NECROSTEAM. Группа авторов

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mir noch nicht klar. Doch tief in meinem Innersten muss ich gewusst haben, dass wir erstmals tatsächlich finden würden, wonach wir immer gesucht hatten. Nur fürchtete ich mich mit einem Mal vor dieser Vorstellung.

      Ich erinnere mich, kurz verstohlen Kalliopes Blick gesucht zu haben, in der Hoffnung, sie teile meine plötzliche Furcht. Doch ich kann heute nicht mehr sagen, ob sie meinen stummen Hilferuf hörte.

      »Ich will«, hob der Dekan an, »dass Sie eine jener überirdischen Kreaturen finden, von denen Sie so oft in Ihren Abhandlungen berichten. Falls sie wirklich existieren, müssen wir uns ihre Macht zunutze machen. Was immer nötig ist, Loxley, solange es nur dem Sisyphosdasein Oxfords ein für alle Mal ein Ende setzt!«

      Und so kam es, dass Loxley, Kalliope und ich am 19. März 1859 ein Luftschiff der Oxforder Universität bestiegen und uns aufmachten, einen Gott zu wecken.

      In mir rang kindliche Vorfreude mit einer mir unerklärlichen Angst. Doch statt auf Letztere zu hören, folgte ich Loxley, stellte mich im Angesicht aller drohenden Gefahren in meiner Naivität blind und taub. So sehr mich seine Begeisterung für die größenwahnsinnige Mission des Dekans auch erschütterte, hatte ich doch noch nicht die Hoffnung aufgegeben, auf dieser Expedition endlich die heiß ersehnten, unglaublichen Wunder zu schauen, die wir uns in gemeinsam durchwachten Nächten ausgemalt hatten. Meine Neugier, die mich einst auch zu Loxley geführt hatte, überwog und ertränkte meine Zweifel. Mein Leben hatte seit unserer ersten Begegnung in seinen Händen gelegen, und es widerstrebte mir, mein Vertrauen aufgrund einer vagen Furcht aufzugeben, ganz gleich, wie sehr sie in meinem Inneren wütete und tobte.

      Zugleich gab mir Kalliopes Beisein Sicherheit. Solange ich ihre anmutige Gestalt nahe wusste, konnte nichts geschehen, sagte ich mir.

      Wir begannen unsere Suche in den Ruinen Petras, der alten, in meterhohen Fels gehauenen Wüstenstadt. Unser Weg führte über glühenden Sand und durch tödlich kalte Nächte – doch fündig wurden wir nicht. Zwar stießen wir auf Überreste alter Tempel. Doch schon bei Berührung der geborstenen Steine erfüllte uns die Gewissheit, dass ihr Zauber längst verflogen war.

      Hoffnungsvoll wandten wir uns gen Osten. Auf den Hochebenen Tibets hoffte Loxley, Hinweise auf eine versunkene Stadt zu finden. Erzählungen nach sollte sie an den felsigen Steilhängen in den abgelegensten Teilen des Himalajas hängen, geformt aus gigantischen Steinblöcken und aufgetürmt zu grotesken Gebilden. Doch noch ehe wir die verheißene Bergkette erreichten, zwang uns ein unerwarteter Schneesturm zur Landung.

      In derselben Nacht träumte ich vom Ziel unserer Suche und wachte schweißgebadet auf, nicht sicher, was real und was Produkt meiner Fantasie war. Im Traum hatte ich die gigantische Stadt betreten und sie gespenstisch leer vorgefunden. Die Leere selbst schien dort ein Bewusstsein entwickelt zu haben, und einen unstillbaren Hunger, der mich nach nur drei weiteren Schritten ins Innere mit Haut und Haar verschlungen hatte.

      Kalliope, die mich aus meinen panischen, krampfhaften Windungen geweckt hatte, hörte sich meine Schilderungen still an, um dann entschlossen ans Steuer des Luftschiffes zu treten. Loxley geriet am nächsten Morgen außer sich, als er erfuhr, dass sie des Nachts den Kurs geändert und uns aus den Tiefen des Gebirges hinausmanövriert hatte. Doch Kalliope rückte nicht von ihrer Entscheidung ab, und irgendwann sah sich Loxley angesichts ihres stoischen Schweigens zur Aufgabe gezwungen.

      Auch im indischen Dschungel und den Wäldern Neuseelands fanden wir nicht, wonach Loxley suchte. Weder uralte Maoridörfer noch von Schlingpflanzen überwucherte Mayatempel brachten die erhoffte Offenbarung. Er schien ein konkretes Ziel zu verfolgen, schien nach Spuren eines ganz bestimmten Gottes oder Wesens zu suchen, von dem er uns jedoch nichts erzählte. Loxley wurde ruhelos, und seine Nervosität steigerte sich mit jedem Ort, den wir unbehelligt verließen.

