Richter und Henker - Roland Benito-Krimi 8. Inger Gammelgaard Madsen
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Читать онлайн книгу Richter und Henker - Roland Benito-Krimi 8 - Inger Gammelgaard Madsen страница 17
Sie kämpfte darum, ihre zitternde Stimme ruhig zu halten, gab aber auf und verstummte.
Anker Dahl nickte. Es war unmöglich, Kindern den Umgang ausgerechnet mit denen zu verbieten, die die Eltern nicht mochten.
Der Polizeipräsident schwieg und starrte die Gardinen an, als könne er durch sie hindurch hinaus in den Garten sehen.
„Aber … aber ist er wirklich … erhängt …?“, stammelte Annelise und verschluckte den letzten Teil des Satzes.
„Es sieht leider ganz danach aus.“
„Wem in aller Welt fällt so etwas ein … wem …?“
Sie konnte die Tränen nicht mehr länger zurückhalten, Schultern und Rücken sanken einen Moment lang zusammen, dann richtete sie sich wieder auf und saß kerzengerade neben ihrem Mann, wie sie es in allen Lebenslagen zu tun pflegte. Im vergangenen Jahr waren Gerüchte in Umlauf gekommen, dass der Polizeipräsident eine Affäre mit einer drogensüchtigen Prostituierten hatte, die erstaunlich rasch von ihrer Anklage freigesprochen worden war. Birger Gudbergsen hatte abgestritten, eine Beziehung zu der Frau zu haben, die auf den Fotos, trotz ihres Lebensstils, äußerst attraktiv aussah. Die Tatsache, dass der Polizeipräsident schon lange bekannt für seine Vorliebe für hübsche Frauen war, hatte ihn nicht weniger verdächtig gemacht. Doch er hatte hartnäckig darauf bestanden, dass die Presse diese Geschichte erfunden hatte, Situationen seien aus dem Zusammenhang gerissen dargestellt worden, und dass die Frau nur deshalb so leicht davongekommen war, weil sie unschuldig war. Neue Skandale hatten die Presse dann wieder beschäftigt und die Story war in Vergessenheit geraten. Doch die ganze Zeit hindurch hatte Annelise Gudbergsen an der Seite ihres Mannes gestanden und ihn bei der Verteidigung seiner Unschuld unterstützt.
„Wir geben natürlich unser Bestes, um den Schuldigen zu finden. Der Fall hat bei uns oberste Priorität“, sagte Anker Dahl mitfühlend.
„Der Polizist, der auf die Räuber geschossen hat – hat er etwas damit zu tun?“, fragte Birger Gudbergsen betroffen, den Blick nach wie vor auf die Gardinen gerichtet.
„Der Fall ist an die DUP weitergegeben worden, deshalb liegt die Aufklärung bei ihnen. Aber ich bezweifle es. Er hat den Schuss abgefeuert, weil er geglaubt hat, die Täter hätten eine Waffe auf ihn gerichtet.“
„Eine Waffe!“ Annelise drückte die Hand ihres Mannes noch fester zusammen. „Aber Rune hatte doch keine Waffe! Oder?“
Sie warf dem Polizeipräsidenten einen erschrockenen Blick zu, der sogleich seinen Kopf schüttelte.
„Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen! Wir haben den beiden ausdrücklich erklärt, wie gefährlich es ist, mit einer Waffe, egal welcher Art, herumzulaufen. Nicht wahr, Noah?“, sagte er in die Richtung des Sesselrückens, von dem immer noch keine Antwort kam.
„Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich ein bisschen in Runes Zimmer umsehe?“, fragte Anker Dahl.
„Natürlich nicht. Es ist die zweite Tür rechts im ersten Stock. Müssen wir mitkommen?“, fragte der Polizeipräsident und legte seine andere Hand auf die seiner Ehefrau. Jetzt sah es aus, als wäre er derjenige, der sie festhielt.
