NECROSTEAM. Группа авторов

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Cam. Als das Weihnachtsfest 1837 nahte, war ganz Cambridge mit elektrischen Laternen beleuchtet.

      Kaum einen Monat später erfolgte der nächste Durchbruch:

      Die junge Assistentin eines Physikers erwachte morgens aus einem surrealen Traum und schrieb, völlig klar und doch wie in Trance, eine Formel in ihr Notizbuch. Als sie sie ihrem Vorgesetzten präsentierte, alarmierte dieser den gesamten Campus. Ein halbes Jahr später hatte man anhand ihrer Erkenntnisse und Berechnungen ein neues, vielseitig einsetzbares Element synthetisiert: den Æther. Industrie und Forschung überschlugen sich in Euphorie. Labors platzten aus allen Nähten, Werkstätten wurden errichtet, und binnen zweier Jahre wuchs Cambridge um das Dreifache an. Wissbegierige und Unternehmergeister des Landes wurden von der Metropole angezogen wie Wespen von einem Glas Zuckerwasser. Selbst das Königshaus vermochte sich ihrem Sog nicht zu entziehen, und so verlegte Victoria im Jahre 1839 persönlich ihr Domizil von London nach Cambridge, in den eigens dort errichteten Victoria Palace.

      Unter den genialen Köpfen Cambridges befand sich auch Charles Babbage, dessen zumeist als Zukunftsmusik verschriene Konzepte künstlicher Gehirne im Jahre 1840 plötzlich physische Form annahmen: Olimpia, die erste ihrer Art, erblickte das elektrische Licht der Welt. Was als einfache Rechenmaschine begonnen hatte, avancierte durch eine nächtliche Offenbarung Babbages zu einer Frau aus Metall und Zahnrädern. Olimpia war ein Uhrwerksmensch, eine automatische Dienerin mit menschengemachtem Intellekt. Und sie sollte nicht die einzige ihrer Art bleiben. Nur ein Jahr später übergaben zahllose Unternehmer, wohlhabende Bürger und Wissenschaftler Cambridges ihre Arbeiten in die Messinghände der ersten Generation von Babbage-Automaten.

      Die Stadt wuchs nicht nur, sie verwandelte sich auch. Nach einiger Zeit fiel den Bewohnern Cambridges auf, dass die pulsierende Energie ihrer Lampen und Generatoren sich auf andere, sonderbare Weise zu manifestieren begann. Das kühle Licht der Laternen schien in den Boden zu sickern und in der Luft hängen zu bleiben wie Dämpfe eines chemischen Experiments. Die Energieleitungen schien ein seltsames Glimmen zu umgeben, das über Wochen und Monate hinweg deutlicher und heller wurde, bis den ersten Beobachtern die Kristalle auffielen. Winzige, kristalline Partikel, die ein kühles, türkisfarbenes Licht verströmten, sammelten sich und umschwebten scheinbar schwerelos Laternen und Maschinen. Wie leuchtende Aquamarinsplitter tanzten sie in der feuchten, englischen Luft. Was anfangs Besorgnis auslöste, wurde bald zum Versuchsobjekt der Cambridger Wissenschaftler. Doch nach langwierigen, aufwendigen Experimenten kamen alle Beteiligten zu dem Schluss, dass die Kristalle als Folge hoher Ætherkonzentration im Stadtgebiet zu betrachten seien. Tatsächlich schien das türkise Glühen nur im Stadtkern Cambridges aufzutreten. Sobald man die Innenstadt verließ, verschwand auch das Leuchten. Als keine schädliche Wirkung der Kristalle nachgewiesen werden konnte, wurde Entwarnung für die Bevölkerung gegeben. Die Stadt setzte ihr wucherndes Wachstum fort, und das überirdische Leuchten wurde heller. Wenn im Frühjahr und Herbst der Nebel aus den Flusswindungen der Cam kroch und den Ort einhüllte, glomm Cambridge gleich einer versunkenen Stadt am Grunde des Ozeans. Die Luftschiffe über dem türkisen Dunst wirkten dann wie Wale, die über Atlantis hinwegzogen; die Schnellbahnen auf ihren hochbeinigen Schienenkonstruktionen dagegen glichen Muränen, die sich durch ein aquatisches Höhlensystem schlängelten.

      Hätten die Bewohner der Metropole geahnt, was wirklich hinter den schwebenden Leuchtpartikeln steckte, sie alle hätten ihr Heil in der Flucht gesucht. Dass die funkelnden Irrlichter gleichsam Vorboten des Untergangs Cambridges sowie ganz Englands sein könnten, ahnte damals keine Seele. Auch nicht die Neider, die von Südwesten auf ihren Konkurrenten schauten und in verletztem Stolz nach einem Weg suchten, mit Cambridge gleichzuziehen. Denn die ewigen Rivalen, die im Schatten der träumenden Türme Oxfords jahrhundertelang die Elite des Landes gelehrt hatten, vermochten das Glück ihrer Widersacher nicht zu teilen. Die Oxforder Gelehrten mussten zusehen, wie im Nordosten ein nie da gewesener Moloch erwuchs, der junge wie alte Menschen in sich aufsog und stetig weiter wucherte und gedieh. Zugleich begann weiter flussabwärts die einstige Hauptstadt des Landes zu kränkeln, ähnlich einem Baum, dem man die Wurzeln durchtrennt hatte. Londons altehrwürdige Fassaden bröckelten, verlassene Fabriken und Häuserblocks säumten die Straßen, leere Hüllen und bloße Erinnerungen an einst glorreiche Tage.

