NECROSTEAM. Группа авторов

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um mein Gedächtnis in zwei Teile zu zerbrechen. Einer erinnert genau jedes Detail der Schönheit und unendlichen Grausamkeit der Kreatur, die sich uns dort offenbarte. Dieser Teil aber trennte sich für immer von meinem Bewusstsein, und ich wage nicht, nach ihm zu greifen und ihn zurückzuholen.

      Alles, was mir bleibt, ist das Bild der verschwommenen Schemen eines türkisfarbenen, sterngesprenkelten Nebels. Einer Galaxie, aus der Millionen glänzender, leuchtender Augen zu uns emporsahen – Funken sprühend und mit einer derartigen Gier, dass es mir den Atem nahm. Ich erinnere mich an wolkenhafte Arme, die in etwas ausliefen, das einem Skorpionstachel wohl am nächsten käme, und doch nichts mit jenen irdischen Wüstenbewohnern unserer Welt gemein hatte. Ich erinnere mich an den Schrei, mit dem ich Loxley zu warnen versuchte, und der meine Kehle schmerzen ließ. Und ich erinnere mich an den entsetzlichen Ausdruck purer Ekstase, der Loxleys Gesicht zu einer unmenschlichen Fratze verzog. Dann streckten sich die Arme dieses Gott gewordenen Sternennebels nach ihm aus und Loxley lächelte ihm verzückt entgegen. Mein Geist splitterte unter dem Druck des Grauens.

      Dann riss Kalliope mich herum und schleppte mich fort.

      Kalliope muss mich damals aus der einstürzenden Stadt getragen haben. Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem Kabinenboden unseres Luftschiffes. Die Uhrwerksfrau stand über mir an der verglasten Front des Schiffes und starrte in die Ferne. Als ich mich mühsam aufrappelte und ihrem Blick folgte, sah ich den schwarzen Krater, der einmal Cambridge gewesen war. Auch aus der Entfernung spürte ich die hungrige Leere, die nun an seine Stelle getreten war, und die ich als die Überbleibsel eines nebulösen, kosmischen Schreckens erkannte. Dieser Schrecken, dem wir das Tor zu unserer Welt geöffnet hatten, war über die Stadt hergefallen und hatte sie restlos vernichtet – angelockt von der summenden Energie und dem blühenden Leben in den Straßen.

      Wie wir später herausfanden, hatte dieses Grauen sich danach gen Westen gewandt, wo eine ebenso mächtige Stadt wartete, geboren aus Hass und kranker Ambition. Warum dieser Gott, dessen Macht über Jahre hinweg in das Fundament Cambridges gesickert war, sich mit diesen beiden Städten zufriedengab, werde ich nie verstehen. Alles, was ich damals, am Bug des Luftschiffs stehend verspürte, war eine Mischung aus tiefer Trauer und unendlicher Dankbarkeit. Mein engster Freund, mein Herr und Gefährte war mir genommen worden. Doch mir war mein Leben geblieben. Und noch mehr.

      Ich warf einen letzten Blick auf den Fleck, der England für alle Zeit brandmarken sollte, und schloss Kalliope in die Arme.

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      Ivan Ertlov: Das Dorf der Anderen

      Vorsichtig, langsam, vor allem aber lautlos schob sich die Marauder durch die dunkle, schwüle Nacht. Mit nicht einmal Vierteldampf, und damit nur einem Bruchteil der zwölftausend Pferdestärken, die die beiden Kessel auf die Schrauben bringen konnten. Ihre größten Stärken, Geschwindigkeit und Wendigkeit, konnte sie so nicht ausspielen. Dafür durchquerte sie den Luftraum leise.

      Captain Fowler nickte im Zwielicht der abgedunkelten Gondel seiner ersten Offizierin stumm zu, deutete nach vorne. Der dichte Regenwald unter ihnen war erfüllt mit anderen, fremdartigen, teilweise bizarren Geräuschen.

      Lieutenant Kirwashi verstand ihn auch ohne Worte. Behände warf sie sich den schweren Lederrucksack über die Schultern, klappte das Fenster auf und kletterte auf der Gondel nach vorne, bis auf den breiten Sporn mit dem aufwendig geschnitzten Narwal. Als sie sich mit beiden Beinen fest verankert hatte, schloss sie die Augen und holte tief Luft.

      Der wilde, ungezähmte und teilweise noch unkartografierte Regenwald unter ihr verbreitete einen ganz speziellen, würzigen Duft, den sie gierig in ihre Lungen sog. Temperaturen und eine Luftfeuchtigkeit, die ihren europäischen Kollegen Schweißströme von Stirn und Achseln laufen ließen, kümmerten sie nicht. Dies war ihre Welt – oder zumindest eine ihrer Welten. Und im Zweifel zog sie das grüne Herz Indiens jedem britischen Schlosspark im Sommer, jedem noch so extravaganten Landsitz einer ihr nachstellenden Lordschaft vor.

