Deutsche Geschichte. Ricarda Huch
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Ein anderer Verwandter Kaiser Heinrichs II., mit dem er gleichfalls gern Neckereien trieb, und der noch mehr Anlass dazu bot als Meinwerk, war Bischof Megingaud von Eichstätt. Er war ein fröhlicher Zecher und liebte es nicht, sich die Essenszeit durch das vorgeschriebene Psalmensingen und Beten verkürzen zu lassen. Wenn er ein Kloster besuchte und man ihn, wie üblich, mit Gesängen begrüßen wollte, stellte er sie durch einen Wink ab, um desto eher zu Tisch gehen zu können. Wenn er das Hochamt hielt, kam es vor, dass er sich ärgerlich die Sequenz verbat und gleich zum Evangelium überging: »Die Narren lassen mich mit ihrem Gesang vor Hunger und Durst sterben«, sagte er. Er wurde leicht heftig und fluchte gern; mit den hundert Flüchen, für die er einmal die Erlaubnis erhielt, war er im Umsehen fertig. Wenn die übrigen Bischöfe sich vor dem Kaiser erhoben, blieb er sitzen, weil er der ältere sei, und die Bibel gebiete, den Älteren zu ehren. Trotz seiner Heftigkeit und Formlosigkeit wurde er geliebt. Sein Biograf fügte dem Bericht, dass Megingaud die Priester zuweilen, um schnell damit fertig zu werden, im Walde geweiht habe, die Bemerkung hinzu, dass Gott diese formlose Priesterweihe im Walde vielleicht lieber gewesen sei als die von manchem Bischof in der Kirche vollzogene; denn Megingaud sei ohne Falsch gewesen.
Eine große politische Rolle spielte Willegis, wozu ihn schon seine Stellung zuerst als Kanzler Ottos I., dann als Erzbischof von Mainz und Erzkanzler berief. Er hat zurzeit der beiden letzten Ottonen die Einheit des Reiches gewahrt und dem tüchtigen Herzog von Bayern, Heinrich II., die Krone zugewendet. Willegis war ein Sachse, wie man annimmt in Schöningen geboren; dass er niederen Herkommens, etwa gar ein Höriger gewesen sei, wird neuerdings bezweifelt, aber gewiss ist, dass er in den Kreisen des hohen Adels nicht beliebt war. Für die Armen sorgte er durch Almosenspenden und Speisungen, wobei er sich persönlich beteiligte; er selbst aß erst, nachdem er die Armen bedient hatte. Ebenso war er streng in der Beobachtung der Gebetsstunden, aber auf grundsätzliche mönchische Askese legte er keinen Wert; auf Gottesfurcht komme es an, pflegte er zu sagen, ein Kanoniker, ja ein Laie könne Gott ebenso angenehm sein wie ein Mönch. Von der kluniazensischen Reform wollte er nichts wissen. Mit viel Verständnis ordnete er das Schulwesen und sorgte dafür, dass die armen Schüler nicht zurückgesetzt wurden. Seine Bautätigkeit war außerordentlich. Ein seltsames Geschick wollte, dass sein Dom am selben Tage, wo er ihn geweiht hatte, durch Feuer zerstört wurde; nur ein Teil der Fundamente ist in der Prachtgestalt des heutigen Domes erhalten. Am Marktportal desselben befinden sich die Erztüren mit den Löwenköpfen, die Willegis in Nachahmung der Türen des Aachener Doms für die während der Französischen Revolution zerstörte Liebfrauenkirche gießen ließ.
Willegis dankte seinen Aufstieg einem Geistlichen namens Volkold, der ihn unterrichtete, erzog und dem Könige empfahl. Die Vertreibung Volkolds, der später Bischof von Meißen wurde, durch die aufrührerischen Tschechen gab Willegis Gelegenheit, seine Dankbarkeit zu erweisen: er nahm den Pflegevater herzlich auf und bereitete ihm in Erfurt eine Heimat. Seinerseits brachte Willegis durch seine Empfehlung einen tüchtigen Mann auf den Bischofsstuhl zu Worms, Burchard, der als erster ein geschriebenes Recht für seine Familie, nämlich die auf dem Stiftsgebiet ansässigen, der Kirche und ihrer Gerichtsbarkeit untergebenen Leute, verfasste. »Wegen der unablässigen Klagen der Armen«, so beginnt das berühmte Hofrecht, »und der zahlreichen Gewalttaten vieler Personen, die wie Hunde die Familie des heiligen Petrus zerfleischten, indem sie den dieser Familie Zugehörigen alle möglichen Gesetze aufbürdeten und die Schwachen durch ihre Urteile unterdrückten, habe ich, Bischof Burchard, unter dem Beirat meines Klerus, meiner Vasallen und der ganzen Familie diese Gesetze aufzeichnen lassen, damit kein Stiftsvogt, Viztum, Ministerial oder sonst eine rechtweisende Person der genannten Familie etwas Neues auferlegen könne, sondern dass reich wie arm ein und dasselbe Gesetz vor Augen gestellt werde und allen gemeinsam sei.« Der mächtige Bischof erließ kein Gesetz ohne die Mitwirkung und Zustimmung nicht nur des Klerus und seiner Vasallen, sondern auch seiner Untergebenen.
Burchard zeigte sich als geschickter Politiker, indem er die salischen Herzöge zum Verlassen der Stadt Worms zu bewegen wusste und dadurch ihr alleiniger Herr wurde. Als solcher hat er sie in fünfundzwanzigjähriger Regierung innerlich und äußerlich gepflegt und gehoben. Willegis nacheifernd baute er den Dom auf einer alten Kultstätte, wo eine frühchristliche Basilika gestanden hatte, die vom Blitz vernichtet und noch nicht wieder aufgebaut war. Das herrliche Gebäude ist wohl mehrfach verändert, aber in der Grundanlage erhalten geblieben; die Festigkeit seiner Mauern hat im Jahre 1689 der systematischen Zerstörungswut der Franzosen getrotzt. Bis zur Vollendung des Doms von Speyer war der Dom von Worms die Begräbnisstätte der Salier; hier ruht Herzog Konrad der Rote, der Schwiegersohn Otto I., der in der großen Ungarschlacht fiel. Jetzt ist der Dom fast das einzige Denkmal aus Worms’ großen Tagen.
Ein großer Bauherr war Burchards Zeitgenosse, Erzbischof Poppo von Trier. Von einer Reise nach Jerusalem brachte er