Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch Sachbücher bei Null Papier

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in die Schu­he zu nä­hen. Den aus der letz­ten rö­mi­schen Zeit stam­men­den Dom ließ Pop­po zu ei­nem drei­schif­fi­gen Hal­len­bau mit zwei Tür­men um­bau­en. Als er im Jah­re 1047 auf dem Bau­platz den Ar­bei­tern zu­sah, er­eil­te den Mäch­ti­gen der Tod durch einen Son­nen­stich. Er war ein Sohn des Mark­gra­fen Leo­pold I. von Ös­ter­reich.

      Sein Na­mens­vet­ter, Pa­tri­arch Pop­po von Aqui­le­ja, der un­ge­fähr gleich­zei­tig re­gier­te, ist der Er­bau­er des Do­mes von Aqui­le­ja und des Palas­tes, von dem nichts mehr als zwei Säu­len üb­rig­ge­blie­ben sind. Von der Höhe des Cam­pa­ni­le, den kräch­zen­de Doh­len um­schwär­men, sieht man im Nor­den die Häup­ter der Al­pen, Tri­glav und Krn und Mon­te Ma­ta­jur, im Sü­den die La­gu­nen und das Meer, im Wes­ten die grü­ne flim­mern­de Ebe­ne des Fri­aul, da­mals ein dem Pa­tri­ar­chat un­ter­wor­fe­nes Ge­biet. Der Pa­tri­arch Pop­po war ein Günst­ling der Kai­ser Hein­rich II. und Kon­rad II., de­ren Schen­kun­gen ihn zu ei­nem der reichs­ten Fürs­ten sei­ner Zeit mach­ten. Wie alle da­ma­li­gen Bi­schö­fe, um­gab er sich mit Mi­nis­te­ria­len und Va­sal­len und rich­te­te Ho­fäm­ter nach dem Mus­ter der Kai­ser­li­chen ein. Eben­so be­deu­tend als Kriegs­mann wie als Staats­mann be­sieg­te er die Un­garn, die in Krain ein­fie­len.

      Bi­schof Pil­grim von Passau fass­te den küh­nen Plan, das be­nach­bar­te Un­garn in sei­ne Di­öze­se ein­zu­be­zie­hen, sein Bis­tum zum Mit­tel­punkt der un­ga­ri­schen Kir­che, sich selbst zum Erz­bi­schof von Un­garn zu ma­chen. Zu die­sem Zweck woll­te er durch ge­fälsch­te Ur­kun­den glaub­haft ma­chen, dass das alte Lau­ria­kum an der Mün­dung der Enns in die Do­nau in frü­he­rer Zeit ein Erz­bis­tum ge­we­sen sei, mit dem Passau zu­sam­men­ge­han­gen habe, und er­such­te den Papst, das un­ter­ge­gan­ge­ne wie­der­her­zu­stel­len. Da­durch wäre Passau von Salz­burg un­ab­hän­gig ge­wor­den, eine Ver­än­de­rung, der der Erz­bi­schof von Salz­burg sich na­tür­lich wi­der­setzt hät­te. We­der Papst noch Kai­ser hat­ten für den groß­ar­ti­gen, fol­gen­rei­chen Plan Ver­ständ­nis. Otto III. un­ter­stütz­te viel­mehr das Be­stre­ben der Her­zö­ge Gei­sa und Ste­phan von Un­garn, ihr Land zu ei­nem selbst­stän­di­gen Staat zu ma­chen, und stand ih­nen bei, das Erz­bis­tum Gne­sen für Un­garn zu grün­den, wo­mit die Mög­lich­keit schwand, das Land, das bis­her po­li­tisch und kul­tu­rell vom deut­schen Rei­che ab­hän­gig ge­we­sen war, kirch­lich an Deutsch­land zu bin­den. Das selt­sa­me Auftau­chen von Pil­grims Na­men im Ni­be­lun­gen­lie­de hat zu der An­nah­me ge­führt, das größ­te Epos der Deut­schen sei an sei­nem Hofe, viel­leicht un­ter sei­nem Ein­fluss ent­stan­den. Da wo die Do­nau sich der Ost­mark zu­wen­det, mö­gen sich wohl die Lie­der von der bur­gun­di­schen Kö­nigs­toch­ter, die vom Rhei­ne her, un­ge­sät­tig­te Ra­che im Her­zen, den schil­fum­ra­schel­ten Strom hin­un­ter zu tra­gi­scher Hoch­zeit fuhr, im Ge­dächt­nis des Vol­kes er­hal­ten ha­ben.

