Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch Sachbücher bei Null Papier

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Idee, de­ren Ver­tre­ter sie ge­we­sen wa­ren und sein soll­ten. Jo­hann XII. gab kei­nen von den Genüs­sen auf, mit de­nen die jun­gen Ad­li­gen sich zu un­ter­hal­ten pfleg­ten, er wür­fel­te, jag­te, lieb­te und hand­hab­te nicht ein­mal die üb­li­chen christ­li­chen Fröm­mig­keits­for­meln, son­dern schwur bei den al­ten Göt­tern. Wenn er sich da­bei wohl so we­nig dach­te wie ein Mensch von heu­te, der »lie­ber Gott« sagt, so war ihm doch si­cher­lich der Name des Chris­ten­got­tes ein eben­so lee­res Wort. In­mit­ten die­ses zer­ris­se­nen Lan­des, die­ser sich kreu­zen­den Lei­den­schaf­ten und Rän­ke, be­griff Otto als die Auf­ga­be des Herr­schers, Ord­nung zu schaf­fen. Er brach­te den lan­go­bar­di­schen Kö­nig und sei­ne Frau als Ge­fan­ge­ne nach Deutsch­land, eben­so Papst Be­ne­dikt V., den sich die Rö­mer ei­gen­mäch­tig ge­setzt hat­ten. Denn er be­stä­tig­te zwar den Päps­ten die Schen­kun­gen Pi­pins und Karls des Gro­ßen, be­dang sich aber aus, dass kei­ne Papst­wahl ohne sei­ne Zu­stim­mung Gül­tig­keit ha­ben soll­te.

      Otto I. hat­te das Schick­sal ge­nia­ler Herr­scher, dass er sein Reich un­zu­läng­li­chen Nach­fol­gern über­las­sen muss­te. Sein Sohn und sein En­kel wa­ren Blü­ten am vä­ter­li­chen Bau­me, nicht Stäm­me, die mit ei­ge­ner Wur­zel aus der Erde wuch­sen. Otto II. war sym­pa­thisch durch sein feu­ri­ges Tem­pe­ra­ment und die Geis­tes­ge­gen­wart und Ver­we­gen­heit, mit der er nach der furcht­ba­ren Nie­der­la­ge, die die Sa­ra­ze­nen ihm zu­ge­fügt hat­ten, ent­floh und sich ret­te­te. Un­ter Ita­li­en ver­stand man da­mals die Halb­in­sel ohne Ve­ne­dig, das tat­säch­lich un­ab­hän­gig war, aber dem Na­men nach zum by­zan­ti­ni­schen Reich ge­hör­te; und ohne den Sü­den, Apu­li­en, Kala­bri­en und Si­zi­li­en, der teils grie­chisch war, teils von den Sa­ra­ze­nen er­obert. Es konn­te nicht an­ders sein, als dass die Kai­ser auch das süd­li­che Ge­biet an sich zu brin­gen such­ten, wo­durch die Be­zie­hun­gen zu By­zanz noch pein­li­cher wur­den als sie oh­ne­hin wa­ren. Wie die Rö­mer be­trach­te­ten auch die Grie­chen die Ger­ma­nen als Bar­ba­ren und wieg­ten sich im Vor­zug der äl­te­ren Kul­tur umso lie­ber, als sie die mi­li­tä­ri­sche Über­macht des ost­frän­ki­schen Rei­ches an­er­ken­nen muss­ten. Nur nach lan­gen schwie­ri­gen Ver­hand­lun­gen und in­fol­ge be­son­de­rer Um­stän­de er­lang­te Otto I. für sei­nen Sohn die Hand ei­ner grie­chi­schen Prin­zes­sin. Theo­pha­no scheint dem Ruf fei­ne­rer Bil­dung der Grie­chen ent­spro­chen zu ha­ben; das mach­te sich auch durch den Ein­fluss gel­tend, den sie auf ih­ren Sohn aus­üb­te, der schon von Na­tur mehr ein Sohn der Mut­ter als Erbe der Vä­ter war. Karl der Gro­ße und Otto der Gro­ße ver­ga­ßen nie, dass ihre ger­ma­ni­schen Völ­ker ih­nen die Mit­tel ga­ben, Ita­li­en zu be­herr­schen, der eine war Fran­ke, der an­de­re Sach­se, und das woll­ten sie sein. Otto III. woll­te den Schwer­punkt des Rei­ches nach Rom ver­le­gen. Es schi­en ein rich­ti­ger, ein großer Ge­dan­ke zu sein: wenn Rom das Haupt der Welt ist, wenn Rom die Cäsa­ren­kro­ne ver­gibt, muss der Kai­ser in Rom re­si­die­ren, müs­sen in Rom die Zü­gel ge­hal­ten wer­den, die die Welt len­ken, darf das deut­sche Reich nur eins ne­ben den an­de­ren Rei­chen sein, de­ren Haupt Rom ist. Tat­säch­lich war das neue Rö­mi­sche Wel­treich kein Kreis, son­dern eine El­lip­se mit den zwei Brenn­punk­ten Rom und Aa­chen; der uni­ver­sa­le Ge­dan­ke muss­te schei­tern, wenn man ihn durch eine Uni­ver­sal­mon­ar­chie mit ei­nem ein­zi­gen Mit­tel­punk­te ver­wirk­li­chen woll­te. Zum Zei­chen sei­nes cä­sa­ro­pa­pis­ti­schen Ge­dan­kens setz­te Otto III. Ver­wand­te und Freun­de auf den päpst­li­chen Stuhl, sei­nen Vet­ter Brun, den ers­ten deut­schen Papst, und sei­nen be­wun­der­ten Leh­rer, Ger­bert von Au­ril­lac.

