Joachim Löw und sein Traum vom perfekten Spiel. Christoph Bausenwein

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Joachim Löw und sein Traum vom perfekten Spiel - Christoph Bausenwein страница 16

Автор:
Серия:
Издательство:
Joachim Löw und sein Traum vom perfekten Spiel - Christoph Bausenwein

Скачать книгу

eines Teammanagers zu fordern, der sich intensiv um die Belange der Spieler kümmern solle. Balakov hätte gern seinen Berater Bukovac auf diesem Posten gesehen, die anderen jedoch votierten für Hansi Müller. Weil der aber als Berater zu eng mit den Spielern verbandelt war, sperrte sich jetzt der Präsident und setzte mit Karlheinz Förster einen Kompromisskandidaten durch.

      Die Forderung nach einem Teammanager hätte man schon für sich allein als Misstrauensvotum gegen den Trainer auslegen können. Ins Zentrum der Krise rückte schließlich der Konflikt zwischen der »Diva« Balakov und dem vom Rest der Mannschaft isolierten Yakin. Balakov trat zunächst aus Protest gegen die Ablehnung seines Beraters Bukovac aus dem Mannschaftsrat zurück. Nur wenig später drohte er dann in der »Bild« seinen Wechsel an, falls es beim VfB keine grundlegenden Veränderungen gebe. »Entweder Poschner spielt hinter mir, oder ich spiele nicht mehr für den VfB«, forderte er. Der Bulgare wusste, dass auch andere Spieler, vor allem Verlaat und Berthold, seine Forderung unterstützten. Zielscheibe der Kritik war der ungeliebte Neuzugang Yakin. Löw hatte an seinem Wunschspieler bislang stets festgehalten, obwohl seine Leistungen nicht wirklich hatten überzeugen können. Balakov monierte vor allem, dass er von Yakin geschnitten werde und nicht genügend Unterstützung in der Offensive erhalte. Es wäre nun an Löw gewesen, in der Sache ein Machtwort zu sprechen. Stattdessen versuchte er, auf die Forderungen der Spieler einzugehen.

      Der geniale Balakov war noch nie pflegeleicht gewesen. Nun aber, nachdem er im Sommer einen Vertrag mit 6 Mio. DM Jahresgehalt ausgehandelt hatte und damit zum bestbezahlten Profi der Bundesliga aufgestiegen war, hatte der Bulgare noch mehr Sonderrechte für sich beansprucht. Der Großverdiener war noch überheblicher geworden, und natürlich war auch der Neid der Mitspieler gewachsen.

      Die »Diva« Balakov wollte keinen anderen neben sich glänzen lassen, so dass der zum Schönspielen neigende Außenseiter Yakin schon aus diesem Grund als sein natürlicher Feind prädestiniert war. Der technisch exzellente, aber nicht besonders laufstarke Defensivmann war ein Spieler, der auch selbst mal mit einer Einzelaktion brillieren wollte, und sah seine Rolle keineswegs als bloßer Erfüllungsgehilfe des Bulgaren. Das war der zentrale Konflikt im Team. Und er würde weitere generieren, wenn er den mauligen Poschner wieder auf seiner angestammten Position einsetzen würde. Denn wohin dann mit Yakin? Der Libero-Posten wäre für ihn in Frage gekommen, aber den besetzte ein anderer Platzhirsch: Frank Verlaat.

      So mühte sich Löw nach dem Start der Rückrunde, die divergierenden Interessen unter einen Hut zu bringen. Im Konflitkfeld Balakov-Yakin ergab sich dabei ein uneinheitliches Bild. Yakin kam in der Rückrunde zehnmal zum Einsatz, davon aber nur dreimal auf der Poschner-Position. Es zeigte sich: Das Problem bestand weniger darin, dass Yakin auf der Position von Poschner nicht stark genug gewesen wäre; sondern der VfB fand, bedingt durch permanente personelle und taktische Umstellungen, nie zu einer Konsolidierung des Spiels, die ihn im Vorjahr ausgezeichnet hatte. Dem Trainer gelang es nicht, seiner Elf eine funktionierende Mischung aus Sicherheit und Kreativität beizubringen. Auch die Stimmungsprobleme bekam er nicht in den Griff, ständig war er damit beschäftigt, die aus mangelndem Teamgeist entstanden Risse im Mannschaftsgefüge zu kitten. So war es denn kein Wunder, dass ansprechende Leistungen weitgehend ausblieben und darob die Autorität des Trainers immer weiter zerbröselte. Nach zwei Niederlagen in der Bundesliga (in Dortmund und gegen Kaiserslautern) verloren die Stuttgarter am 17. Februar das Pokal-Halbfinale in München. Bei diesem 0:3 waren sie von den Bayern regelrecht vorgeführt worden, und hernach brüllten sich die Spieler beim Gang in die Kabine gegenseitig an. Löw schaute ratlos zu.

