Sigurd 3: Im Auftrag des Königs. Thomas Knip
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Читать онлайн книгу Sigurd 3: Im Auftrag des Königs - Thomas Knip страница 5
Er forderte seine Männer auf, ihm zu helfen, doch selbst mit vereinten Kräften gelang es ihnen nicht, das Boot wieder zum Ufer hin zu steuern. Ohnmächtig mussten sie zusehen, wie es immer weiter aufs Meer hinaustrieb.
Gubo sah die angsterfüllten Blicke der beiden Frauen, die geknebelt auf Deck lagen. Er vermied es, ihren Blick zu erwidern, sondern sah sich von einer Unruhe erfüllt um. Schließlich entdeckte er die beiden Ruder, die unter die Planken geklemmt waren, und rief seine Männer herbei. Die Spießgesellen zogen sie hervor und tauchten sie ins Wasser.
»Rudert, Leute! Rudert!«, befahl er ihnen. »Es geht um unser Leben!«
Immer wieder sah er die Felsen der Brandung bei einem Wellengang aus dem Wasser ragen. Jeden Augenblick konnte das kleine Boot an einem von ihnen zerschellen. Und selbst wenn sie den gefahrvollen Klippen entkamen, so hatten sie doch kaum genug Proviant an Bord, um mehr als einen Tag auf hoher See zu überstehen.
Resigniert sackte Endres, einer seiner Begleiter, auf der Ruderbank förmlich in sich zusammen. Seine Brust hob und senkte sich von der Anstrengung der letzten Minuten. »Es hat keinen Zweck«, keuchte er. »Gegen diesen Strom sind wir machtlos …«
Gubo wollte ihn anfahren und ihm befehlen, sich weiter ins Zeug zu legen. Doch ein Blick über die Schulter machte auch ihm bewusst, dass sie den Unbilden der Wellen ausgeliefert waren. So blieb den Männern nichts anderes übrig, als tatenlos mitanzusehen, wie das Boot erbarmungslos auf eine abgelegene Insel zugetrieben wurde.
Der Abenteurer hatte Seefahrer in Tavernen ehrfurchtsvoll von ihr sprechen hören, wobei er ihre Erzählung stets als Seemannsgarn abgetan hatte. Doch unter Kapitänen galt die Insel als berüchtigt. Niemals sollte ein Mensch, der das Innere betreten hatte, von dort zurückgekehrt sein. Der Sage nach trieben auf der Insel böse Geister ihr Unwesen.
Böse Geister …
Humorlos lachte Gubo auf. Viel mehr fürchtete er die Bedrohung durch die steil aufragenden Felsen der Küste, die es unmöglich zu machen schienen, ungefährdet an Land zu gehen. Das Wasser brauste auf, und das Rauschen der Wellen übertönte die Worte der Menschen an Bord. Gischt spitzte über sie hinweg und durchnässte ihre Kleidung.
Nun war das Boot vollends ihrer Kontrolle entglitten. Es taumelte und torkelte führungslos über die Wellenkämme und trieb mit jedem Wellenschlag näher auf das steinige Ufer zu.
»Wir laufen auf!«, rief Gubo und sah in die furchterfüllten Gesichter seiner Männer. Dann fiel sein Blick auf die beiden Mädchen, die sich in ihren Fesseln wanden. Kurz entschlossen ging er auf sie zu und schnitt die Seile durch. Gefesselt fänden sie den sicheren Tod, und dann wäre jede Hoffnung auf ein Lösegeld endgültig zunichte …
»Haltet euch fest!«, forderte er Dagmar und Bettina auf. »Vielleicht können wir uns an Land retten!«
Er sah nach vorne über den Bug hinweg. Das Boot steuerte auf einen Felsen zu, der nur flach aus dem Wasser ragte. Gubo schürzte die Lippen. Mehr als die Hoffnung blieb ihm nicht …
Nur einen Augenblick später lief das Boot auf dem Felsen auf. Der Rumpf wurde in die Höhe gehoben, und der Mast zerbarst wie ein morscher Ast. Stimmen schrien auf und riefen um Hilfe.
Gubo tauchte ins Wasser ein und schlug hart gegen den Felsen. Er biss die Zähne zusammen und sah vor sich einen blonden Haarschopf. Ohne zu zögern, griff er nach dem Körper und zog ihn auf das rettende Ufer zu.
