Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch Sachbücher bei Null Papier

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ver­kehr­ten. Das In­ter­es­se für die glei­chen Ge­gen­stän­de, für Ar­men- und Kran­ken­pfle­ge, für Poe­sie und Kunst führ­te sie zu­sam­men, Frau­en und Geist­li­che wa­ren ge­bil­de­ter als die welt­li­chen Män­ner, sie be­trach­te­ten die Din­ge in ei­nem Lich­te, das sie in­ter­essan­ter, be­deu­ten­der, viel­ge­stal­ti­ger er­schei­nen ließ. Be­greif­lich ist es auch, dass die Müt­ter we­nigs­tens ei­ni­ge ih­rer Söh­ne der Kir­che zu über­ge­ben lieb­ten, wo sie ei­ni­ger­ma­ßen vor dem Tod im Krie­ge ge­si­chert wa­ren, wo ihre Be­ga­bung ge­pflegt wur­de und sich ent­fal­ten konn­te. So dach­te zum Bei­spiel die Grä­fin von Go­seck, eine ge­bo­re­ne Grä­fin von Wei­mar, von de­ren Söh­nen ei­ner, Adal­bert, der be­rühm­te Erz­bi­schof von Bre­men wur­de. Die rit­ter­li­che Er­zie­hung der Kna­ben war so hart, sie ver­lief zwi­schen Pfer­den und Waf­fen, im Stal­le, im Sat­tel, un­ter Knüf­fen und Püf­fen, dass es dem Her­zen man­cher Mut­ter weh­tun moch­te, be­son­ders wenn das Kind zart war und dar­un­ter litt.

      Das Chris­ten­tum hat mit sei­ner An­prei­sung der De­mut wohl nicht nur im gu­ten, son­dern auch im üb­len Sin­ne zäh­mend ge­wirkt, in­dem es mit der Wild­heit der heid­nischen Frau ihre fri­sche Kraft dämpf­te; aber es setz­te ihre weib­li­che Wür­de nicht her­ab, ver­klär­te sie viel­mehr in ih­ren we­sent­li­chen Ei­gen­schaf­ten. Das über­ir­di­sche Ge­heim­nis der Emp­fäng­nis und Mut­ter­schaft hat­te sein Sym­bol in der jung­fräu­li­chen Mut­ter des Herrn, in der das Wort Got­tes Fleisch wur­de. In den klei­nen dunklen Kir­chen der ot­to­ni­schen Zeit sah man sie un­nah­bar groß, den wun­der­ba­ren Sohn auf dem Arme, eine Göt­tin mit un­er­gründ­li­chem Lei­dens­blick, man sah sie un­schul­dig ernst, halb ab­ge­wen­det der Bot­schaft des En­gels lau­schen, der die Fül­le himm­li­scher Herr­lich­keit vor sie hin­stürzt, man sah sie, das Herz von Schwer­tern durch­bohrt, sah die Über­win­de­rin auf­wärts schwe­ben, das ver­jüng­te Haupt mit der Kro­ne des Le­bens ge­krönt. Sie, die Got­tes­ge­bä­re­rin, die Him­mels­kö­ni­gin, war in al­len ir­di­schen Lei­den ge­prüft. Und er­leb­te nicht jede Frau das Wun­der, dass ih­rem Scho­ße ein Kind ent­sprang, dem Gott die See­le ein­hauch­te? Das un­lös­ba­re Ge­heim­nis der Ge­burt band die Frau an den Gott, des­sen Atem dem Ge­schöpf die letz­te Vollen­dung zur Men­schen­wür­de gibt; ihm brach­te man es dar nicht erst bei der Tau­fe; schon vor­her, als es noch un­ge­stal­tet in ih­rem Scho­ße lag, muss­te es durch sie von sei­nem Wort be­seelt wer­den. Im Mär­chen wird die Frau, die be­schul­digt wur­de, an­statt ei­nes mensch­li­chen Kin­des einen Hund oder einen Wolf zur Welt ge­bracht zu ha­ben, zum Feu­er­to­de ver­ur­teilt; wie eine Ket­ze­rin oder Zau­be­rin, eine Gott­lo­se, er­scheint die, de­ren Kind kein Men­schen­ant­litz trägt, also kein Got­tes­kind ist.

      Ne­ben der Ma­ria ste­hen vie­le große Hei­li­ge: Mar­ga­re­te, die Drachen­tö­te­rin, Ag­nes, die im Hau­se der Un­zucht ihre Rein­heit be­wahrt, Ka­tha­ri­na, Do­ro­thea und vie­le an­de­re, die von dem to­d­über­win­den­den Hel­den­mut der Frau und ih­rer Über­zeu­gungs­treue zeu­gen. In der Hoch­schät­zung der Jung­fräu­lich­keit traf die christ­li­che Auf­fas­sung mit der ger­ma­ni­schen zu­sam­men. Die Wal­kü­ren ver­lo­ren ihre Kraft mit der Jung­fräu­lich­keit, das Blut oder der Kuss ei­ner rei­nen Jung­frau hat im Mär­chen er­lö­sen­de Kraft. Da­rin wird nicht nur die Tat­sa­che ge­wür­digt, dass die Frau durch die sinn­li­che Lie­be oft bis zur Be­täu­bung des Ge­wis­sens und zum Ver­lust der ei­ge­nen Per­sön­lich­keit vom Man­ne ab­hän­gig wird, son­dern wohl auch die an­de­re, dass die zu­rück­ge­dräng­te Kraft ge­schlecht­li­cher Lie­be sich in schöp­fe­ri­sche Geis­tes­kraft um­set­zen kann. Die Hei­li­ge trat für den Ger­ma­nen an die Stel­le der we­gen ih­res pro­phe­ti­schen Geis­tes oder we­gen ih­rer Zau­ber­kunst ver­ehr­ten Frau­en. Sieht man, mit was für ge­dul­di­ger Auf­merk­sam­keit ein so im­pe­ra­to­ri­scher Kö­nig wie Fried­rich I. Bar­ba­ros­sa die Straf­pre­dig­ten der Hil­de­gard von Bin­gen auf­nahm, kommt es ei­nem vor, als habe die Ehr­furcht in ihm nach­ge­wirkt, die sei­nen heid­nischen Vor­fah­ren die Se­he­rin als die von den Göt­tern Er­wähl­te ein­flö­ßte.

