NECROSTEAM. Группа авторов

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von Babelsberg und Berkmann. Letzterer berichtete, dass der Name der Malakofftürme von Wanderarbeitern aus der Krim übernommen war, die die mächtigen Bauwerke so nannten, da sie sie an eine Festungsanlage in Sewastapol gleichen Namens erinnerten.

      »Warum heißen die Türme nicht Bourtange?« Berta von Babelsberg unterdrückte einen Hustenanfall, der Gestank nach Verbranntem war stärker als je zuvor, und mir war, als würde feinster Ruß zwischen meinen Zähnen knirschen. »Es gibt hier doch wohl mehr Niederländer als Kaschuben, Masuren, Schlesier, Slawen, Surschyken und Ukrainer zusammen?«

      »Die haben hier nicht viel zu sagen.« Berkmann wrang seine Hände.

      »Blödsinn.« Berta von Babelsberg drückte das Tuch für einen tiefen Atemzug an ihre Nase. »Hier müssten Abertausende von Flamen, Walloniern, Holländern und sogar Artoisen angekommen sein. Die meisten konnten sich retten, als das Meer stieg und die Deiche brachen. Die müssen hier doch Einfluss haben. Ihr Fabrikanten müsstet doch Probleme mit den Steamstorma haben?«

      »Nicht so sehr.« Berkmann warf mir einen Hilfe suchenden Blick zu. Als ich nicht half, eilte er auf den Ausgang zu. »Wir haben angelegt Baronesse. Es ist mir eine Ehre, sie im Ruhrgebiet willkommen zu heißen.« Er hakte ein Geschirr aus der Wand und hielt es Berta von Babelsberg zurecht. Erst jetzt setzte die Planke auf einer Zinne auf. Bis zum Malakoffturm waren es nur wenige Meter, aber wer abrutschte, würde in die Tiefe stürzen.

      Berta von Babelsberg schnaubte, ging ohne Sicherung hinüber und ließ sich von einem Gerüsteten von der Zinne hinab auf das Turmdach helfen. Etwas stimmte mit dem Mann in Vollrüstung nicht, aber ich war zu beschäftigt mit meiner Panik, die wieder aufwallte, und heilfroh, dass mir Berkmann ins Geschirr half.

      Das Betreten der Planke verlangte mir Ähnliches ab, wie einem verurteilten Seemann der Sprung von selbiger. Es war nicht die Höhe, ich war schon oft mit Luftschiffen geflogen und sogar schon auf fast tausend Meter von Schiff zu Schiff gewechselt. Nein, es war die Tatsache, dass ich die Graf von Paris verließ, die mir die letzte Blase an Sicherheit schien, vor der wahnsinnigen Welt da draußen. Ich neigte sonst nicht zu Angst oder Panik, sonst hätte ich kaum meine Stellung erreicht – aber da lauerte etwas anderes. Etwas Urtümliches, als wären die Drohungen, die mir als kleiner Junge von der Kanzel herab ins Mark gedrungen waren, Wirklichkeit geworden und Gott selbst würde uns zürnen. Ach, wäre es doch bloß Gott gewesen, so hätten wir auf Barmherzigkeit hoffen können.

      Als ein Gerüsteter mir von den Zinnen half, wurde mir klar, was mit ihm nicht stimmte. Es war kein Mensch. Sein Leib, seine Glieder, sein Kopf, sogar seine Finger bestanden aus Metall. Aus seinen Gelenken strömte bei jeder Bewegung Dampf, so kräftig, dass es ein dumpfes Pfeifen gab.

      »Wie können sie sehen?«, fragte Berta von Babelsberg nach einem Hustenanfall.

      Mir standen Tränen in den Augen und ich atmete nur in kleinen, flachen Schüben. Mir war, als könnte ich die Rußpartikel in der Luft tanzen sehen.

      »Lassen Sie uns nach unten fahren, da ist es besser.« Berkmann winkte uns zu einer Schiebetür in einer Aufbaute aus Ziegelsteinen, die von der Gasflamme gekrönt war. Einer der Metallenen begleitete uns in die kleine Kammer im Inneren und legte einen Hebel um. Dampf zischte durch Röhren um uns herum, dann bewegte sich das ganze Zimmer abwärts.

      Das Ding neben mir hatte keine Augen, keine Nase und keine Ohren. Nicht einmal einen Mund, geschweige denn eine Zunge, unter die Rabbi Löw seinem Golem den Zettel mit seinen Anweisungen gelegt hatte. Genau dieses Gefühl löste das Wesen in mir aus, das eines Golems, der zu jeder Zeit einen Stadtteil zerstören und einen Menschen zerreißen könnte. Ich legte meine flache Hand an seinen Leib und spürte warmes Eisen.

