Handbuch der Sprachminderheiten in Deutschland. Группа авторов

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dänischen Minderheit und ihre Organisationen nicht daran gehindert werden dürfen, die Sprache ihrer Wahl zu sprechen und zu schreiben. Es wird jedoch hinzugefügt, dass die Verwendung der Minderheitensprache „vor den Gerichten und Verwaltungsbehörden […] sich nach den diesbezüglichen gesetzlichen Vorschriften [bestimmt]“ (Art. II. Abs. 2, s.o.). Das bedeutet, dass die Sprachwahl und der Sprachgebrauch frei bestimmt werden können, dass jedoch die Gesetzgebung Deutsch als Amtssprache in bestimmten Situationen vorschreiben kann.

      Die Verwendung der Formulierung „die gewünschte Sprache“ anstelle von „die Minderheitensprache“ macht den Absatz interpretierbar. Aus heutiger Sicht bestand jedoch 1955 kein Zweifel daran, dass die Absicht der Erklärung zur Sprachverwendung darin bestand, den Mitgliedern der Minderheit die Wahl der Minderheitensprache zu gewähren. Zu dieser Zeit waren Sprachpolitik und Sprachplanung in den meisten europäischen Nationalstaaten von der Idee des Sprachnationalismus dominiert. Ihr zufolge sind nationale Identität und nationale Sprache naturgemäß und untrennbar miteinander verbunden. Die Nationalsprache gilt in diesem Konzept als Ausdruck der Solidarität des Volkes sowie der Einheit der Nation und ist das Bindeglied zwischen den nationalen Minderheiten und dem Staat, dem sie sich verbunden fühlen. Demgegenüber beinhaltet die Idee des Sprachpluralismus ein Konzept von Mehrsprachigkeit und sprachlicher Vielfalt und akzeptiert, dass jede Sprache oder jeder Dialekt eine Reihe von Bereichen hat, in denen ihr bzw. ihm ein hoher Stellenwert zukommt. Wenn der Wortlaut der Kopenhagener Erklärung, „die gewünschte Sprache“, sprachpluralistisch interpretiert wird, könnten die dänischen Minderheitsmitglieder – bis auf wenige Ausnahmen – Dänisch bzw. Sydslesvigdansk oder den dänischen Dialekt Sønderjysk oder Deutsch und Niederdeutsch verwenden. Im täglichen Leben zeigt sich ein Sprachverhalten, das diesen Sprachpluralismus widerspiegelt. Einige ältere Mitglieder der Minderheit interpretieren den Wortlaut jedoch eher sprachnationalistisch und plädieren für die alleinige Verwendung der Minderheitensprache Dänisch. Das Nebeneinander dieser beiden Konzepte führt zu einer anhaltenden Sprachdebatte.

      3.3.3 Der Minderheitenartikel in der Landesverfassung von 1990

      Die Landesverfassung von 1990 baute in Artikel 5 die Kieler Erklärung von 1949 aus und legte fest, dass die nationale dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe Anspruch auf Schutz und Förderung haben.

      3.3.4 Der Minderheitenschutz des Europarates

      Die Bonner Erklärung ist kein völkerrechtlich bindendes Dokument. Erst einige Jahrzehnte später hat Deutschland zwei Abkommen ratifiziert, die völkerrechtliche Bindung haben und die dänische Minderheit erfassen: das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (Rahmenkonvention) im Jahre 1992 (ratifiziert 1998)1 und die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (Sprachencharta) von 1995 (ratifiziert 1997). Die Rahmenkonvention bestätigt die Rechte, die der dänischen Minderheit in der Bonner Erklärung bereits zugesichert worden waren: die Zugehörigkeit zur Minderheit ist frei; Angehörige einer nationalen Minderheit haben das Recht, sich zu versammeln und sich frei zusammenzuschließen; sie haben Meinungs-, Gewissens- und Religionsfreiheit sowie Zugang zu den Medien.

      Diese generellen Rechte werden in der dänischen Minderheit nicht so oft diskutiert wie die Sprachencharta, welche die Regionalsprachen oder Minderheitensprachen schützt und fördert. Die Charta bestätigt die bereits in der Bonner Erklärung verankerten Rechte.

      Sie enthält Pflichten für die Staaten, aber keine Rechte für Einzelpersonen oder Personengruppen. Daher können die Mitglieder der Minderheit nicht das Recht geltend machen, innerhalb der Behörden der Mehrheitsgesellschaft und vor Gericht in dänischer Sprache verstanden und angesprochen zu werden. Der Staat hat jedoch die Pflicht, sich darum zu bemühen, Wünschen zur Verwendung der dänischen Sprache nachzukommen.