      Oxford sah sich gezwungen, zu handeln. Tiefe Verzweiflung mischte sich mit verletzter Ehre und wurde zu einer giftigen Verbindung, die sich hartnäckig in den Geistern der Oxforder Genies festsetzte. Der Rat der Universitätsleitung beschloss, man dürfe den eigenen Ruf nicht derart kläglich im Sande der Bedeutungslosigkeit verlaufen lassen. Rekrutierungsverfahren und Stipendien wurden ins Leben gerufen, mit dem Ziel, junge Denker in die verschlafene Universitätsstadt zu locken. In den ersten Jahren funktionierten diese Anreize noch, und was Cambridge durch augenscheinlich pures Glück vollbrachte, glich Oxford durch harte Arbeit wieder aus. Die Wissenschaftler und Techniker im Süden schrieben sich die Finger blutig, während ihre Konkurrenten in seligem Schlummer genialste Ideen einfach erträumten.

      Als Fleiß und Mühen schließlich nicht mehr ausreichten, griffen die Oxforder auf weniger edle Mittel zurück. Von blankem Neid getrieben, verließen sie den Pfad der Moral. Spione und Saboteure wurden in Cambridge eingeschleust, und binnen weniger Monate wandelte sich die vormals klare Führung Cambridges zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen.

      Ich erinnere mich gut an den Tag, an dem Oxfords Ausmaße diejenigen Cambridges erreichten. Es war mein achtzehnter Geburtstag im Jahre 1856, und die gesamte Stadt befand sich im Ausnahmezustand. Ausgelassen feierte man den hart erkämpften Gleichstand und den – da waren sich alle einig – bald bevorstehenden Sieg über den Erzrivalen. Ich selbst empfand die Feierlichkeiten nicht als positiv, geschweige denn frohsinnig. Wer genau hinsah, erkannte damals schon, dass der Verfall seine Klauen auch bereits ins Herz Oxfords geschlagen hatte. Als ich mit meinen damals noch so klaren, wachen Augen durch die engen, üppig geschmückten Straßen schlich, spürte ich, dass in jedem Winkel eine unheimliche Düsternis lauerte. Jedes gesellige Beisammensein schien sich innerhalb weniger Stunden in hitzige Streitereien zu verwandeln. Einer dunklen Wolke gleich, sammelten sich die Eifersucht, der getriebene Wille und der blinde Hass der vergangenen Jahre über der Stadt.

      Doch die Ausschreitungen jener Nacht schienen den obersten Köpfen der Universität keine Warnung zu sein. Stattdessen wurden sämtliche Bemühungen verdoppelt und verdreifacht. Stellte Cambridge ein neues Luftschiff vor, entwarfen die Oxforder ein schnelleres, leichteres, besseres. Entwickelte ein Cambridger Arzt eine Uhrwerksprothese für Kriegsveteranen, machten die Oxforder sie beweglicher, geschickter und leichter zu steuern. Cambridge hatte Babbage und seine metallene Grazie Olimpia. Und Oxford hatte Gabriel Loxley, dessen Uhrwerkskreation sowie seine treuen Diener: die mechanische Kalliope und einen ihm ergebenen Menschen – mich, Scorpio Wolfe.

      Loxley war eines der wenigen Universalgenies, die gänzlich ohne Betrug und gestohlene Ideen auskamen. Ursprünglich zog mich die helle Flamme seines Intellekts zu ihm hin, aber sein warmes und angenehmes Wesen, das er nur seinen engsten Vertrauten offenbarte, hatte mich über die Jahre in seiner Nähe gehalten. Kalliope, eine Frau, deren mechanische Natur einzig der metallene Glanz ihrer goldenen Haut verriet, war eine Schöpfung Loxleys. Sie bewegte sich wie wir, sie dachte wie wir, und sie sprach – so selten das auch vorkam – wie wir. Schön und unwirklich in ihrer Erhabenheit, zeigte sie sich gleichermaßen verblüffend wie bestürzend in ihrer Auffassungsgabe. Loxley stellte sie ein Jahr nach Babbages großem Olimpia-Durchbruch fertig, hatte jedoch zuvor bereits ein Jahrzehnt seines jungen Lebens in ihre Konstruktion investiert. Sie sollte eine ebenso starke wie zuverlässige Dienerin und Gefährtin werden, und genau das gelang ihm. Doch in der Flut Cambridger Entwicklungen ging seine großartige Errungenschaft unter.

      Einzig in Oxforder Kreisen wusste man Loxleys Erfindergeist, wie auch sein grenzenloses Wissen über die Welt und das, was außerhalb unserer bewussten Wahrnehmung lag, zu schätzen. Und aus diesem Grund rief man uns am Neujahrstag 1859 zum obersten Dekan des Oxforder Universitätsrates. Der Tag war klirrend kalt, und das Kopfsteinpflaster so eisig, dass selbst Kalliopes leichte Schritte ein ums andere Mal ins Stolpern gerieten. In perfektem Gleichschritt gingen

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