Richter und Henker - Roland Benito-Krimi 8. Inger Gammelgaard Madsen

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Richter und Henker - Roland Benito-Krimi 8 - Inger Gammelgaard Madsen Rolando Benito

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zog es immer fester zu. Sie waren es! Sie hatten ihn gefunden!

      „Dreh dich um“, sagte die Stimme hinter ihm. Er tat, was ihm befohlen wurde und sah in das Gesicht des Mannes. Hinter ihm tauchten mehrere Personen auf.

      „Arne Buk Dalsgaard, nicht wahr?“, fragte der Mann, der vor ihm stand.

      Arne nickte verständnislos.

      „Folge mir hier rüber.“

      Der Mann zog ihn am Seil mit sich, er gehorchte wie einfolgsamer Esel. Die anderen folgten ihm nach. Das Einzige, was ihm jetzt auffiel, war, dass die Stimmen in seinem Kopf verstummt waren. Es war wie eine Befreiung. Vielleicht brauchte er die Medizin gar nicht.

      Sie waren ein paar Minuten gegangen, als sie endlich stehen blieben.

      „Stell dich auf den Baumstumpf dort“, befahl der Mann und deutete auf einen Wurzelstock.

      „Lass gut sein“, sagte einer der anderen Männer, er war jünger als die anderen. „Er ist nicht ganz normal. Sollen wir ihn nicht einfach gehen lassen?“

      „Ihn gehen lassen? Warum sollte er entkommen dürfen? Weil er nicht normal ist?“, sagte der Mann, der das Seil noch immer festhielt. „Das ist ja noch schlimmer. Dann kann man ihn nicht einmal auf normalem Wege bestrafen und er kann weiterhin seine kriminellen Spielchen treiben.“

      „Sollen wir ihn nicht einfach mitnehmen?“, drängte der Jüngere weiter.

      „Warum das denn? Wir wissen doch, dass er es ist, oder?“, sagte ein anderer, den Arne in der Dunkelheit nicht sehen konnte.

      „Wir können ihn ja fragen. Arne, warst du an dem Mord an dem Mann im Sportladen beteiligt?“

      Er schüttelte energisch den Kopf.

      „Stimmt doch nicht, Arne. Du glaubst, dass dir niemand was anhaben kann. Auch die Polizei nicht, weil du ein behinderter Minderjähriger bist und die Behörden nicht wissen, was sie mit dir machen sollen. Du fährst die Mitleidsschiene, gib’s zu!“

      Wieder schüttelte er den Kopf.

      Der Mann warf das Ende des Seils in der Dunkelheit einem anderen Mann in einer Lederjacke zu, der neben dem Baum stand.

      „Übernimmst du? Dann werden wir schon noch ein Geständnis aus ihm rausbekommen.“

      Geübt ergriff der andere das Seil und warf es über einen Ast, der sich genau über Arne befand. Er spannte es und Arne schnappte nach Luft. Er versuchte erneut, das Seil um seinem Hals zu fassen, um es abzustreifen, doch ein anderer, der sicher die ganze Zeit schon hinter ihm gestanden hatte, verdrehte ihm blitzschnell die Arme hinter dem Rücken und schnürte sie mit Kabelbindern fest zusammen. Es tat weh, als sie um sein Handgelenk gezurrt wurden.

      „Seht mal, er hat lauter Verletzungen auf den Handflächen. Bestimmt von den Glasscherben. Jetzt haben wir jedenfalls Gewissheit, dass er es war, der in der Schlachtanlage gestürzt ist. Du warst dort, gib’s doch endlich zu.“

      Die Stimme des Mannes hinter ihm war dicht an seinem Ohr.

      „Stell dich auf die Zehen“, befahl die tiefe Stimme vor ihm, die klang, als würde sie bewusst verzerrt werden.

      „Versuchen wir’s noch mal. Bist du schuldig?“

      „Nein! Also, ich war da, aber ich hab nicht …“

      „Er hat gestanden“, unterbrach ihn der Mann und wandte sich halb nach hinten den anderen zu. Dann drehte er sich wieder um und sah ihn triumphierend an.