      3.3.5 Offizielle Sprachregelungen

      2016 erließ der Landtag auf Initiative des SSW eine Ergänzung zum LVwG SH, das festlegte, dass Dänisch in Südschleswig (in den Kreisen Nordfriesland und Schleswig-Flensburg, in den kreisfreien Städten Flensburg und Kiel sowie im Kreis Rendsburg-Eckernförde) im Kontakt mit den Behörden verwendet werden darf (s. 2.3). Dieser Schritt geht über die Bonner Erklärung hinaus; er reflektiert die Wünsche der Minderheit an den Sachverständigenausschuss der Sprachencharta, der die Sprachsituation der Minderheit ausgestaltet.

      3.4 Kulturelle Institutionen, Medien und Literatur

      Die kulturellen Institutionen und Organisationen der dänischen Minderheit sind gemeinnützige Vereine; sie sind im deutschen Vereinsregister eingetragen und daher von der Steuerpflicht in Bezug auf zum Beispiel Zuwendungen aus Dänemark befreit. Die kulturellen Hauptorganisationen der Minderheit sind der SSF und der SdU, der als Zusammenschluss diverser sport- und freizeitorientierter Vereine für Kinder und Jugendliche die Dachorganisation der dänischen Sport- und Jugendvereine in Südschleswig bildet. Kindergärten, Grund- und Gesamtschulen sowie Gymnasien sind dem Dansk Skoleforening for Sydslesvig (‚Dänischer Schulverein Südschleswig‘) untergeordnet, und die Dansk Kirke i Sydslesvig (‚Dänische Kirche in Südschleswig‘) gilt organisatorisch ebenfalls als ein Verein. Das trifft auch auf den Dansk Sundhedstjeneste (‚Dänischer Gesundheitsdienst‘) zu, der das Sozial- und Gesundheitswesen der Minderheit konstitutiert, und die Dansk Centralbibliotek for Sydslevig (‚Dänische Zentralbibliothek Südschleswig‘). Hinzu kommt der SSW, die politische Partei der Minderheit, die bereits in Kapitel 3.2 behandelt wurde. Die Minderheit als Ganzes besitzt keine Dachorganisation, doch die genannten Vereine sind in Det sydslesvigske Samråd (gemeinsamer Rat der dänischen und friesischen Minderheitenorganisationen) repräsentiert, dessen Aufgabe es ist, die Aktivitäten der Vereine zu koordinieren und ein Diskussionsforum für Fragen, die von allgemeinem Interesse für die Minderheit sind, zu bieten. Er hat jedoch keine selbstständigen Entscheidungsbefugnisse, sondern ist nur beratendes Gremium (vgl. Ewer 2006).

      3.4.1 Sydslesvigsk Forening (SSF; ,Südschleswigscher Verein‘)

      Der SSF ist die kulturelle Hauptorganisation der dänischen Minderheit. Ziel des SSF ist es, die dänische Sprache zu fördern, die dänische und nordische Kultur zu bewahren und zu unterstützen, das Verständnis für die schleswigsche Heimat und deren Eigenart zu vertiefen sowie die Verbindung mit Dänemark, dem Norden und den dänischen Schleswigern außerhalb Südschleswigs zu pflegen. Auf der einen Seite ist der SSF als Kulturträger verantwortlich für Kulturangebote, zum Beispiel in Form von klassischer und moderner Musik, zeitgemäßem Theater, Kindertheater und Ballett, sowie auch für kulturelle Kontakte zwischen Südschleswig und Dänemark. Andererseits betreibt der SSF kultur- und minderheitenpolitische Interessenwahrnehmung. Er arbeitet im Koordinationsausschuss DialogForumNorden (DFN) mit, ist Mitglied in der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV), dem European Bureau for Lesser Used Languages (EBLUL)1 und ist Förderer des Nordisk Informationskontor i Sønderjylland/Sydslesvig (‚Nordisches Informationsbüro in Südjütland/Südschleswig‘).

      Obwohl die Förderung der dänische Sprache zu den Zielen des SSF gehört, handelt es sich bei dem Verein nicht um eine Sprachbewegung, sondern um eine allgemein kulturelle Vereinigung. Eine dezidierte Sprachbewegung stellt dagegen Sprogforeningen i Sydslesvig (‚Sprachverein in Südschleswig‘) dar, einer der gut 20 Vereine, die dem SSF angeschlossen sind. Dessen vorrangiges Ziel ist es, die dänische Sprache und ihre Verwendung zu fördern. Seit seinem Bestehen ist der Sprogforeningen in laufenden Sprachdebatten zwar nicht mit Artikeln und Leserbriefen in Erscheinung getreten, veranstaltet jedoch Vortragsabende für seine Mitglieder und publiziert, neben Büchern und Liedern, Plakate mit der Aufforderung, Dänisch zu verwenden. Im Januar 2019 hatte der Verein 667 Mitglieder in Deutschland und weitere 920 Mitglieder in Dänemark.2

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