      »Wir nennen sie Dampfmänner. Sie haben hinten eine Klappe, um Kohle nachzulegen.« Berkmann klopfte unserem stummen Begleiter auf den Rücken und erzeugte einen metallischen Klang.

      »Wie können sie sehen?« Berta von Babelsberg betrachtete die glatte, gebogene Oberfläche, dort, wo Menschen ein Gesicht haben.

      »Das müssen sie Friedrich Harkort fragen.« Diesmal pochte Berkmann dem Dampfmann auf die Brust.

      Märkische Maschinenbau-Anstalt – Harkort & Co war da eingraviert.

      »Wir haben auch so einen, bei uns zu Hause. Die Diener bringen ihm bei, was er zu tun hat, wie einem kleinen Kind. Normalerweise brauchen sie zwei, drei Jahre, dann können sie einfache Aufgaben sicher ausführen. Dummerweise orientieren sie sich an ihren Erziehern. Manche legen sich jeden Tag acht Stunden schlafen, manche versuchen zu rauchen oder zu trinken. Es ist nicht ganz leicht, ihnen in ihrer gesamten Erziehungszeit nicht versehentlich solche Unarten beizubringen.«

      »Können sie Polizeiaufgaben übernehmen, oder die eines Soldaten?« Berta von Babelsberg studierte den Klappmechanismus am Rücken.

      »Das ist vermutlich zu komplex, aber mit der Zeit …« Berkmann zuckte mit den Schultern.

      »Seit wann werden sie gebaut?«

      »Soweit ich weiß, hat Harkort 1839 mit der Konstruktion begonnen. Gleich nach dem Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in den Fabriken. Plötzlich fehlten uns Tausende Arbeiter. Kinder unter neun Jahren durften gar nicht mehr arbeiten und Kinder unter vierzehn nur noch zehn Stunden am Tag. Die Niederlande waren noch nicht überschwemmt, also war von dort keine Hilfe zu erwarten, und aus dem Osten kamen längst nicht genug Arbeiter.«

      Das Zimmer stoppte und vor uns glitten die Türen auf.

      Ich hatte mich auf das Gespräch konzentriert, um das Gefühl in mir niederzukämpfen, einen Schornstein hinabgestoßen zu werden, an dessen Ursprung mich kein Feuer erwartete, sondern … ja was? Die Monstren meiner Kindheit? Die antiken Wesenheiten, deren wirkliches Vorhandensein durch die Geschichten der Bibel schimmerte, wie die Fratze eines Mörders hinter nachtspiegelnden Fensterscheiben?

      Vielleicht war es auch nur die zunehmende Atemnot, die der scharfe Brandgeruch in mir auslöste, genau wie das Gefühl, eingeengt zu sein und nicht entkommen zu können.

      Unten angekommen verschlang mich nichts. Tatsächlich war der Nebel weniger dicht als nur zehn Meter weiter oben, aber der Brandgeruch blieb und das schleifende Gefühl zwischen den Zähnen. Ruß und Kohlestaub legten sich auf meine Haut, wie ein fettiger Film, den ich nur verschmieren, aber niemals entfernen könnte, wenn ich ihn wegreiben wollte. Meine Augen fühlten sich an, als wären Sandkörner mit meiner Hornhaut verschmolzen.

      Vor dem Malakoffturm wartete ein Vierspänner. Statt auf den Rücken von Pferden lag die einzige Deichselbrille auf den Schultern eines Dampfmannes. Er hielt eine mächtige Gasfackel in beiden Händen. Der Flammenschein tanzte über seinen matten Körper, das rußige Holz der Kutsche, die Pflastersteine (voll Kohlestaub) und die roten Backsteine aus denen der mächtige Malakoffturm gebaut war, der bis weit in den grauen Nebel über uns ragte. Und selbst auf der grauen Nebeldecke schimmerte noch das rötliche Licht der Gasfackel.

      Berta von Babelsberg blieb stehen und starrte das Gespann an. »Ein einzelner Dampfmann ersetzt vier Pferde?«

      »Ja.« Berkmann öffnete die Tür der Kutsche und klappte den Tritt herunter.

      Als auch ich in der Kutsche saß, blickte ich zurück in das Tor des Malakoffturms, bis zu dem fahrbaren Zimmer. Auch dort ein Gaslicht, viel kleiner als das des Dampfmannes an der Deichsel. Und dort der Dampfmann, der die Verbeugung eines Dieners nachahmte, der seine Kopfbedeckung aufhielt, um einen Sechser zu ergattern. Nur dass der Dampfmann keine Mütze hielt. Obwohl er keine Augen hatte, beschlich mich das Gefühl, er würde uns nachstarren.

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