      Ein Freund der al­ten Volks­ge­sän­ge war der schö­ne Bi­schof Gün­ther von Bam­berg, der auf ei­ner Pil­ger­fahrt ins Hei­li­ge Land mehr­mals für den Kö­nig ge­hal­ten wur­de, was wohl mit sei­ner Schön­heit und stol­zen Hal­tung zu­sam­men­hing. Bei den vie­len Aben­teu­ern, die die Pil­ger, un­ter de­nen noch an­de­re Kir­chen­fürs­ten und meh­re­re Gra­fen und Her­ren wa­ren, zu be­ste­hen hat­ten, ging Gün­ther al­len an un­er­schüt­ter­li­chem Mut vor­an. Kurz vor Je­ru­sa­lem wur­den sie von Ara­bern über­fal­len; ein Teil wur­de er­mor­det, ein an­de­rer warf sich un­ter Gün­thers Füh­rung in einen fes­ten Turm und ver­tei­dig­te sich dort. Nach­dem ein Waf­fen­still­stand ge­schlos­sen war, wur­den meh­re­re Ara­ber­fürs­ten ein­ge­las­sen, um über den Preis der Be­frei­ung zu ver­han­deln. Ei­ner von die­sen be­droh­te Bi­schof Gün­ther, den er für den höchs­ten von al­len hielt, in ro­hen Wor­ten mit dem Tode. Kaum hat­te Gün­ther durch den Dol­met­scher er­fah­ren, was der Mann ge­sagt hat­te, als er, nicht im Ge­rings­ten be­un­ru­higt, den Feind mit ei­nem Faust­schlag zu Bo­den streck­te und ihm mit dem Fuße die Keh­le zu­drück­te. Ei­ni­ge Wo­chen spä­ter konn­ten die An­däch­ti­gen am Hei­li­gen Gra­be ihre Ge­be­te ver­rich­ten. Als die Pil­ger auf der Rück­rei­se die Do­nau er­reicht hat­ten, knie­te Gün­ther nie­der und küss­te die Erde; gleich dar­auf er­krank­te er und starb, noch jung, ohne sein ge­lieb­tes Bam­berg wie­der­ge­se­hen zu ha­ben. Von ihm sagt der zeit­ge­nös­si­sche Chro­nist, er habe sich nicht mit Au­gus­tin oder Gre­gor, son­dern mit Et­zel, Ama­lung und ähn­li­chen Un­ge­heu­ern be­schäf­tigt, und habe die Schnei­dig­keit des Schwer­tes für ein bes­se­res Be­weis­mit­tel ge­hal­ten als die Spitz­fin­dig­keit ge­lehr­ter Un­ter­su­chun­gen.

      Im We­sen vie­ler die­ser Kir­chen­män­ner wa­ren Hoch­mut mit De­mut, Aus­ge­las­sen­heit, Wild­heit, Aben­teu­er­lust und Pracht­lie­be mit Gott­er­ge­ben­heit und As­ke­se wun­der­lich ge­mischt. Die eben noch mit Be­geis­te­rung Hie­be aus­ge­teilt oder an reich­be­setz­ter Ta­fel ge­schwelgt hat­ten, über­schwemm­ten bald dar­auf den Bo­den der Kir­che mit Trä­nen.

      Groß war aber auch die Zahl de­rer, die ihr Le­ben in staats­män­ni­scher Ar­beit ver­zehr­ten und da­ne­ben das Bei­spiel der Sit­ten­rein­heit und pries­ter­li­chen Fröm­mig­keit ga­ben.

      Die Lei­den und Ent­beh­run­gen, zu de­nen die Frau durch die Na­tur be­stimmt ist, wird kei­ne mensch­li­che Ein­rich­tung je ganz auf­he­ben kön­nen; denn wer be­frei­te sie von der Lie­be zu den Kin­dern, die von die­sen nie im sel­ben Gra­de er­wi­dert wird, von ih­rer An­häng­lich­keit an den Mann, der im Wech­sel glück­lich ist, von ih­rem Schwel­gen in Un­ter­ord­nung, das ihre Be­herr­scher erst recht zu Ty­ran­nen macht, von ih­rem Pf­licht­ge­fühl, das sie an Haus und Fa­mi­lie bin­det, von der Zart­heit ih­res Ge­wis­sens, das ihr man­ches ver­bie­tet, was der Mann sich er­laubt, und ihr man­ches auf­er­legt, was der Mann ver­nach­läs­sigt. Sieht man ab von den Be­schrän­kun­gen, mit de­nen die Na­tur die Frau ein­ge­engt hat, so fin­det man, dass so­wohl die ger­ma­ni­sche Auf­fas­sung wie die der Kir­che der Frau güns­tig war. Das Wort Frau heißt Her­rin, und Her­rin­nen wa­ren die ad­li­gen und frei­en nor­di­schen Frau­en, von de­nen Ge­schich­te und Sage mel­den. Durch das Ge­setz al­ler­dings war die Frau vom Man­ne ab­hän­gig und von der Be­tä­ti­gung im staat­li­chen Le­ben ganz aus­ge­schlos­sen, wenn sie auch im Volks­recht ei­ni­ger Stäm­me dop­pel­tes Wer­geld ge­noss und auch sonst ge­wis­se Züge auf eine zart­füh­len­de Berück­sich­ti­gung der kör­per­lich schwä­che­ren und geis­tig so wirk­sa­men, der op­fer­be­rei­ten, mit so schwe­rer Verant­wor­tung be­la­de­nen Ge­fähr­tin deu­ten. Al­lein man kann auf die Gel­tung, die eine Klas­se von Men­schen hat, nicht nur aus dem Ge­setz schlie­ßen. Die enge Be­zie­hung zwi­schen Mut­ter und Sohn, Va­ter und Toch­ter, Bru­der und Schwes­ter, Mann und Frau schuf im täg­li­chen Le­ben Ge­wohn­hei­ten, die der Frau mehr zu­wen­de­ten, als das plum­pe Ge­setz ihr nahm. So­weit die Per­sön­lich­keit wir­ken konn­te, hat­te die Frau viel Ein­fluss. Lässt er sich sel­ten aus­drück­lich be­rech­nen, so spie­gelt er sich dar­in, dass die Über­lie­fe­rung oft, wenn ein Mann et­was im Gu­ten oder Bö­sen Auf­fal­len­des, et­was Sieg­haf­tes oder Un­heil­vol­les tat, die Mut­ter oder Frau da­für ver­ant­wort­lich mach­te.

      Un­bän­di­ger

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