Richter und Henker - Roland Benito-Krimi 8. Inger Gammelgaard Madsen
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Читать онлайн книгу Richter und Henker - Roland Benito-Krimi 8 - Inger Gammelgaard Madsen страница 18
„Wann ist er denn außer Haus gegangen?“
„Muss wohl gegen 19 Uhr gewesen sein. Gleich nachdem wir gegessen haben. Er wollte ins Kino, hat er gesagt.“
„Zusammen mit Christoffer Svendsen und Malte Mikkelsen?“ „Das weiß ich nicht. Das hat er nicht gesagt, aber ich nehme es an. Und mit diesem einen seltsamen Typen.“
Noah ließ seinen Blick durch das Zimmer seines Bruders schweifen, als würde er nach etwas suchen.
„Wer ist der seltsame Typ?“
„Einer, mit dem sie seit Neuestem abgehangen sind. Der kommt bestimmt aus so einem Heim für Geisteskranke. Der ist nicht normal im Kopf.“
Zeugen hatten vier Täter aus dem Sportladen flüchten sehen. Könnte er der Letzte der Gesuchten sein?
„Weißt du, wie er heißt, oder in welchem Heim er wohnt?“
„Nein, ist noch nicht lange her, dass er damit angefangen hat, sich aufzudrängen. Rune mochte ihn nicht.“
„Woher weißt du das?“
„Wenn sie sich verabredet haben, wollte er immer wissen, ob er dabei war.“
„Ich dachte, du hättest gesagt, dass er dir nie etwas erzählt hat.“ Er warf Noah ein versöhnliches Lächeln zu; es wurde nicht erwidert.
„Hat er auch nicht. Ich hab an der Tür gelauscht.“
Noah pulte an einem Stückchen Lack, das sich vom Türrahmen gelöst hatte. Es sah aus, als wäre die Tür schon einmal aufgestemmt worden. Abdrücke von einem flachen Gegenstand, wie nach einem Einbruch, waren dort zu sehen.
„Und Rune hat dich nicht im Laufe des Abends kontaktiert?“
„Nein. Warum sollte er?“
Anker Dahl schätzte, dass es in dem Zimmer nichts Interessantes mehr gab, jedenfalls nicht, wenn die Schubladen verschlossen waren, und es brauchte einen triftigen Grund für einen Durchsuchungsbefehl, um hineinschauen zu dürfen. Und welcher Richter wollte ihm den schon erteilen, wenn es sich um das Eigenheim des Polizeipräsidenten handelte? Er stand auf und zog den Stecker des Laptops, der auf dem Tisch stand. Er nahm ihn unter den Arm.
„Was wollen Sie damit?“, fragte Noah und in seinen Augen funkelte etwas Bedrohliches.
„Wir müssen nachsehen, ob auf dem Computer etwas gespeichert ist, das uns erklären kann, was passiert ist. Verstehst du?“
Noah antwortete nicht, doch sein Blick sagte alles.
„Dein Vater wird verstehen, dass das notwendig ist“, sagte er, als er sich an dem Jungen vorbeischob, und hoffte, dass das auch zutraf. Auf dem Weg nach unten drehte er sich noch einmal um und sah Noah im Zimmer seines Bruders verschwinden. Wusste er vielleicht doch, wo der Schlüssel zu den Schubfächern war? Wie viel wusste er überhaupt?
Kapitel 12
Die Dunkelheit war hereingebrochen. Er hasste die Dunkelheit, sie versetzte ihn in einen Zustand der Atemnot und Klaustrophobie. Als wäre er eingesperrt in einer schwarzen Kiste. In seinem Zimmer brannte die ganze Nacht lang Licht. Eine schwache Birne, die er sich selbst gekauft und in eine Tischlampe geschraubt hatte. Er hatte die Lampe auf den Boden gestellt, sodass man sie von außen nicht sehen konnte. Der Heimleiter verlangte totale Finsternis in der Nacht. Es musste gespart werden.
Arne versteckte sich hinter einem Baumstamm, kauerte sich in seiner schwarzen Daunenjacke zusammen und fror, während er den Haupteingang des Wohnheims Elmelund observierte, das so weit entfernt von hier war, dass er die Treppe nur erahnen konnte. Näher heranzugehen wagte er nicht. Er hatte sie hinein-, jedoch nicht wieder hinauskommen sehen, und so lange sie vielleicht noch da drinnen waren und bestimmt mit dem Heimleiter sprachen, traute er sich nicht. Wer waren sie? War es die Polizei? Waren es die von gestern Nacht? Die, die Christoffer, Malte und Rune umgebracht hatten? Jetzt jagten sie auch ihn, würden ihm das Gleiche antun.