Dagmar sackte neben ihm auf dem kalten Fels zu Boden und rang um Atem. Gubo sah sich um und erkannte seine Schergen, von denen einer Bettina, der Zofe, ans Ufer half. Er lachte auf. Wieder einmal war das Glück ihm hold. Nie im Leben hätte er damit gerechnet, dass sie alle unbeschadet mit dem Leben davonkommen würden!
»Dem Teufel sei Dank«, murmelte Bruno, während er seinen Griff um Bettinas Arm löste und nach Luft schnappte. »Wir haben es geschafft …«
Noch bevor Gubo etwas erwidern konnte, fauchte Dagmar ihn an. »Schämt Ihr Euch nicht? Wehrlose Frauen ins Verderben zu stürzen?« Trotz ihres aufgelösten Haars und der Erschöpfung der vergangenen Stunden hatte sie sich nach wie vor die Haltung einer Gräfin bewahrt und funkelte den Gauner aus zornerfüllten Augen an.
Unwillkürlich fühlte Gubo sich schuldig, doch dann straffte er seinen Körper und fand zu seiner gewohnten Selbstsicherheit zurück. »Es lag nicht in meiner Absicht, Euch Ungemach zu bereiten, Gräfin Dagmar«, erwiderte er und schwor sich, sich nicht den Schneid abkaufen zu lassen und zuckte dann mit den Schultern. »Aber nun ist es nicht mehr zu ändern.«
Dagmar sah ihn nach wie vor wuterfüllt an. »Und was gedenkt Ihr, jetzt zu tun?«
Gubo sah sie mehrere Augenblicke lang forschend an, bevor er antwortete. »Beruhigt Euch, Gräfin. Bestimmt finden wir Menschen, die uns helfen können.«
Dagmar antwortete ihm nichts darauf, sondern ging auf Bettina zu, die schluchzend auf dem Fels saß. Sie nahm sie in die Arme und sprach ihr tröstende Worte zu. Gubo unterdrückte das erneut aufbrandende Schuldgefühl und sah sich um. Er hatte die Hoffnung, dass noch etwas von der Ladung an Bord des Boots an den Strand gespült worden war, doch das Meer hatte alles mit sich in die Tiefe gerissen.
Er stemmte die Hände in die Hüften und sah zu seinen Männern, die ihn erwartungsvoll anblickten. Ohne ein Wort zu sagen, riss er den Arm hoch und deutete ins Innere der Insel.
*
Die Schiffbrüchigen machten sich auf den Weg. Nachdem sie die Felsklippen erklommen hatten, wurden sie ohne Übergang von einem dicht bewachsenen Urwald umgeben. Knorrige Bäume, deren Wurzeln weit aus dem Erdreich ragten, erhoben sich Dutzende von Metern in die Höhe. Buschwerk, das so dicht wuchs, dass es ein Durchkommen fast unmöglich machte, bedeckte den Boden. Nur ein schmaler Pfad, der fast so wirkte, als sei er von Menschenhand angelegt worden, führte durch das dicht stehende Blattwerk.
Und trotz der üppigen Natur fehlte eines … kein Vogel war zu hören, kein Tier, das aufgeschreckt durchs Unterholz davonpreschte. Es war eine gespenstisch anmutende Ruhe, die die Gruppe umgab.
Mit einem Mal öffnete sich das Unterholz und gab den Blick auf eine kleine Lichtung frei. Doch der Anblick ließ die Menschen erschaudern. Statuen, die die Menschen um mehr als einen Kopf überragten, blickten von beiden Seiten der Lichtung aus dämonisch wirkenden Augen auf sie herab. Sie waren grob gearbeitet und wirkten wie Ungeheuer aus einer tiefen Hölle.
Bettina drückte sich Schutz suchend an Dagmar.
»Ich fürchte mich, Herrin«, gab sie mit leiser Stimme zu und wagte nicht, zu den Statuen aufzusehen. »Uns steht bestimmt Schreckliches bevor.«
Dagmar suchte nach tröstenden Worten. Doch auch sie fühlte, wie sich die Furcht mit Eiseskälte um ihr Herz legte. »Das Gefühl habe ich auch«, konnte sie nur erwidern. »Schau nur diese grausigen Figuren überall!«
Sie wagte kaum, nach vorne zu deuten, in das Dickicht, in dem nun noch weitere dieser unheimlichen Statuen auszumachen waren.
Gubo wollte etwas darauf antworten, als dicht vor ihm ein Pfeil in einen umgestürzten Baumstamm einschlug und federnd stecken blieb. Der Abenteurer zuckte zurück, dann sah er das Stück Papier, das auf den Pfeilschaft aufgesteckt worden war.