      Dass die Frau die fro­he Bot­schaft ver­ständ­nis­voll auf­nahm, hat die ra­sche Ver­brei­tung des Chris­ten­tums er­leich­tert, wenn nicht er­mög­licht. In vie­len Fäl­len wur­den die Kö­ni­ge und Volks­häup­ter, die das Bei­spiel ga­ben, durch die Frau be­kehrt. Es ist im­mer die Frau, die den Sinn für das Über­sinn­li­che hat, und Frau­en wa­ren es, die das ei­gent­li­che We­sen des Chris­ten­tums er­kann­ten oder er­fühl­ten. Ih­nen emp­fahl sich der Chris­ten­gott nicht, weil er der mäch­tigs­te, son­dern weil er der lie­ben­de war, der ge­rech­te und gnä­di­ge, der der Sün­de wehrt und dem reui­gen Sün­der ver­zeiht. Die Frau als die kör­per­lich Schwä­che­re, als Mut­ter zu Schmerz und Op­fer und zur Hü­te­rin von Haus und Fa­mi­lie be­stimmt, ver­stand die Re­li­gi­on, wel­che die Ge­walt durch die Kraft des lie­be­vol­len Geis­tes und durch den Glau­ben an den Sieg des Gu­ten über­win­det. Die Hei­li­gung der Ehe durch die Kir­che ent­sprach dem In­ter­es­se der Frau, die den Kin­dern den Va­ter er­hal­ten will, die aus Lie­be zu den Kin­dern auf den Wech­sel ver­zich­tet, und der, da ihre zar­te Kör­per­lich­keit den Reiz früh ein­büßt, der den Mann an­zieht, die Ver­klä­rung des ehe­li­chen Ver­hält­nis­ses durch das Sa­kra­ment will­kom­men sein muss­te. Von der un­ge­re­gel­ten Lei­den­schaft der nor­di­schen Hei­den hat­ten wohl Frau­en Ge­nuss und Vor­teil; aber über­wie­gend lit­ten doch Frau­en dar­un­ter. Denn es ist un­um­gäng­lich, dass der na­tür­li­che Mann sich sei­ner über­le­ge­nen Kraft be­dient, um die Frau zu be­herr­schen und um sich ih­rer zu ent­le­di­gen, wenn sie ihm im Wege ist, nicht sel­ten mit der­sel­ben Lei­den­schaft, die er ein­setz­te, um sie zu ge­win­nen, so­lan­ge er sie be­gehr­te. Drück­ten nun auch Päps­te und Bi­schö­fe zu­wei­len ein Auge zu, wenn es sich um mäch­ti­ge Her­ren han­del­te, so ha­ben sie doch im All­ge­mei­nen auch sol­chen ge­gen­über die ge­kränk­te Frau be­schützt. Die Fa­mi­lie konn­te zu ei­nem be­frie­de­ten Be­zirk wer­den, in­ner­halb des­sen, wenn rings­um un­ge­zähm­te Lei­den­schaft, Hab­sucht und Macht­gier der Gro­ßen sich aus­tob­ten, vor­züg­lich un­ter der müt­ter­lich re­gie­ren­den Hand der Frau sich die­je­ni­gen Tu­gen­den er­hiel­ten, die der Ge­sund­heit und dem Glücke des Vol­kes zu­grun­de lie­gen.

      Dass die Re­ge­lung des Ver­hält­nis­ses zwi­schen Mann und Frau durch die Kir­che nichts mit Zim­per­lich­keit und Sin­nen­feind­lich­keit zu tun hat­te, be­weist die Un­be­fan­gen­heit, mit der die Dir­nen in den öf­fent­li­chen Frau­en­häu­sern be­trach­tet und be­han­delt wur­den. Sie er­schie­nen bei fest­li­chen An­läs­sen als eine stän­di­sche Grup­pe ne­ben an­de­ren, oft mit Blu­men ge­schmückt, und wenn an der Rück­sicht, die man auf sie nahm, auch der fi­nan­zi­el­le Ge­winn einen An­teil hat­te, den Stadt­rä­te oder Fürs­ten aus ih­nen zo­gen, so zeig­te sich doch auch die Nei­gung des gan­zen Vol­kes dar­in, die­se Mit­bür­ge­rin­nen sich eher mit Wohl­wol­len ein­zu­glie­dern, als sie zu ver­ach­ten oder sich an ih­nen zu är­gern. Auch in die­ser Be­zie­hung brach­te das Chris­ten­tum wohl Ve­red­lung, aber nicht Ver­ge­wal­ti­gung der Na­tur; die »Toch­ter Got­tes« soll­te nicht nur für ihre schö­nen Trie­be, son­dern auch für Aus­ge­las­sen­heit und Un­art Spiel­raum ha­ben.

      Otto

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