NECROSTEAM. Группа авторов

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haben, und wenn jemand den ausspricht, erwacht er und verschlingt die ganze Welt.«

      »Deinen Mund sollst du halten.« Die Alte hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ein Säufer war dein Vater, nur damit du’s weißt. Alles, was der gehört hat, war der Gesang seiner Flasche.«

      Es wurde dunkler im Zimmer, der Nebel hatte sich bis unter das Fenster gesenkt. Von der Straße hörte ich Mütter, die ihre Kinder herein riefen. Der Geruch nach Verbranntem ließ mich würgen. »Sagen Sie mir die Wahrheit. Was wissen Sie? Wo sind all die Menschen hin?« Ich kramte in meinen Taschen und legte alle Münzen, die ich fand, auf den Tisch. Ich weiß nicht, was mich antrieb, wusste nur, dass sich meine Angst in Panik verwandelt hatte und ich zu spüren meinte, wie die Dielen unter mir schwankten. Das Gefühl von Tiefe unter dem Boden stellte sich wieder ein und von etwas Monströsem, das sich unter mir, nein, unter der ganzen Region wand, als hätte es Schmerzen oder furchtbaren Hunger. Der Preis der Pracht.

      »Was soll ich Ihnen sagen? Sie sind in die Stollen gegangen und dort geblieben. Die Fabrikanten haben auch deren Familien in die Stollen geschickt, genau wie jeden Fremden, der zu uns kommt, um sein Glück zu suchen.«

      »Die Brüder sagen, die alten Polen nennen die Dampfmänner Rabota, weil sie nur Arbeit kennen.«

      »Halt den Mund, Emil.« Die Alte schob die Geldstücke zusammen. »Und Sie verschwinden jetzt.«

      Ich starrte aus dem Fenster. Der Nebel hatte sich bis auf die Straße gesenkt. In den dunklen Schwaden erahnte ich riesige Schatten, Tentakeln gleich, die aus der Erde wuchsen. »Bitte lassen Sie mich bleiben.« Meine Stimme war dünn wie die eines Kindes.

      »Wo müssen Sie denn hin?«

      »Hotel Middendorf.« Draußen lauerte das Ding hinter der Wirklichkeit und machte mich wimmern.

      »Emil wird Sie führen. Er kennt die sicheren Wege.«

      Die sicheren Wege? Was waren die unsicheren?

      Die Alte drückte mir ein Staubtuch in die Hand und band ihrem Enkel ein anderes um Mund und Nase. »Macht schon, ich will euch nicht hier haben, wenn er kommt.« Sie drückte Emil eine Gaslampe in die Hand.

      Wenn wer kommt?, wollte ich fragen, doch Emil zog mich bereits die Treppe hinunter und ich lief hinter ihm her, wie ein Zicklein hinter dem bimmelnden Bock, voll Angst, von den Wölfen gefressen zu werden.

      Vom Erdboden verschluckt.

      An den Weg zum Hotel Middendorf will ich mich nicht erinnern. Mag sein, dass ich mein Lebtag noch nie so viel Grauen empfunden habe, wie in diesem tödlichen Dampf. Meine Augen brannten, Tränen versuchten vergeblich, die Fremdkörper aus ihnen zu spülen. Mein Nacken verkrampft noch heute, wenn ich an diesen Weg denke, denn das Gefühl, von etwas gepackt und in den Erdboden gezogen zu werden, springt in mir auf.

      Ich weinte vor Dankbarkeit, als wir das Hotel Middendorf erreichten. Davor stand der Vierspänner mit dem Dampfmann.

      Die Baronesse erwartete mich bereits. Ihre Haut wirkte wächsern und blass. »Wir brechen auf, jetzt.«

      Aus der Kutsche heraus sah ich im Nebel das blasse, rotznäsige, rotäugige Gesicht von Emil, rötlich schimmernd im Licht seiner Gaslampe.

      Berta von Babelsberg und ich sprachen kein Wort, bis wir in der Graf von Paris waren und uns sicher, dass der Gestank nach Schwefel und Ruß nur noch aus unseren Haaren und Kleidern drang und nicht mehr aus der Luft um uns herum.

      »Ich möchte nichts hören«, wies mich Berta von Babelsberg an, setzte sich im Kartenraum hinter den Schreibtisch und griff zu Füller und Papier. »Nur eins, haben sie Spuren der Steamstorma gefunden, ja oder nein?«

      »Nein.«

      Sie schrieb. Weil ich den Brief an den Kaiser versiegelte und mich um die Zustellung kümmerte, weiß ich, was sie geschrieben hat.