      „Auf die Zehen, hab ich gesagt! Wie eine Balletttänzerin.“

      Arne gehorchte und versuchte, die Balance zu halten, doch nun wurde das Seil noch strammer, sodass es ihn augenblicklich erwürgt hätte, hätte er das Gleichgewicht verloren. Die Stiefel waren schwer vom Schneematsch an den Sohlen.

      „Könnt … könnt ihr mich jetzt nicht freilassen?“, bat er. Seine Lippen bebten und machten seine Worte nahezu unverständlich, Tränen schossen ihm in die Augen, aber die Stimmen waren immer noch aus seinem Kopf verschwunden. Noch nie zuvor war es so still gewesen wie jetzt.

      „Sollen wir ihn nicht gehen lassen“, fragte die junge Stimme noch einmal, „vielleicht weiß er gar nicht, was passiert ist. Er ist ja nicht ganz fit im Kopf.“

      Arne konnte ihn nicht sehen, weil er den Kopf zurücklegen musste, damit ihn das Seil nicht erwürgte. Hin und wieder verließ ihn die Kraft in den Füßen, dann spannte sich das Seil noch fester um den Hals und er beeilte sich, sich schluchzend wieder auf die Zehen zu stellen.

      „Natürlich weiß er, was passiert ist, nicht wahr, kleiner Arne? Ihr habt den Mann im Laden umgebracht. Er hat das Pfefferspray nicht vertragen. Er ist gestorben!“

      Die letzten Worte schrie er so laut, dass Arne die Wärme seines Atems spüren konnte, der nach Menthol roch.

      „Das … das war echt nicht ich …!“

      Nun begann er richtig zu weinen. War der Mann tot gewesen? Er hatte gesehen, dass er umgefallen war, aber Christoffer hatte gesagt, dass nur das Pfefferspray in seinen Augen brannte. Dann war auf sie geschossen worden und sie waren geflohen.

      „Jemanden umzubringen zieht Konsequenzen nach sich!“

      Mit zurückgelegtem Nacken hörte er die Zweige unter ihren Stiefeln knacken, als sie begannen, sich davonzumachen. Sie ließen ihn stehen. Einfach so! Er würde sich erwürgen. Er versuchte, einen Schrei aus dem Hals zu quälen, doch alles, was er herausbekam, war ein sonderbar kratziges Geräusch.

      „Er kann um Hilfe rufen!“

      Sie waren schon ein Stück weit weg, aber nun kam einer von ihnen zurück.

      „Hilf mir runter! Mach mich los!“, jammerte Arne weinerlich und hoffte, es wäre der Mann mit der jungen Stimme.

      Eine kräftige Hand umfasste sein Kinn und öffnete seinen Mund gewaltsam, indem er seine Kiefermuskeln fest zusammendrückte, wie es der Heimleiter immer tat, wenn Arne einen Krampfanfall bekam und seine Medizin nicht nehmen wollte. Aber was er jetzt in den Mund bekam, war keine Medizin. Er wurde mit Schnee vollgestopft. Die Eiskristalle bohrten sich in die Mundhöhle, es wurde immer mehr, bis er nur noch durch die Nase atmen konnte. Er schnappte gurgelnd nach Luft, der Schnee schmolz schnell in seinem warmen Mund und drohte ihn zu ersticken. Doch bei jeder unfreiwilligen Bewegung schnürte sich das Seil nur noch fester um seinen Hals.

      Und wieder hörte er, wie sich ihre Schritte entfernten. Es wurde still. So still, wie ein Wald an einem kalten Abend im Februar nun einmal war. Er war ganz allein und die Zeit verging unendlich langsam, während der Schnee in seinem Mund schmolz und er verzweifelt mehr und mehr Wasser schluckte. Seine Augen waren hervorgetreten und starrten nach oben in die nackten Zweige, die wie helle Silhouetten im Kontrast zu dem schwarzen Himmel weit über ihm standen.

      Seine Knie zitterten. Dann verließen ihn die Kräfte.

      Kapitel 13

      Wärme war vom Süden hergekommen und Tauwetter hatte sich im Laufe der Nacht über das ganze Land gelegt – erst mit Schneeregen, der dann in einen heftigen Regenschauer übergegangen war.

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