„Nein, ich finde mich schon zurecht.“
Durch das Fenster der Terrassentür sah er, wie Runes Schwester damit beschäftigt war, die Flagge vom Mast zu nehmen, bevor es ganz dunkel wurde. Sie sah verweint aus, bewegte sich wie in Zeitlupe und schien ihn nicht zu bemerken, als er die Treppe hoch in den ersten Stock ging. Unterwegs streifte er sich die weißen Latexhandschuhe über, schubste die Tür mit dem Ellenbogen auf und trat ein.
Das Zimmer ähnelte Robins. Ein eigener Flachbildfernseher, eine Dartscheibe an der Wand, Jungsposter, ein Laptop und mitten auf dem Boden ein Tischfußballspiel. Er drehte am Hebel und traf mit einem der Spieler den Ball. Hier mangelte es einem Fünfzehnjährigen an nichts. Schon bald würde Robin im selben Alter sein. Anker Dahl setzte sich auf das Bett mit der FC-Barcelona-Decke und verspürte eine bedrückende Hoffnungslosigkeit. Wie konnte man seine Kinder überhaupt beschützen, wenn das hier nicht genug war? Nicht dass er glaubte, materielle Dinge wären das Wichtigste, er war sich sicher, dass auch Birger und Annelise fürsorgliche und liebevolle Eltern waren. Er konnte es sich nicht anders vorstellen, selbst wenn die beiden verantwortungsvolle Berufe hatten.
Annelise Gudbergsen war Oberärztin in einer Abteilung der Universitätsklinik in Aarhus. Er wusste nicht, in welcher.
Als er sich wieder erholt hatte, sah er sich auf dem Schreibtisch um und versuchte, die Schubladen zu öffnen, doch sie waren verschlossen.
„Er versteckt den Schlüssel.“
Dieselbe verweinte Stimme, die er hinter dem Sesselrücken gehört hatte, war nun hinter ihm; er drehte sich um.
Noah Gudbergsen stand im Türrahmen des Zimmers seines kleinen Bruders. Seine Gesichtszüge waren von Traurigkeit durchzogen. Es schien, als wollte er nicht mehr verbergen, dass er geweint hatte, obwohl er äußerlich ein eitler Typ zu sein schien, zumindest was den modernen Kleidungsstil und die Frisur anging.
„Du weißt nicht, wo er ist?“
Noah schüttelte unter lautem Schniefen den Kopf und wischte sich mit dem Handrücken über Mund und Nase.
„Nee. Sind Sie sich sicher, dass er … nicht doch Selbstmord begangen hat?“
„Glaubst du denn, dass er das gemacht hat?“
„Weiß nicht. Vielleicht …“
„Hätte Rune denn einen Grund dazu gehabt?“
„Er ist in der Schule viel gehänselt worden, also …“
Noah schniefte noch einmal und sein Blick schwankte von Anker Dahl auf irgendetwas draußen vor dem Fenster, wo der dicke Ast eines Baumes die Aussicht auf den riesigen Garten und die Flaggenstange fast ganz versperrte.
„Warum ist er gehänselt worden?“
Noah antwortete mit einem höhnischen Schnauben durch die Nase.
„Weil wir Bullen-Kinder sind, natürlich.“
„Bullen-Kin … wirst du auch gehänselt?“, unterbrach er sich selbst und stellte ein Bild von Noah und Rune, das vor der Tyfonen Achterbahn im Aarhuser Tivoli Friheden aufgenommen worden war, auf seinen Platz auf dem Schreibtisch zurück. Auf dem Bild hatte Rune die gleiche Cowboyjacke an, die er trug, als man ihn in der Schlachtanlage gefunden hatte. Das Foto sah verhältnismäßig neu aus und Rune wirkte nicht gerade wie ein Selbstmordgefährdeter.
„Mir ist das egal. Ich mag die anderen Schwachköpfe sowieso nicht.“
„Aber so, wie ich das verstanden habe, hatte Rune doch Freunde.“
„Ja, die. Weil sie ihn benutzen konnten.“
„Wofür meinst du?“
Noah zuckte mit den Schultern. Anker Dahl konnte nicht einschätzen, ob er es wirklich nicht wusste oder ob er ihm einfach nicht antworten wollte. Er setzte sich wieder aufs Bett, um nicht so groß und bedrohlich auf den Jungen zu wirken.
„Sag,