      Keine neuen Erkenntnisse. Ruhrgebiet funktioniert. Brauchen mehr Arbeiter.

      – BB

      Ich war nie wieder im Kohlenpott. Doch ich weiß, dass die Stahllieferungen für die Werften und Dampflokomotiven weiterhin zuverlässig sind und nach wie vor Arbeiter aus der Fremde in die Region an der Ruhr ziehen. Viele mit ihren Familien, auf der Suche nach dem Glück. Während ich diese Zeilen schreibe, blicke ich auf die Straßen von Berlin. Hier gibt es neuerdings Rikschas, die von Dampfmännern gezogen werden. Die Wiemann-Werft soll sie auch einsetzen. Einige der Dampfmänner wurden zerbeult und zerschlagen in Nebengassen gefunden, scheint, als wären die Steamstorma hier aktiv. Doch die Dampfmänner sind zäh. Ich weiß immer noch nicht, wie sie wahrnehmen. Aber ich bin sicher, auch ohne Augen beobachten sie uns.

      Die Frage ist nur … für wen …

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      Sophia Rosenberger: Der Krieg der Universitäten

      Eine halbe Tagesreise nordwestlich des altehrwürdigen Londons, dort, wo sich die Themse noch schmal und friedlich durch die südenglische Ebene zieht, liegt ein Tal, das seit einem Jahrzehnt niemand mehr betreten hat. Auf den meisten Landkarten Englands wird es durch einen großen, schwarzen Fleck gekennzeichnet, von dem aus sich in alle Himmelsrichtungen Arme wie die eines gierigen Seesterns ausstrecken. Lässt man den Blick von diesem Punkt ein Stück gen Nordosten wandern, findet man am Ufer des Flusses Cam einen ebensolchen unheimlichen Fleck.

      Jahrhundertelang hatten an diesen beiden Orten zwei legendäre Städte gestanden, die erst die Wiegen des Wissens, dann die Hochburgen der Macht des gesamten Empires gewesen waren: Oxford und Cambridge. Es hatte Zenturien, Millennien gedauert, hatte Lebenszeiten an Arbeit, Leidenschaft und Erfindergeist gekostet, sie zu dem zu machen, was sie in ihren Glanzzeiten darstellten. Doch es bedurfte lediglich einer einzigen schicksalhaften Nacht, beide für immer verschwinden zu lassen.

      In nur einer Nacht barsten gläserne Paläste, und goldene Spitztürme stürzten ins bodenlose Nichts. Und mit ihnen fiel auch England, das, ohne sein pulsierendes Herz des Fortschritts und der Triebkraft, unter der Last seines Weltreiches zusammenbrach. Über diese eine Nacht spricht niemand. Zumindest nicht außerhalb stiller Kämmerlein und geflüsterter Erzählungen am Kamin. Daher will ich, nun, da jene Nacht mehr als zehn Jahre zurückliegt, erzählen, wie es wirklich dazu kam, dass unsere Landkarten derart entstellt sind. Denn ich war dabei.

      Der Aufstieg – und damit wohl zugleich auch der Sturz – Cambridges nahm im selben Jahr seinen Lauf, in dem Königin Victoria den englischen Thron bestieg. Tatsächlich munkeln einige, beides habe sogar mit dem Tag ihrer Krönung begonnen, auch wenn dafür heute keinerlei Beweise mehr existieren, denn sämtliche Tagebücher und Dokumente jener Zeit sind ebenso vom Erdboden verschwunden wie Cambridge selbst. Doch sämtliche Geschichtsbücher vermerken das Jahr 1837 als das der großen Veränderungen. Eine junge Victoria trat ihre Herrschaft an, John Herschel entdeckte am Nachthimmel eine Myriade neuer Galaxien – und Cambridge erwachte aus seinem universitären Schlummer.

      Erst waren es nur einzelne der dort tätigen Wissenschaftler, die plötzlich von heute auf morgen Durchbrüche in ihrer Forschung erzielten. Doch im Verlauf weniger Monate, nein, Wochen, schienen sie alle – scheinbar im Schlaf – die Lösung ihrer mathematischen, physikalischen und chemischen Probleme zu finden. Gleichzeitig bescherte diese Zeit den Studierenden eine Eingebung nach der anderen. Bahnbrechende Konzepte und Erfindungen, die bis zu diesem Zeitpunkt als pure Fiktion wahnwitziger

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