      Nein, der indische Subkontinent war ihr Zuhause, ihre Heimat. Aber nicht dieser Teil. Das verbotene Land hatte es ihre Großmutter genannt, unkartografiert nannten es die Eierköpfe der Royal Geographic Society, das Reich der Anderen die für indische Verhältnisse seltsam großwüchsigen, oft grotesk muskulösen Bewohner der wenigen Dörfer am Rand.

      Ein Stück Land östlich von Sundarnagar, dichtes, dunkles Grün, überwucherte Ruinen aus längst vergangenen Zeitaltern. Schleichend hatte sich die Stimmung verändert, als sie den beruhigend wegweisenden Godavarai-Fluss hinter sich gelassen und Richtung Norden geflogen waren. Das Grün des Blätterdaches war dunkler, entsättigt, kränklicher geworden, die Schatten und die Dunkelheit darunter dichter, beinahe physisch spürbar.

      In Jimalgatta hatten sie das letzte Mal Halt gemacht, Wasser für die Kessel, frisches Fladenbrot und die letzten Gerüchte aufgenommen. Die Blicke, die ihnen die Einheimischen zugeworfen hatten, waren eindeutig gewesen. Hass auf die Kolonialherren bei den einen, ein mitleidiges Bedauern bei den anderen, abhängig davon, wo ihre Loyalität lag. In einem waren sie sich einig: Niemand rechnete damit, die Marauder oder ihre Besatzung wiederzusehen.

      Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, trotz der drückenden, schwülen Hitze. Angespannt öffnete sie den Rucksack und enthob ihm jene Speziallampe, die sich Fowler von einem exzentrischen Erfinder in der Schweiz hatte aufschwatzen lassen.

      Fünfundachtzig britische Pfund hatten sie dafür in Zürich auf den Tisch gelegt. Mehr als das Jahresgehalt eines Fabrikarbeiters – und bis heute war sie noch nie zum Einsatz gekommen, hatte noch nie bewiesen, ob sie ihren horrenden Preis wert war. Ungefähr eine Elle hoch, mit einem aufwendig gearbeiteten, handtellergroßen Reflektor, dessen Brennweite mit einer Stellschraube geregelt werden konnte. Solide Schweizer Präzisionsarbeit, keine Frage. Aber das war nicht das Besondere.

      Wenn sie wirklich all das vermochte, mit dem der geschäftstüchtige Sprüngli ihrem klugen, aber manchmal zu gutgläubigen Captain das Teil aufgeschwatzt hatte, dann hielt sie nichts weniger als eine Revolution in ihren Händen.

      Sorgfältig öffnete sie die Rückseite der Lampe und schraubte einen der kleinen Messingzylinder ein. Ein leises Zischen verriet, dass die Membran durchstoßen war und das Gas in die Brennkammer strömte. Neugierig drückte sie den schweren, aus Horn gedrehten Knopf an der Seite, trieb ein Gestänge im Inneren der Brennkammer an einer Feuersteinplatte vorbei …

      … und schnaufte erst mal enttäuscht. Das Gas hatte sich entzündet, wie erwartet, aber es gab kein Feuer, kein Licht, keine Helligkeit – nur ein ganz schwaches Glimmen. Nichts, was der Reflektor bündeln und auf sein Ziel werfen konnte. Zumindest nichts, was der Rede wert war. Allerdings auch nichts, was man vom Boden aus sehen konnte. Gut für sie.

      Schulterzuckend zog sie das schwere Teleskop heraus und schraubte den Spezialfilter darauf. Vorsichtig, um das Gewinde nicht zu verschneiden. Ohne den helfenden, leitenden Lichtschein einer echten Fernlaterne, richtete sie die Lampe so aus, als ob sie den Dschungel unter ihr beleuchten wollte. Skeptisch und neugierig zugleich holte sie noch einmal tief Luft und setzte das Teleskop ans Auge.

      Ein spitzer Schrei kam über ihre Lippen, ein unwillkürlicher Schreckenslaut, den sie gerade noch nach den ersten Silben abwürgen konnte. Ein Laut, der hoffentlich in den Geräuschen des Regenwaldes unter ihr unterging. Unbewusst war sie zurückgekippt, nur vom gnadenlos klammernden Griff ihrer Schenkel um den Sporn der Marauder in Position gehalten.

      Sie sah.

      Sie sah, wie noch nie in ihrem Leben zuvor.

      Von einem grünlichen

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