NECROSTEAM. Группа авторов

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auch bereits an diesen Ort mitgenommen hatte, erschien er mir doch jedes Mal wieder wie ein seltsames Märchenschloss. Den riesigen, quadratischen Innenhof des Colleges überspannte seit Neuestem eine kristallene Kuppel. Unter deren schützender Wärme verwandelte man das ordentliche Grün des Hofes in ein paradiesisches Tropenhaus, in dem exotische Vögel und Schmetterlinge umherflatterten wie bunte Feenwesen. Doch der schöne Schein konnte meine Sinne nicht trügen: Christ Church College sah bezaubernd aus, jedoch herrschte gespenstische Stille in diesen prachtvollen Hallen. Die Dunkelheit Oxfords ließ die Tiere verstummen und klammerte sich mit kalten Fingern an die alten Mauern.

      Der Dekan erwartete uns in seinem Studierzimmer. Ein Feuer loderte im Kamin, doch es verbreitete kaum Wärme. Der Dekan machte gerade Anstalten das Wort zu ergreifen, als Loxley ihm zuvorkam: »Sie benötigen meine Hilfe, Dekan? Womit kann ich Ihnen dienen?«

      Der Angesprochene schnaubte und ließ sich hinter seinem Schreibtisch in einen lederbeschlagenen Sessel fallen. »Sie wissen, in welcher Funktion ich Sie hergebeten habe.«

      Loxley gab Kalliope einen Wink. Diese schritt zu einem kleinen Tischchen, auf dem der Dekan Spirituosen aller Art aufbewahrte, und schenkte Gin in zwei Kristallgläser. Wie immer folgte ich gebannt jeder ihrer Bewegungen. Die schlichte Eleganz, mit der sie jede Arbeit verrichtete, fesselte meine Aufmerksamkeit jeden Tag aufs Neue. Als ihre silbernen, pupillenlosen Augen meinem Blick begegneten, wandte ich mich ab. Hitze stieg mir ins Gesicht. Sie sah mich unverwandt an. Hätte ihr metallener Mund lächeln können, sie hätte es getan.

      Im nächsten Moment ging sie zu ihrem Herrn und reichte ihm eines der Gläser. Erwartungsvoll streckte nun der Dekan ebenfalls die Hand aus, doch Kalliope kehrte ihm den schmalen Rücken zu und reichte stattdessen mir das zweite Glas. Sichtlich verärgert verschränkte der Dekan daraufhin die Hände auf der Schreibtischplatte. Loxley nippte an seinem Gin, betrachtete sich in der spiegelnden Oberfläche des Glases und strich sich das wilde, blonde Haar glatt.

      Erst, als er ausgiebig gekostet und mit dem Anblick seiner selbst zufrieden zu sein schien, antwortete er dem Dekan, den Blick weiterhin auf das Glas gerichtet. »Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass Ihr Wettrennen mit Cambridge nicht gewonnen werden kann. Sie wollen sich endlich einen Vorteil verschaffen. Dass die Cambridger nicht mehr nach irdischen Regeln spielen, scheint endlich auch zu Ihnen vorgedrungen zu sein.«

      Er schenkte mir sein schalkhaftestes Lächeln und zwinkerte Kalliope zu, ehe er seinem Gegenüber ins Gesicht sah.

      »Sie wollen, dass ich nach etwas suche, das Sie in diesem Krieg der Universitäten voranbringt. Etwas, das nicht von dieser Welt ist – möglicherweise nicht einmal aus diesem Universum. Liege ich da richtig?«

      Die Selbstsicherheit Loxleys jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ich kannte seine Leidenschaft für sein Fachgebiet – das Übernatürliche, das Unbegreifliche, die Kryptotheologie und das schlicht Außerweltliche. Doch in letzter Zeit schien er zügelloser geworden zu sein, und ich wusste noch nicht recht, ob mir dieser Sinneswandel behagte.

      Loxley und ich hatten beide in unserer Jugend intensive Studien betrieben. Unsere geteilte Begeisterung und tiefe Faszination für Kulte und das Okkulte hatte uns ursprünglich zusammengeführt. In der Bodleian Library hatten sich unsere doch sehr verschiedenen Wege eines Tages gekreuzt, an einem glänzend lackierten Tisch im warmen Licht der vielleicht letzten Gaslampen des Landes. Das kalte, arktisch-blaue Licht der elektrischen Laternen hatte es – zumindest damals – noch nicht ins Allerheiligste der altehrwürdigen Bibliotheken geschafft. Und so kam es, dass im müden, gelben Schein der Bibliothekslampen zwei Männer enger zusammengerückt waren, beide vertieft in brüchige alte Wälzer über archaische Bräuche und fremdartige Rituale. Ich, ein einfacher Hausdiener, der nach Wissen lechzte, und Gabriel Loxley, ein einsamer Lord, der nach einem Sinn in den Irrungen und Wirrungen der Welt suchte.