      Die Deut­schen emp­fan­den den Wech­sel in der Po­li­tik ih­res Kö­nigs bit­ter. Der Uren­kel des Sach­sen­her­zogs Hein­rich, der En­kel des großen Otto, die nicht ein­mal La­tein ver­stan­den, die sich mit Vor­lie­be in Qued­lin­burg auf­hiel­ten und in den Wäl­dern des Har­zes jag­ten, war ein Frem­der im Nor­den; den Rö­mern aber blieb er fast noch frem­der als sein Groß­va­ter. Der war tat­kräf­tig, fol­ge­rich­tig, ein Herr­scher, der zu rech­ter Zeit zu ge­bie­ten, zu stra­fen, zu ver­zei­hen wuss­te; Otto III. woll­te zu­gleich die Welt be­herr­schen und ein Hei­li­ger sein. Otto I. wur­de ge­liebt und ver­ehrt, aber zu­gleich ge­fürch­tet. Ein­mal be­ga­ben sich die Mön­che von Sankt Gal­len mit ih­rem neu­er­wähl­ten Abt an den Hof nach Spey­er, um sich vom Kö­nig die Wahl be­stä­ti­gen zu las­sen. Ob­wohl sie das Recht der frei­en Abts­wahl be­sa­ßen, ka­men sie als Bit­ten­de und nicht ohne Sor­ge, denn sie wuss­ten, dass ihr Er­wähl­ter dem Herrn nicht son­der­lich ge­nehm war. Sie er­such­ten den jun­gen Otto um Für­spra­che, der auch als lie­bens­wür­di­ger Kron­prinz sich für ihr An­lie­gen ein­zu­set­zen ver­sprach, hin­zu­fü­gend: »Gott, in des­sen Hand die Her­zen der Kö­ni­ge sind, möge für euch mei­nen Lö­wen mild und ver­söhn­lich ma­chen.« Der Bi­schof von Spey­er sag­te ge­le­gent­lich zum Kai­ser: »Nie­mals wa­ren Au­gen schär­fer als die dei­ni­gen, mein Löwe.« Wie einen Lö­wen lieb­ten die Deut­schen sich ihre Herr­scher vor­zu­stel­len: furcht­bar, ge­fähr­lich, groß­mü­tig. Ge­gen das Ende sei­nes Le­bens be­such­te Otto zu­sam­men mit sei­nem Soh­ne das Klos­ter Sankt Gal­len. Die auf bei­den Sei­ten auf­ge­reih­ten lob­sin­gen­den Mön­che be­trach­te­ten scheu den al­ten Kö­nig, wie er mäch­tig in ih­rer Mit­te stand und die großen Au­gen mit Herr­scher­blick lang­sam über sie hin­glei­ten ließ. Otto III. ließ sich vom Bi­schof Adal­bert von Prag, der sei­ne Di­öze­se ver­las­sen hat­te, weil er un­ter der Ro­heit und Wi­der­setz­lich­keit der Böh­men litt, er­mah­nen, sich des Kai­ser­tums nicht zu über­he­ben, son­dern ein­ge­denk zu sein, dass er Staub sei, und knie­te wei­nend vor den Ere­mi­ten, die da­mals in Ita­li­en den Ruf der Hei­lig­keit ge­nos­sen. Er gab sich ab­wech­selnd schran­ken­lo­sen Herr­schafts­an­sprü­chen und halt­lo­ser Zer­knir­schung hin. »Eu­ret­we­gen«, rief er den auf­stän­di­schen Rö­mern zu, »habe ich mein Va­ter­land und mei­ne An­ge­hö­ri­gen ver­las­sen. Die Lie­be zu euch ließ mich mei­ne Sach­sen und alle Deut­schen, mein ei­gen Blut ver­schmä­hen. Eu­ret­we­gen habe ich die Miss­gunst und den Hass al­ler auf mich ge­la­den, da ich euch über alle stell­te. Und für all das habt ihr eu­ren Va­ter ver­wor­fen, mei­ne Die­ner grau­sam er­mor­det und mich, den ihr doch nicht aus­schlie­ßen könnt, aus­ge­schlos­sen!« Aber die Rö­mer un­ter­war­fen sich wohl ei­nem Herr­scher, der ih­nen sei­ne Kraft be­wies, einen from­men Schwär­mer und Bar­ba­ren, der sie mit wei­ner­li­chen Wor­ten an sich fes­seln woll­te, ver­ach­te­ten sie.

      Als Otto III. im Jah­re 1000 in Aa­chen war, ließ er sich die Gruft Karls des Gro­ßen öff­nen. Mit drei Beglei­tern drang er in das vom Ge­ruch der Ver­we­sung er­füll­te Ge­wöl­be ein und sah den to­ten Kai­ser, so er­zählt die Über­lie­fe­rung, auf­recht, als lebe er, auf sei­nem Stuh­le sit­zen. Er hat­te eine Kro­ne auf dem Haup­te, und die Nä­gel wa­ren durch die Hand­schu­he, die er trug, hin­durch­ge­wach­sen, ein grau­en­vol­les Zei­chen post­hu­mer Le­ben­dig­keit. Der To­ten Gra­bes­ru­he zu stö­ren war von der Kir­che ver­bo­ten und wi­der­streb­te dem Ge­fühl des Vol­kes. Man glaub­te, der edle Geist sei dem Kö­nigs Jüng­ling zür­nend er­schie­nen und habe ihm ein ruhm­lo­ses Ende ge­weis­sagt. Er starb zwei Jah­re spä­ter zu sei­nem und des Rei­ches Glücke: denn die Un­zu­frie­den­heit der Deut­schen wäre ver­mut­lich bald zum Aus­bruch ge­kom­men und hät­te ihn je­der Grund­la­ge be­raubt.

      Von den deut­schen

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