Handbuch der Sprachminderheiten in Deutschland. Группа авторов

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wurde 1634 die Insel Strand, aus der die jetzigen Inseln Nordstrand und Pellworm hervorgegangen sind, durch eine große Sturmflut weitgehend zerstört und von den friesischen Einwohnern zum Teil verlassen. Die im Zuge des Wiederaufbaus eingewanderten Siedler führten das Niederdeutsche und teilweise auch das Niederländische ein, das aber inzwischen wieder verschwunden ist.

      Die niederdeutsch-jütische Grenze entlang der Linie Husum-Schleswig scheint lange Zeit fest gewesen zu sein. Erst zwischen 1800 und 1850 ging die jütischsprachige Landschaft Angeln im Osten Schleswigs zum Niederdeutschen über. Im ärmeren schleswigschen Mittelrücken vollzog sich dagegen der Sprachwechsel viel langsamer. An der Westküste gewann das Niederdeutsche weiter an Boden, bis die Expansion des Niederdeutschen durch die des Hochdeutschen abgelöst wurde. Heute lässt sich im gesamten Gebiet ein Sprachwechsel vom Jütischen, Friesischen und Niederdeutschen zum Hochdeutschen hin beobachten.

      Die friesisch-jütische Sprachgrenze scheint sich über die Jahrhunderte kaum bewegt zu haben, wenn man von der geringfügigen Expansion des Friesischen auf der Geest absieht.2 Das Jütische scheint jedoch das Friesische lange Zeit vor dem Einfluss des Niederdeutschen abgeschirmt zu haben.

      Heute sieht die Sprachverteilung im Kreis Nordfriesland etwa so aus: Im gesamten Gebiet wird Hochdeutsch gesprochen. Niederdeutsch wird ebenfalls weitgehend im gesamten Gebiet gesprochen. Auf Amrum, Westerland-Föhr und dem östlichen Teil von Sylt ist das Niederdeutsche jedoch schwach vertreten. Südlich der deutsch-dänischen Staatsgrenze gilt das Jütische inzwischen als weitgehend ausgestorben. Friesisch wird auf dem Festland von der Staatsgrenze im Norden bis kurz vor Bredstedt, etwa Langenhorn, im Süden sowie auf den Inseln Sylt, Föhr, Amrum und vereinzelt auf den Halligen gesprochen.

      Die meisten Friesischsprecher befinden sich auf Westerland-Föhr, Amrum, Helgoland, im östlichen Teil von Sylt, und auf dem Festland in der Gemeinde Risum-Lindholm. Diese Gebiete dürfen jedoch nicht mehr, vielleicht mit Ausnahme von Westerland-Föhr, als geschlossene Sprachräume betrachtet werden, da die Zahl der Nicht-Friesischsprecher die der Friesischsprecher übersteigt. In den übrigen Dörfern des friesischen Sprachgebietes ist die Zahl der Friesischsprecher teilweise gering.

      3.2 Auswanderung nach Amerika

      Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts setzte eine Auswanderungswelle vor allem der Inselfriesen von Föhr und Amrum nach Amerika ein. Hauptsiedlungsgebiete waren Kalifornien und New York. In Kalifornien war die Haupterwerbstätigkeit der Betrieb von Hühnerfarmen, während die Friesen in New York Kolonialwarenhändler und später Inhaber von Delicatessen-Stores wurden (Götz/Greve 2011). Gründe für die Auswanderung waren etwa die Flucht vor der Militärdienstpflicht in der preußischen Zeit, die Suche nach besseren Arbeitsmöglichkeiten und die nicht ausreichende wirtschaftliche Basis auf den heimischen Bauernhöfen (Pauseback 1995). Heute besteht ein reger Kontakt zwischen den Insel- und den Amerika-Friesen.

      4 Wirtschaft und Wanderbewegungen

      Die Wirtschaftsstruktur Nordfrieslands ist primär durch den Dienstleistungssektor (besonders durch den Fremdenverkehr) gekennzeichnet. Etwa 73 Prozent der Brutto-Wertschöpfung kam 2016 aus diesem Bereich.1 Die Landwirtschaft ist ebenfalls von Bedeutung, da die 2.003 landwirtschaftlichen Betriebe eine Flächennutzung von insgesamt 160.248 ha (= 76,9 % der Gesamtnutzfläche Nordfrieslands) haben (Regionale Kooperation Westküste 2016: 14). Allerdings betrug 2016 die Landwirtschaft nur zirka zwei Prozent der Brutto-Wertschöpfung,2 und nur 2,3 Prozent der versicherungspflichtigen Beschäftigten sind im Wirtschaftszweig Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei tätig (Regionale Kooperation Westküste 2016: 64). Die Krise in der Landwirtschaft zwingt seit längerem Landwirte dazu, einen neuen Beruf aufzunehmen.