      Beide stürzten wir uns in Erzählungen längst vergangener Kulturen, um im Fantastischen Zuflucht vor unseren ruhelosen Nächten zu suchen. Seine Begeisterung befeuerte meinen Lernwillen, und meine Neugier beflügelte seinen Intellekt. Loxley stürzte sich mit beinah ungesunder Hingabe in die Tiefen gedruckter Buchstaben, las bis zur Erschöpfung, notierte und analysierte. Einem Getriebenen gleich sammelte er immer weitere Bücher und Schriften an, bis sie sämtliche Zimmer seines prächtigen Stadthauses übernahmen. Bücherstapel wuchsen dort gleich wuchernden Pilzwäldern in die Höhe, mit jedem Tag schienen noch mehr aus dem Boden zu schießen. Selbst Kalliope vermochte irgendwann nicht mehr, Loxleys ausuferndem Chaos eine Logik abzugewinnen.

      Loxley engagierte mich als seinen Butler, und wenn er erschöpft über den Pergament- und Papyrusseiten einschlief, brachte ich die alten Geschichten in Sicherheit – und ihn ins Bett. Während er sich traumlosem Schlaf hingab, tauchte ich in Fantasiewelten ein, erbaut aus jahrtausendealter Tinte und Tusche, wandelte auf Traumpfaden gefallener Götter und toter Kulturen. Entführten meine Träume mich nachts in diese unbekannten Universen, fand ich in ihren grotesken Formen seltsamen Trost – wie auch in der Nähe der Uhrwerksfrau Kalliope, die stets unweit meiner Kammer über ihren Meister wachte. An manchen Abenden, wenn sie scheinbar geräusch- und körperlos an meiner halb geöffneten Tür vorbeiglitt, hatte ich das Gefühl, sie selbst entspränge ebenfalls meinen weltfremden Träumen.

      Irgendwann beschlossen Loxley und ich, dass uns bloße Theorie nicht mehr ausreichte. Wir wollten mit eigenen Augen die Orte sehen, an denen die Legenden und Überlieferungen aus unseren Büchern ihren Ursprung hatten. Wir wollten die Geburtsstätten dieser Zivilisationen selbst durchwandeln, ihre Überreste mit eigenen Händen berühren, die Luft alter Tempel atmen und ihr Aroma auf der Zunge schmecken. So begannen unsere Expeditionen, durch die Loxley sich einen Namen in Oxforder Kreisen machte. Und wegen derer wir heute im Studierzimmer des Dekans standen. Der schwieg Loxley nach dessen dreisten Worten eine geschlagene Minute lang mit starrem Blick an, erhob sich dann ruckartig – und hieb so heftig mit der Faust auf den Tisch, dass ich zusammenfuhr. Loxley und Kalliope blieben ungerührt.

      »Ich bin es leid, Loxley!«, ereiferte sich der Dekan. In seinen kalten Augen funkelte derselbe Hass, der all seine Gleichgesinnten bereits längst vereinnahmt hatte.

      »Diesen verfluchten Cambridge-Stümpern fällt alles in den Schoß, während wir uns bucklig schuften und unsere Hirne zermartern wie Wahnsinnige! Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! Und mir reicht es. Wir werden Cambridges Elfenbeintürme zum Einsturz bringen.«

      Energisch schenkte er sich nun eigenhändig ein Glas Gin ein und stürzte es mit heftig zitternder Hand hinunter. Mit vor Gier und Erregung geweiteten Augen fuhr er an Loxley gewandt fort:

      »Oxfords Grenzen stoßen bald an die von London. Und wir werden es schlucken. Cambridge mag unsere neue Kapitale sein, doch die alte wird ein Teil Oxfords. Damit sichern wir uns einen eigenen Hafen und die letzten Fabriken und Lehrstätten, die sich dort gehalten haben. Aber aus eigener Kraft – ich muss es leider gestehen – sind wir dazu nicht in der Lage. Zwanzig Jahre lang haben wir alles Menschenmögliche getan, um uns an die Spitze des Landes und des Empires zu setzen. Nun ist es an der Zeit, das Menschenunmögliche in Angriff zu nehmen. Und dafür sind Sie der selbst erklärte Experte, Loxley.«

      Der Angesprochene hob die Augenbrauen. Kein einziges der Worte aus dem Munde des Dekans schien ihn auch nur im Mindesten überrascht zu haben.

      »Was schlagen Sie vor, Dekan?«, fragte er leise.

      Als sie den Tonfall Loxleys vernahm, lehnte Kalliope sich kaum merklich vor. Ich tat es ihr nach. Unser beider Gehör war inzwischen so fein auf ebendiesen Ton geeicht, dass wir mit ihm resonierten wie Stimmgabeln. Kaum unterdrückte Vorfreude schwang in ihm mit, ließ Loxleys Stimme vibrieren – und uns erschaudern.

      Kein Zweifel, uns erwartete eine neue Expedition. Und wenn ich mir die beiden Männer vor mir besah, beide von ihren eigenen Dämonen

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