NECROSTEAM. Группа авторов

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NECROSTEAM - Группа авторов

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Angst kroch aus meinen Knochen, hinein in meine Glieder und besetzte mein Herz, das bis in den Hals pochte. Der Brandgeruch stach mir wieder in die Nase, und ich musste husten. Ich beugte mich zum Boden und befühlte die Pflastersteine, fast erwartete ich eine Wärme, so wie in dem Moment, als ich den Dampfmann berührt hatte, oder gar eine Bewegung, als wäre der Boden wirklich Haut und darunter flösse Blut und irgendwo schlage ein riesiges schwarzes Herz und seien schwarze Gedärme und ein schwarzer Schlund, der …

      … verschluckte.

      Die Pflastersteine waren kalt. Als ich mich aufrichtete, sah ich meinen Handabdruck im Kohlestaub.

      Ich ging weiter, bog in eine ungepflasterte Straße ein und hörte Kinder lärmen. Von hinten kam eine Gruppe, barfuß und mit Wachstafeln an Schnüren über ihren Schultern. Sie hatten rote Augen und rotzige Nasen und umspülten mich, so achtlos wie Wasser einen Stein. Rufe aus den Fenstern. Frauen, die Wäsche auf Leinen zogen, die hoch über mir über die Straße gespannt waren. Auf dem nassen Stoff sah ich schon die ersten schwarzen Punkte.

      »Wo woll’nse denn hin?« Ein Junge mit Mütze und roten Augen ging neben mir.

      »Ich such jemanden«, begann ich mit meiner Legende, »einen Flamen.«

      »Die Flamen sind alle weg, so wie mein Vadda, den hat der Vollmond verschluckt.«

      »Die Zeche Vollmond?«

      »Ja, sindse doch von hiea.« Der Junge zog eine Zigarette aus seinem Hemd. »Zigarette nue nen Pfennig.«

      »Ne ganze Mark, wenn du mir sagst, wie dein Vater verschwunden ist und was mit den ganzen Flamen passiert ist.«

      Der Junge zog die Nase hoch und spuckte aus. Sein Rotz war schwärzer als der Nebel. »Weiß nich’ genau, aber meine Omma weiß vielleicht was. Meine Brüder sagen, sie weiß alles.«

      Der Junge brachte mich zu dem mehrstöckigen Haus, in dem er lebte. Er erzählte, dass sein Vater noch nicht so lange weg sei, wie die Flamen, dass seine Brüder bei Cosack & Co arbeiten würden, denn Drahtziehen sei allemal besser als unter Tage. Bevor es die Treppen hinaufging, klopfte sich der Junge im Hauseingang ab, dass der Staub nur so flog. Drinnen tunkte er seine Füße in einen Holzeimer voll Wasser und trocknete sie ab.

      »Ihre Schuhe solltense mindestens abbürsten, sonst muss Omma das Treppenhaus machn.«

      Tatsächlich schwebte im Treppenhaus nicht so viel Staub wie draußen und es gab auch keine Schlierschicht. Der Junge führte mich nach oben. »Wir haben ‘ne ganze Etage, die anderen Familien sind einfach wech, keine Ahnung wohin und die neuen nehmen lieber Wohnungen, wo die Straßen gepflastat sind.«

      Hier fehlten so viele Menschen. Wo waren die alle? Es gab keine Berichte über große Unfälle oder Krankheitsausbrüche, keine Anzeichen von Abwanderung. Immer nur Arbeiter und ganze Familien, die ins Ruhrgebiet zogen, weil es da was zu schaffen gab.

      Die Oma des Jungen war eine gebeugte Frau mit keuchendem Husten. Sie schnitt mir und dem Jungen ein Brot auf, beschmierte die Scheiben mit Butter, streute Salz darüber und setzte sich zu uns an den Tisch.

      Ich erzählte meine Legende und legte die versprochene Mark auf den Tisch.

      »Die Flamen sind in die Zechen eingefahren und nie wieder ausgefahren. Genau wie Emils Vater. Ende der Geschichte. Glaub kaum, dass Ihnen das ne Mark wert ist.«

      Ich biss von meinem Brot ab, kaute und schluckte. Die Salzkörner knackten zwischen meinen Zähnen. Sollte ich einfach gehen? Der Baronesse wahrheitsgetreu sagen, dass ich keine Spuren der Steamstorma gefunden hatte und all die anderen Seltsamkeiten vergessen? Ich schluckte den Brei aus Brot, Butter und Salz hinunter.

