­gert in dem wun­der­ba­ren Reich, das die Erde, den Stern der Mit­te, um­run­de­te, in dem das Sicht­ba­re und das Un­sicht­ba­re ein­ge­gos­sen war. Das Drü­ben, wo alle Trä­nen ver­sieg­ten, war nichts Fer­nes, nicht ein ent­le­ge­ner Ort, son­dern es war da, wo man stand, ein Meer des Glan­zes, das auf­blin­ken konn­te, wo im­mer ein Gläu­bi­ger den trü­gen­den Schein der Welt über­wand. Kam die Stun­de des To­des, so lösch­te die ster­ben­de Hand das letz­te Fünk­chen Welt aus, und der Tote tauch­te in den Gold­grund der Din­ge. Die Ver­bun­den­heit mit dem Jen­seits be­wog so vie­le Ad­li­ge, die dies­sei­ti­ge Welt, nach­dem sie ihre Freu­den er­probt hat­ten, plötz­lich mit ei­ner he­ro­i­schen Ge­bär­de von sich zu sto­ßen, zu­wei­len jung, vor der Hoch­zeit, trotz des Fle­hens der El­tern, zu­wei­len auf der Höhe des An­se­hens und der Er­fol­ge. Gero, der be­rühm­te Mark­graf Ot­tos des Gro­ßen, der einen Teil des sla­wi­schen Lan­des zwi­schen Elbe und Oder er­ober­te, von dem das Volks­lied sang, dass er drei­ßig sla­wi­sche Gro­ße er­mor­det habe, en­de­te sein Le­ben im Klos­ter. Der Tod sei­nes letz­ten Soh­nes, in dem er auf Er­den wei­ter­zu­le­ben ge­hofft hat­te, er­schüt­ter­te das Herz, das in zahl­lo­sen Schlach­ten nie un­ru­hi­ger ge­schla­gen hat­te. Schon sein Va­ter hat­te ge­plant, ein Non­nen­klos­ter in der Nähe ei­ner sei­ner Bur­gen zu stif­ten; das führ­te er nun aus, um die Zu­kunft der jun­gen Wit­we sei­nes Soh­nes zu si­chern, die er, wie es scheint, zärt­lich lieb­te. Sie hat 55 Jah­re lang der Ab­tei Gern­ro­de als Äb­tis­sin vor­ge­stan­den. Dann ging er, nicht zum ers­ten Male, nach Rom und leg­te das zur Be­keh­rung der Hei­den ge­führ­te Schwert zu Fü­ßen des Paps­tes nie­der; schon nach an­dert­halb Jah­ren starb er. Für den Kriegs­mann wie für den Geist­li­chen war der Über­gang von der Erde zum Him­mel we­ni­ger als ein Schritt, nur ein Schlie­ßen der Au­gen: die ir­di­schen Lich­ter er­lö­schen, über der See­le ge­hen die gött­li­chen Ge­heim­nis­se auf.

      Her­zog Bern­hard zur Lip­pe, ein treu­er An­hän­ger Hein­richs des Lö­wen, wur­de aus ei­nem ge­fürch­te­ten Kriegs­mann, der vor Berau­bung von Klös­tern nicht zu­rück­ge­schreckt war, ein Kreuz­zugs­pre­di­ger und schließ­lich ein Bi­schof. Als Va­ter von fünf Söh­nen und sechs Töch­tern trat er in ein Klos­ter ein nach Über­win­dung

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