      Die einzelnen Teile Nordfrieslands weisen eine unterschiedliche Wirtschaftsstruktur auf. Auf den Inseln dominiert der Fremdenverkehr, der aber inzwischen auch auf dem Festland mit dem Schwerpunkt in St. Peter-Ording an Bedeutung gewonnen hat. Andere Wirtschaftszweige auf dem Festland befinden sich zum Beispiel im Medizinbereich und in der regenerativen Energie. Es besteht dennoch eine ungleichmäßige Wirtschaftsstruktur, die zu Wanderbewegungen innerhalb des Gebietes führt. Täglich pendeln zum Beispiel zirka 4.000 bis 5.000 Personen vom Festland nach Sylt, um im Baugewerbe, Fremdenverkehr usw. tätig zu sein.

      Infolge von Schwierigkeiten im Gesundheitssystem in Nordfriesland können Kinder jetzt in der Regel nicht mehr auf den Inseln Amrum, Föhr und Sylt geboren werden. Angehende Mütter müssen sich rechtzeitig vor der Niederkunft in eine Unterkunft in der Nähe der Kliniken in Flensburg, Husum oder Heide begeben.

      Auf Grund des Fremdenverkehrs, der Attraktivität der Insel und der Zinspolitik der EZB sind die Immobilienpreise auf Sylt stark gestiegen, so dass ein beträchtlicher Teil der Immobilien inzwischen in den Händen von Auswärtigen liegt. Dieser Ausverkauf der Insel, genannt „Versyltung“, hat inzwischen auch die Inseln Föhr und Amrum erreicht, so dass auch hier die Immobilienpreise stark steigen.

      Diese Entwicklung führt zu einer Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen auf den Inseln. Während junge Insulaner es sich oft kaum leisten können, auf den Inseln zu bleiben, liegt ein hoher Anteil an Häusern und Wohnungen im Besitz Auswärtiger, die als Ferien- und Wochenenddomizile oder als Investitionsobjekte benutzt werden.

      Die hohen Immobilienpreise auf den Inseln, eine verhältnismäßig hohe Arbeitslosigkeit, die allerdings saisonbedingten Schwankungen unterliegt, die Notwendigkeit für junge Leute, den Kreis zu verlassen, um sich weiter zu qualifizieren, und ein geringes Arbeitsangebot für qualifizierte Fachkräfte und Akademiker in Nordfriesland führen zu einer Abwanderung der Einheimischen (Speth 2009, Walker 2019a). Im Jahre 2017 wanderten 7.165 Personen aus Nordfriesland ab. Eine Zuwanderung Nicht-Einheimischer findet ebenfalls statt, u.a. wegen des Bedarfs an Saisonkräften im Fremdenverkehr, insbesondere auf den Inseln. Ruheständler kommen ebenfalls gerne nach Nordfriesland, um hier in einer gesunden Umgebung ihren Lebensabend zu verbringen. Im Jahre 2017 wanderten 8.328 Personen nach Nordfriesland ein. Es sind m.a.W. mehr Personen zu- als abgewandert.3

      Das einst nur schwer erreichbare Gebiet Nordfriesland ist heute verkehrstechnisch gut erschlossen. IC-Züge fahren über Husum nach Westerland auf Sylt mit der Möglichkeit, in Niebüll umzusteigen, um mit der Kleinbahn und Fähre zu den Inseln Föhr und Amrum weiterzufahren. Es gibt allerdings seit längerem erhebliche Schwierigkeiten mit der Marschbahn, die zu Protesten und zehn Monate in Folge zu einer Bestrafung der Bahn durch das Wirtschaftsministerium in Kiel geführt haben.4 Gefordert wird u.a. der Ausbau der eingleisigen Strecke zwischen Niebüll und Sylt. Es gibt auch eine Fährverbindung zwischen der dänischen Insel Röm und List auf Sylt. Direkte Flugverbindungen bestehen zwischen Sylt und Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Kassel, Mannheim, München, Stuttgart und Zürich. In St. Peter-Ording sowie auf den Inseln Föhr, Pellworm und Helgoland befinden sich ebenfalls Flugplätze. Gut ausgebaute Bundesstraßen verbinden die Bundesautobahn von Hamburg nach Flensburg mit Husum und Leck bzw. Niebüll. Der Bau der Westküstenautobahn von Hamburg hat bislang Heide erreicht.

      5 Politische Aspekte

      5.1 Symbolische und instrumentale Politik

      Im Spannungsfeld zwischen Deutsch und Dänisch konnten die Friesen lange Zeit politisch wenig erreichen. Eine politische Partei oder eine politische Vertretung haben die Nordfriesen nie gehabt; allerdings vertritt die Partei der dänischen Minderheit, der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), auch die Interessen der mit der dänischen Minderheit zusammenarbeitenden Friisk Foriining.

      Infolge u.a. der stark gefährdeten Situation des Friesischen (vgl. Kap 8.1) sowie eines neuen „Einstieg[s] in eine offensive und operative Minderheitenpolitik“ (Fischer 1998: 313) sind seit den 1980er Jahren verschiedene Maßnahmen zur Förderung der friesischen Sprache und Kultur getroffen worden, die sich auf einem Kontinuum zwischen symbolischer und

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