      »Es wird doch geredet unter Bergleuten. Da wird doch irgendwas passiert sein. Unfälle vielleicht.«

      »Ja.« Die alte Frau strich ihrem Enkel Krümel vom Kinn. »Unfälle gab’s, doch die Ruhrbarone lesen davon nicht gerne in der Zeitung. Und weil ihnen die Zeitungen gehören …« Sie zuckte mit den Schultern. »Niemand frisst die Hand, die einen füttert.«

      »Was für Unfälle?«

      »Einstürze, Grubengas, manchmal als Explosion, manchmal schleichend. Und sie haben zu schnell zu tief gegraben, die Bewetterung kam zu langsam hinterher – da unten kann kein Mensch mehr atmen, geschweige denn arbeiten. Allein das hat ein paar Hundert das Leben gekostet.«

      Ein paar Hundert? Sollte es so viel Leerstand wie hier überall im Ruhrgebiet geben, redeten wir von Tausenden, Zehntausenden. Ach, was machte ich mir vor, Hunderttausenden, allein all die Menschen, die aus den Niederlanden ins Ruhrgebiet gekommen waren.

      »Was ist mit dem alten Mann?« Emil schob sich den letzten Bissen in den Mund.

      Die Alte erstarrte, das Messer halb im Brotlaib versenkt, um eine neue Scheibe zu schneiden. »Was weißt du vom alten Mann?«

      »Die Brüder haben erzählt, dass Papa davon erzählt hat. Darf ich noch eins?«

      Die Alte schnitt weiter, ihr Rücken war gerade geworden. Etwas knallte gegen das Fenster. Wir zuckten zusammen. Auf dem Sims lag eine tote Taube. Der erste Vogel, den ich gesehen oder gehört hatte. In dieser Stadt schien es keine Pferde, keine Hunde, keine Katzen zu geben. Und der bisher einzige Vogel lag tot auf dem Sims.

      »Was ist das?« Emil war aufgesprungen und betrachtete durch das schwarzschlierige Glas das Federtier.

      »Eine Taube. Setz dich wieder, kriegst noch ne Stulle.«

      Emil setzte sich wieder.

      »Erzählen Sie.« Ich legte ein zweites Markstück auf das erste.

      »Alberne alte Legenden.« Die Scheibe war geschnitten, und die Alte strich die Butter. »Die Bergleute erzählen von einem alten Mann mit einer Laterne. Er erscheint unerfahrenen Bergleuten, die sich verirrt haben. Entweder führt er sie statt ins Licht immer weiter in die Dunkelheit, bis sie nie wieder aus den Gruben finden und elendig verhungern müssen …«

      Die Alte griff in das Salzfass und streute das weiße Gold auf die gelbe Butter auf dem dunklen Brot. Der Junge grapschte danach und senkte seine Zähne in die Stulle.

      »Oder?«, hauchte ich. Etwas presste mir die Luft ab. Mir schien, als würden sich die Fenster nach innen wölben, weil irgendetwas herein wollte.

      Vom Erdboden verschluckt.

      »Was oder?« Die Alte säbelte noch eine Scheibe.

      »Sie haben ›entweder‹ gesagt, da fehlt ein ›Oder‹.«

      Der Junge hustete, schwarzer Brotkrumen und schwarzer Schleim landeten auf dem Tisch.

      »Nicht so gierig.« Die Alte holte einen Lappen und wischte die Bescherung weg. Sie stellte dem Jungen ein Glas Milch hin. Ich schwöre, ich sah schwarzen Staub darin schwimmen.

      »Oder der alte Mann erscheint den Verzweifelten, die nichts mehr finden. Er führt sie herab in die tiefsten Tiefen, wo die Erde sie verschlingt und in ihren Gedärmen zu neuer Kohle quetscht. Aber das ist Unsinn.«

      »Es ist der Gott der Tiefe, die Brüder sagen, Vater habe seinen Gesang gehört.«

      »Halt den Mund

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