      Fast sieben Monate nach unserem Aufbruch erreichten wir die Arktis im nördlichen Teil Grönlands. Hier schien Loxleys letzte Hoffnung zu liegen.

      Im ewigen Eis stand die Zeit still. Die Pfade alter Schamanen, denen wir – gemäß Loxleys immer seltener werdenden Erklärungen – folgten, schienen in der tödlichen Kälte für alle Zeiten konserviert.

      Das Ziel unserer Suche, ein uralter, mannshoher Schrein, stand im Inneren eines gigantischen Walgerippes. Zu beiden Seiten des aus schneeweißem Stein erbauten Altars ragten gigantische Rippenbögen auf und bildeten ein Kathedralengewölbe aus Knochen und Eis.

      Ich spürte sofort, als wir Fuß auf den einst heiligen Boden setzten, dass sich Zeit und Raum hier anders verhielten. Die Luft um uns herum fühlte sich seltsam dünn an, doch erwies sie sich nicht als schlechter atembar. Vielmehr schien sie weniger dicht, als müsse man nur die Hand ausstrecken, um aus unserer Realität in eine andere zu greifen. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie die Grenzen von Horizont, Schneewehen und Walknochen ineinanderflossen.

      Ohne dem bizarren Flirren in der Luft um uns herum Beachtung zu schenken, stürmte Loxley in seinem unbegrenzten Eifer bereits voran. Mir aber stellten sich die Nackenhaare auf. Auch Kalliope folgte unserem Herrn nur zögernd in das eisige Sanktum.

      Als wir uns Loxley näherten, tastete ich mit meiner Hand unwillkürlich nach der der Automatin. Er war vor dem Schrein auf die Knie gefallen und studierte die schamanischen Zeichen, die den blanken Stein bedeckten.

      Ich weiß nicht, wie lange er dort verharrte, mit bloßen Fingern über die bizarren Muster fuhr und Unverständliches vor sich hin murmelte. Wie ich bereits zu Anfang gespürt hatte, verhielt sich die Zeit hier anders. Mich überkam das Gefühl, in eine Art wachen Schlafes abzudriften, während Loxley und Kalliope, die von Wind und Wetter völlig unberührte Oberfläche des Schreins untersuchten.

      Ich stand da und starrte, gefangen und isoliert auf einer Insel zwischen Hier und Jetzt. Ich beobachtete und hatte zugleich das Gefühl, beobachtet zu werden, als verbargen sich in der Dunkelheit um uns her Hunderte Augen, die wissend auf uns herabsahen.

      Erst, als der Schrein wie von einer Axt gespalten entzweibrach, schien mich etwas in meine Realität zurückzureißen. Benommen schüttelte ich den Kopf und kämpfte gegen den Drang an, mich einfach fallen zu lassen und lange, unendlich lange zu schlafen.

      Als sich meine Wahrnehmung wieder klärte, hockte Loxley vor mir im Schnee und durchwühlte panisch die plötzlich grauschwarzen Überreste des Schreins. Er förderte zwei rundliche, schwarze Gegenstände von der Größe eines Straußeneis zutage. Kalliope wich vor ihnen zurück, als er sie ins Licht hob, machte sie auf dem Absatz kehrt und verließ wortlos die Gebetsstätte.

      Loxley bemerkte es nicht einmal. Er sah nur grimmig auf den zerfallenen Schrein und seine Fundstücke hinab, als seien sie eine persönliche Beleidigung seiner Ehre. Auch schien er nicht zu registrieren, wie leer sich dieser Ort plötzlich anfühlte. Das merkwürdige, wabernde Eigenleben, das ich bei unserer Ankunft so deutlich gespürt hatte, war fort. An seine Stelle war etwas getreten, dem ich zuvor schon einmal im Traum begegnet war. Mein Herz zog sich zusammen und meine Kehle schnürte sich zu, als ich es wiedererkannte. Die hungrige Leere leckte an unseren Fersen, bereit, uns zu verschlingen.

      Mit einem Schrei purer, ureigenster Angst packte ich den katatonischen Loxley und zerrte ihn auf die Füße. Wir liefen, immer schneller, immer panischer, bis wir Kalliope erreichten. Mit Schrecken blickte sie uns entgegen – und dem was uns verfolgte. Ich schaute nicht zurück. Stattdessen klammerte ich mich verzweifelt an Kalliope, die meine Hand festhielt und erst anhielt, als mehrere Meilen zwischen uns und dem Schrein lagen.

      An jenem Abend kauerten wir eng aneinandergedrängt an einem notdürftigen Lagerfeuer. Stundenlang versuchte Loxley die seltsamen schwarzen Steinurnen, die er gefunden hatte, zu öffnen, oder den Schriftzeichen, die sich um ihre Mitte rankten, einen Sinn abzugewinnen. Doch er war

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