      Beim Präsidenten schrillten nun die Alarmglocken: bereits fünf Spiele in Folge ohne Sieg, Champions-League-Teilnahme nicht mehr möglich und ein Trainer, der die Truppe ganz offensichtlich nicht mehr unter Kontrolle hatte. Nach der Rückkehr von einer Reise mit der Nationalmannschaft deutete Mayer-Vorfelder an, dass es eine grundlegende Änderung geben könnte: einen neuen Trainer. »Löw auf der Kippe«, schlagzeilte die »Sport-Bild« umgehend, und die anderen Printmedien sammelten Argumente für die Entlassung des in die Schusslinie geratenen Coaches: Löw habe keine Rückendeckung mehr bei den Spielern, die nur noch stänkern und ihm auf der Nase herumtanzen würden; das Gekicke der Mannschaft sei nur noch unattraktiv, ein klares Konzept sei nicht erkennbar; die von ihm geholten Neuen seien entweder nicht integriert (Akpoborie, Yakin) oder schlicht untauglich (Becker, Spanring, Stojkovski). Selbst das Erscheinungsbild des schmächtigen Trainers wurde nun ein Gegenstand von gehässigen Kommentaren. Bei Löw hänge das Schlüsselbein, konnte man in der »Stuttgarter Zeitung« lesen, er sei halt »nun mal kein Löwe«.

      Dann kam der März 1998, der zunächst mit einem 2:1 gegen Wolfsburg erfolgreich begann. Mayer-Vorfelder versicherte gegenüber den Vertretern der Presse, dass man noch mit keinem anderen Trainer verhandelt habe. Es folgte ein 0:0 beim HSV und schließlich ein erneutes 0:3 im Heimspiel gegen den FC Bayern. Nichts habe gestimmt, weder die Einstellung noch die Taktik des Teams, moserte »MV« nun: »Jetzt ist der Trainer gefordert.« Natürlich sei er maßlos enttäuscht gewesen nach dem Spiel, kommentierte Löw. Aber: »Noch können wir aus eigener Kraft einen UEFA-Cup-Platz schaffen.« Außerdem hatte man im Europapokal der Pokalsieger soeben gegen Slavia Prag den Einzug ins Halbfinale geschafft, und dort wartete mit Lokomotive Moskau ein durchaus schlagbarer Gegner. Wenn man beides schaffe, Platz fünf in der Bundesliga und die Teilnahme am Europacup-Endspiel, dann sei »die ganze Saison doch zufriedenstellend« verlaufen, lautete Löws Beschwichtigungsformel. Vorsichtshalber sagte er jedoch erstmal einen lange geplanten Trainerlehrgang in der Schweiz ab. Es war ihm in dieser Situation zu gefährlich, Stuttgart zu verlassen.

      Der größte Teil der Traineraufgabe, sagte er in diesen Tagen in einem Interview mit der »FAZ«, sei die psychologische Komponente. Aber was folgte aus dieser Erkenntnis in der Praxis? Wie sollte er die Mannschaft in den Griff bekommen? Verteidiger Thomas Schneider sollte Jahre später in einem Interview von »ein paar Idioten« berichten, die sich damals beim Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder »ausgeweint« hätten. Das konnte für die Autorität des Trainers nicht förderlich sein. Wenig dienlich war auch, dass er in den Zeitungen permanent wegen seines angeblich zu weichen und zu inkonsequenten Führungsstils angeprangert wurde.

      Warum etwa hatte er Murat Yakin nicht bestraft, der vor dem Spiel gegen die Bayern noch um Mitternacht in einem Lokal gesehen worden war? Yakin habe nur Nudeln gegessen und Mineralwasser getrunken, hatte Löw hernach die Aufstellung des türkischstämmigen Schweizers gerechtfertigt. Warum suspendierte er nun andererseits die Spieler Haber und Poschner, die unter der Woche bis halb drei morgens in Stuttgarter Bars gesehen wurden, für das nächste Spiel? Warum ließ er zu, dass die Spieler Bobic und Verlaat mit öffentlichen Äußerungen an seiner Autorität kratzten? Bobic hatte kritisiert, dass die Mannschaft »viel zu einfach auszurechnen« sei, und Verlaat wurde mit der Aussage zitiert, dass die Probleme beim VfB ausschließlich »sportlicher Natur« und damit also »Sache des Trainers« seien.

      Als das nächste Spiel in Berlin trotz neuformierter Mannschaft mit 0:3 kläglich in die Hose gegangen war, würdigte »MV« seinen Trainer nach dem Abpfiff keines Blickes und meckerte vor den Mikrofonen: »Wir sind gegen eine durchschnittliche Mannschaft total eingebrochen.« Am Tag darauf fiel die Presse über den glücklosen Trainer her, diesen Sonderling, der in Interviews von so seltsamen Dingen wie Respekt, Anstand und Moral redete oder von »ehrlicher Arbeit«, die seine Profis in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit abzuliefern hätten. Der Trainer, so hieß es nun wenig überraschend, habe in seiner Gutmütigkeit viel zu lange viel zu viel toleriert. Zwar sei er ein anständiger Kerl, richtig lieb sogar, aber eben wahrscheinlich nicht hart genug für das Geschäft, sondern zu grün, zu weich, kurz: zu nett. Die »Stuttgarter Zeitung« druckte das gnadenlose Urteil: »Der Trainer ist gescheitert. An sich und seinem Charakter. An den maßlosen Stars. Und an den absolutistischen Machtstrukturen im Verein. Übrig bleibt: ein trauriger Held mit liebenswerten Schwächen, der sich im Sommer wohl einen neuen Arbeitsplatz suchen muss.«

      Während die Vorwürfe auf Joachim Löw herabprasselten, brodelte zugleich die Gerüchteküche. Kaum ein bekannter Name

Скачать книгу