Als er, wie abgesprochen, endlich auf seinem Mofa bei der Schlachtanlage angekommen war, hatte er sie gesehen. Er hatte große Lust gehabt, hineinzustürmen, sie zusammenzutreten und seinen neuen Freunden zu helfen, war stattdessen aber nur wie versteinert dagestanden.. Während sie gingen, hatte er sich versteckt und gewartet, bis es ganz still geworden war. Er war hineingegangen, um seinen Freunden zu helfen, doch sie waren schon tot – da war er sich sicher. Heulend hatte er ihre Mobiltelefone und Geldbeutel genommen. Warum, wusste er eigentlich nicht, er handelte im Affekt. Eine Stimme hatte ihm gesagt, er müsste das machen, um sie alle zu retten. Diese Stimme hatte ihm dann geraten, wegzulaufen. So schnell er konnte. Aber sie mussten ihn gehört haben. Auf ihn gewartet haben. Vielleicht sein Mofa draußen haben stehen sehen. Er war davongehastet und in einen Haufen Glasscherben gestolpert. Seine Hände taten weh und bluteten. Jetzt hatten sie ihn bestimmt bemerkt und waren ihm in ihrem Auto gefolgt. Viel zu schnell war er mit verkrampft um die Griffe des Lenkrads geballten, schmerzenden Händen und blutenden Handflächen, die voller Glassplitter waren, auf seinem Mofa über Schnee und Eis gerast. Er hatte die Orientierung verloren und war plötzlich über die Brücke der Aarhuser Au und an dem See vorbeigefahren, den er nur allzu gut kannte. Der Årslev-Eng-See, um den er mit seinem Großvater spaziert war, als er noch lebte und sie gemeinsam in der Au fischten. Dann hatte er den Wald gesehen, war hineingefahren und hatte die Lichter abgedreht. Es war komplett finster geworden. Einen Augenblick lang hatte er geglaubt, das Auto gehört und die Scheinwerfer zwischen den Bäumen aufleuchten gesehen zu haben, aber er war sich nicht ganz sicher. Er war tief in den Wald hineingelaufen, hinein in die Dunkelheit und weg von der Straße, obwohl er solche Angst gehabt hatte, dass er zu sterben glaubte, bis er Schutz vor Wind und Schnee in dieser wundersamen Indianerhütte fand, die jemand aus langen Ästen gebaut hatte. Erst viel später am nächsten Tag hatte er bemerkt, dass er die Tüte mit den Mobiltelefonen und Brieftaschen im Wald vergessen hatte. Doch er konnte die Hütte nicht mehr finden, als er noch einmal zurück zum Wald gefahren war, um danach zu suchen. Es war hell geworden und alles sah anders aus. Er hatte lange gesucht. Als er dann zurück zum Heim gekommen war, hatte er die Männer durch den Haupteingang kommen sehen und hatte sich hinter den Ulmen versteckt.
Aber wie hatten sie herausgefunden, wer er war und dass er hier wohnte? Fragen schwirrten ihm durch den Kopf, wie unzählige Stimmen, die quälend von allen Seiten auf ihn einredeten. Er hielt sich die Ohren zu und hätte gerne laut geschrien, wie er es immer zu tun pflegte, wenn die Stimmen auftauchten und der Heimleiter kam und ihm Medizin gab, die abscheulich schmeckte, ihn aber zur Ruhe brachte. Aber das wäre keine gute Idee gewesen. Nicht heute Abend. Sie hätten ihn vielleicht hören können. Immer wieder vernahm er Geräusche, wie Schritte im Laub. Es sah sich um, doch außer Baumstämmen und Dunkelheit war da nichts. Vielleicht war es nur das Tauwetter, das das Schmelzwasser von den Zweigen tropfen ließ. Um die Einrichtung herum standen viele Ulmen, sie hatten ihr den dänischen Namen Elmelund, also Ulmenhain, gegeben. Ein ganzer kleiner Wald stand dort, in dem die Jüngsten oft spielten, diejenigen, die konnten, die ohne physische Handicaps. Meist jedoch nur im Sommer. Erneut spähte er zum Gebäude hinüber und versuchte, Konturen in der Dunkelheit auszumachen, die nun noch dichter geworden war. Vielleicht könnte er sich in sein Zimmer schleichen, sodass er nicht noch eine Nacht draußen im Freien verbringen musste. Es war so verdammt kalt und die Stimmen in seinem Kopf hörten nicht auf zu rufen, sodass er nicht klar denken konnte. Er hatte schon lange keine Medizin mehr bekommen. Bestimmt war das der Grund.
Ein schneller Schatten glitt vor seine Augen vorbei und schon schnürte sich sein Hals zusammen. Sie standen direkt hinter