NECROSTEAM. Группа авторов

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NECROSTEAM - Группа авторов

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der Rußnebel und die höheren Häuser ragten in ihn hinein. Vereinzelt schepperten Dampfmänner über die Kopfsteinpflaster. Hier und da lungerten hohlwangige Gestalten in den Hauseingängen. Wir stiegen im Hotel Middendorf ab, getrennte Zimmer selbstverständlich. Ich schlief furchtbar, und als mich Berta von Babelsberg wach klopfte, wähnte ich mich noch mitten in der Nacht. Dämmerlicht ließ mich Details im Zimmer erkennen, ohne dass ich ein Gaslicht gebraucht hätte, heller wurde es den ganzen Tag nicht. Ich hustete den Nachtschleim aus und betrachtete ihn in meinem Taschentuch. Das unansehnliche Geglibber war mit kleinen, schwarzen Punkten versehen.

      Wir frühstückten in einer stillen Ecke des Hotelrestaurants und planten den Tag. Baroness Berta von Babelsberg würde neben Friedrich Harkort und Friedrich Krupp mit Hermann Piepenstock, Jacob Mayer, Eduard Kühne, Wilhelm Stein, Peter Göring, August Thyssen und natürlich Ernst Berkmann sprechen, um dem Kaiser einen möglichst umfangreichen Eindruck aus dem Ruhrgebiet mitbringen zu können. Mich würde sie als unpässlich entschuldigen, offiziell würde ich im Hotelzimmer darniederliegen.

      In Wirklichkeit sollte ich durch die Straßen des Ruhrgebiets streifen und Anzeichen der Steamstorma suchen. Überall wo die niederländischen Flüchtlinge sich niedergelassen hatten, verbreiteten sie ihre kruden Theorien über die Gefährlichkeit der Kohlenutzung. Kern ihrer Behauptungen beruhten auf missverstandenen wissenschaftlichen Berechnungen von John Tyndall (einem Engländer, wem anders als dem Empire kann solch ein Unsinn entspringen) und dem Schweden Svante Arrhenius, der mittlerweile in Würzburg in Haft saß.

      Angeblich sollte der Anstieg von Kohlenstoffdioxid in der Luft zu einer weltumspannenden Erwärmung führen, was die Polkappen abschmelzen und die Meere anschwellen ließ, was letztlich den Untergang der Niederlande und auch Hamburgs herbeigeführt habe. Nun, jeder, der die Bibel gelesen hat, weiß, dass es schon immer Sintfluten gegeben hatte und … Es ist nicht meine Absicht, Platz für die Widerlegung dieses Unsinns zu verschwenden. Interessanter ist, dass die Steamstorma sich über die ganze Welt ausbreiteten und versuchten, die Montan- und Stahlindustrie zu zerstören, wo immer sich eine Möglichkeit bot. Von überall kamen Berichte, sogar aus Indien, nur nicht aus dem Ruhrgebiet. Noch schlechter als schlechte Nachrichten nimmt der Kaiser es auf, wenn ihm etwas verschwiegen wird. Deswegen waren wir hier.

      Vielleicht hatte ich mich an den Brandgeruch gewöhnt, vielleicht hellte die Aussicht auf den abendlichen Abflug mein Denken auf, in jedem Fall schien es mir, als könne ich etwas freier atmen und das seltsame Angstgefühl, das hell in mir gekreischt hatte, zog sich zu einem dumpfen Pochen in meine Knochen zurück. Im Dämmerlicht, das hier als helllichter Tag durchging, schlenderte ich durch die Häuserschluchten. Immer wieder verdrängte ich den seltsamen Gedanken, nur auf einer dünnen Haut zu gehen, unter der Abertausende von Schächten lagen, in denen sich etwas durchfraß, etwas, das viel echter und ursprünglicher war als all die Bauten aus Stein und Stahl um mich herum. Die Haut mochte aufreißen oder einbrechen oder vielleicht würde auch etwas herausstoßen und alles verschlingen.

      Nur allmählich fiel mir auf, was alles nicht stimmte. Hinter vielen Fenstern lagen unbewohnte Zimmer, obwohl das Ruhrgebiet seit Jahrzehnten Ziel von Wanderarbeitern und Flüchtlingen war. Nirgends sah ich niederländische Namen an den Hauseingängen, keine einzige niederländische Gaststätte – dafür neben vielen deutschen, ein Kajteks Eck, das Gdanska, die Taurisschenke und das Dschankoj.

      In Letztere kehrte ich ein und versuchte bei einem schäumenden Wallrabe mit dem wortkargen Wirt ins Gespräch zu kommen. Vermutlich erkannte er mein Berlinern, denn redselig wurde er, abgesehen von einem bellenden Husten, nie. Nein, er kenne keine Holländer und auch keine Flamen. Ja, früher habe es die hier viel gegeben. Nur kurze Zeit, dann seien sie wieder weg gewesen. Wohin? Ob er aussehe wie ein Zeitungsjunge oder ein Polizist. Die Geschäfte liefen schlecht genug, wenn ich nur ein Gespräch wolle und kein Getränk, ginge das bestens im Gdanska.

      Im Gdanska schenkte ein schwindsüchtiges Fräulein Strucks aus. Ich nahm eines, setzte mich an die Theke und wartete. Jeder der wenigen Gäste hatte einen trockenen, bellenden Husten, der die Stille durchriss. Auf den Tischen standen Gaslichter, denn es war schummrig in der Stube. Hell wurde es draußen wegen des rußigen Nebels sowieso nicht, und auf den Fenstern lag ein Schlier aus Kohlestaub, der das wenige Licht noch mehr dämmte.

      Draußen schepperte ein Trupp Dampfmänner vorbei. Der Vorangehende wirkte wie der Meister und die anderen wie die Lelleks, wie sie hier im Ruhrgebiet sagten. Oder wie ein Lehrer mit seinen Schülern.

      »Suchste Arbeit?« Einer der Gäste hatte sich an mich herangepirscht und saß jetzt neben mir. Unter dem Schnurrbart sah ich eine Zahnlücke.

      »Nee, nen Bekannten von mir, Arjen, ein Flame.«

      »Flamen gibt’s hier nich.« Zahnlücke trank sein Strucks leer und knallte es auf die Theke.

      Ich deutete der Schwindsüchtigen, es ihm nachzufüllen.

      »Er ist kurz nach der Flut gekommen, mit seiner Familie, ist angeblich in diese Straße gezogen.«

      Zahnlücke wartete, bis sein Glas nachgefüllt war, trank einen Schluck, wischte sich Schaum vom Schnurrbart. »Hier warn viele Flamen, sind alle eingefahren, Vollmond, Vulkan, Zollern und nie wieder raus. Kommen viele nicht mehr raus.«

      Ich sah ihn verständnislos an.

      »Aus den Zechen.« Zahnlücke zog das Strucks weg.

      »Und was ist mit den Frauen und Töchtern?« Ich deutete schon wieder, damit meinem Gesprächspartner der Gerstensaft nicht ausging.

      »Na, die auch, da unten siehste ‘wieso nich’, ob Männlein oder Weiblein.«

      »Und was machen die da unten?«

      Jetzt war es an Zahnlücke mich verständnislos anzustarren.

      »Naja, wieso kommen sie nicht mehr raus?«

      Die Schwindsüchtige füllte neues Strucks in Zahnlückes Glas, der mich traurig anblickte. Er riss seinen Rachen auf und knallte seine verbliebenen Zähne aufeinander. »Haps.«

      »Haps?«

      »Is’ gut jetz’, Marcel, lass meine Gäste in Ruh’.« Die Schwindsüchtige nahm Zahnlückes volles Glas und stellte es ans andere Ende der Theke.

      Die anderen Gäste blickten mich an, als wäre ich etwas Feindseliges, Fremdes. Etwas wie eine menschengroße Ratte, die in ihre Gaststätte marschiert war und sich erdreistete, einer der ihren sein zu wollen.

      Zahnlücke zuckte mit den Schultern. »Der alte Mann wird sie wohl geholt haben«, und verzog sich zu seinem Strucks.

      Mehr würde ich hier nicht erfahren. Ich warf der Schwindsüchtigen dreißig Pfennig auf die Theke und ging.

      Eine Milchkutsche stand eine Straße weiter, statt Pferd ein Dampfmann, wenigstens der Milchkutscher war ein Mensch. Er stellte die Flaschen in die Hauseingänge. Auf dem durchsichtigen Glas sah ich den Kohlestaub.

      Ob’s hier Flamen gäbe?

      »Nein, hier stehen immer mehr Zimmer leer. Was seltsam ist. Ich sehe ständig neue Wanderarbeiter ankommen.« Der Milchmann wischte sich die Hände an der Schürze ab, an der schon viele Kohlespuren zu sehen waren.

      »Wie erklären Sie sich das?«

      Der Milchmann schwang auf den Kutschbock. »Keine Ahnung, werden wohl vom Erdboden verschluckt, oder der alte Mann holt sie.« Der Milchmann schnalzte und der Dampfmann erwachte zum Leben und zog

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